Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Ob nun aber dieser zur Säure kommende Bestandtheil der Luft die allgemeine Ursache aller Säure und das allgemeine säurezeugende Princip sey, das lassen doch die Versuche unentschieden, und es wird von den Antiphlogistikern blos hypothetisch angenommen. Die Frage von Präexistenz der Säure ist noch nicht beantwortet; vielleicht giebt es Säuren ohne diesen Stoff, so wie es Körper geben soll, die ihn enthalten, und doch nicht sauer sind, z. B. das Wasser; vielleicht war die Säure schon im Schwefel vorhanden, noch ehe sich der Grundtheil aus der Luft mit ihm vereinigte; vielleicht war sie nur durch etwas unwägbares gebunden, das bey der Verbrennung durch die Gefäße drang, oder sich mit dem Apparat verband u. s. w. Kurz, man kan die Versuche auf mancherley Art auch so erklären, daß die Säure präexistirend, mithin der Schwefel immer noch eine zusammengesetzte Substanz bleibt. Von dieser Art ist die neuere Erklärung des Hrn. Gren (Systemat. Handb. der Chemie, Th. I. 1794. §. 572.), nach welcher der Schwefel aus einer eignen sauren Grundlage und dem Brennstoff (oder der Basis des Lichts) zusammengesetzt ist, so wie die dephlogistisirte Luft aus einer eignen Basis und dem Wärmestoff besteht. Durch hinlängliche Erhitzung verbindet sich der Brennstoff des Schwefels mit dem Wärmestoffe der Lebensluft zu Licht und Wärme, oder zum Feuer, und die Basis der Lebensluft giebt mit der sauren Grundlage des Schwefels vollkommene oder unvollkommene Schwefelsäure, je nachdem der Schwefel mehr oder weniger Brennstoff verliert. Kirwan gab ehedem eine Erklräung, welche sowohl den Schwefel als die Säure zusammengesetzt annahm, aber die Einwirkung eines eignen Sauerstoffs vermeiden sollte. Er ließ den Schwefel Phlogiston (oder nach ihm brennbare Luft) enthalten, dieses aber beym Verbrennen nicht davongehen, sondern sich mit der dephlogistisirten Luft verbinden, und mit derselben fixe Luft bilden, die sich mit dem Schwefel vereinigte. Daraus erklärte er die Gewichtszunahme,
Ob nun aber dieſer zur Saͤure kommende Beſtandtheil der Luft die allgemeine Urſache aller Saͤure und das allgemeine ſaͤurezeugende Princip ſey, das laſſen doch die Verſuche unentſchieden, und es wird von den Antiphlogiſtikern blos hypothetiſch angenommen. Die Frage von Praͤexiſtenz der Saͤure iſt noch nicht beantwortet; vielleicht giebt es Saͤuren ohne dieſen Stoff, ſo wie es Koͤrper geben ſoll, die ihn enthalten, und doch nicht ſauer ſind, z. B. das Waſſer; vielleicht war die Saͤure ſchon im Schwefel vorhanden, noch ehe ſich der Grundtheil aus der Luft mit ihm vereinigte; vielleicht war ſie nur durch etwas unwaͤgbares gebunden, das bey der Verbrennung durch die Gefaͤße drang, oder ſich mit dem Apparat verband u. ſ. w. Kurz, man kan die Verſuche auf mancherley Art auch ſo erklaͤren, daß die Saͤure praͤexiſtirend, mithin der Schwefel immer noch eine zuſammengeſetzte Subſtanz bleibt. Von dieſer Art iſt die neuere Erklaͤrung des Hrn. Gren (Syſtemat. Handb. der Chemie, Th. I. 1794. §. 572.), nach welcher der Schwefel aus einer eignen ſauren Grundlage und dem Brennſtoff (oder der Baſis des Lichts) zuſammengeſetzt iſt, ſo wie die dephlogiſtiſirte Luft aus einer eignen Baſis und dem Waͤrmeſtoff beſteht. Durch hinlaͤngliche Erhitzung verbindet ſich der Brennſtoff des Schwefels mit dem Waͤrmeſtoffe der Lebensluft zu Licht und Waͤrme, oder zum Feuer, und die Baſis der Lebensluft giebt mit der ſauren Grundlage des Schwefels vollkommene oder unvollkommene Schwefelſaͤure, je nachdem der Schwefel mehr oder weniger Brennſtoff verliert. Kirwan gab ehedem eine Erklraͤung, welche ſowohl den Schwefel als die Saͤure zuſammengeſetzt annahm, aber die Einwirkung eines eignen Sauerſtoffs vermeiden ſollte. Er ließ den Schwefel Phlogiſton (oder nach ihm brennbare Luft) enthalten, dieſes aber beym Verbrennen nicht davongehen, ſondern ſich mit der dephlogiſtiſirten Luft verbinden, und mit derſelben fixe Luft bilden, die ſich mit dem Schwefel vereinigte. Daraus erklaͤrte er die Gewichtszunahme, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0839" xml:id="P.5.827" n="827"/><lb/> wenn er dieſelben gekannt haͤtte, ſeine Theorie vom Phlogiſton nicht entworfen haben.</p> <p>Ob nun aber dieſer zur Saͤure kommende Beſtandtheil der Luft die allgemeine Urſache aller Saͤure und das allgemeine ſaͤurezeugende Princip ſey, das laſſen doch die Verſuche unentſchieden, und es wird von den Antiphlogiſtikern blos hypothetiſch angenommen. Die Frage von Praͤexiſtenz der Saͤure iſt noch nicht beantwortet; vielleicht giebt es Saͤuren ohne dieſen Stoff, ſo wie es Koͤrper geben ſoll, die ihn enthalten, und doch nicht ſauer ſind, z. B. das Waſſer; vielleicht war die Saͤure ſchon im Schwefel vorhanden, noch ehe ſich der Grundtheil aus der Luft mit ihm vereinigte; vielleicht war ſie nur durch etwas <hi rendition="#b">unwaͤgbares</hi> gebunden, das bey der Verbrennung durch die Gefaͤße drang, oder ſich mit dem Apparat verband u. ſ. w. Kurz, man kan die Verſuche auf mancherley Art auch ſo erklaͤren, daß die Saͤure praͤexiſtirend, mithin der Schwefel immer noch eine zuſammengeſetzte Subſtanz bleibt.</p> <p>Von dieſer Art iſt die neuere Erklaͤrung des Hrn. <hi rendition="#b">Gren</hi> (Syſtemat. Handb. der Chemie, Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> 1794. §. 572.), nach welcher der Schwefel aus einer eignen ſauren Grundlage und dem Brennſtoff (oder der Baſis des Lichts) zuſammengeſetzt iſt, ſo wie die dephlogiſtiſirte Luft aus einer eignen Baſis und dem Waͤrmeſtoff beſteht. Durch hinlaͤngliche Erhitzung verbindet ſich der Brennſtoff des Schwefels mit dem Waͤrmeſtoffe der Lebensluft zu Licht und Waͤrme, oder zum Feuer, und die Baſis der Lebensluft giebt mit der ſauren Grundlage des Schwefels vollkommene oder unvollkommene Schwefelſaͤure, je nachdem der Schwefel mehr oder weniger Brennſtoff verliert.</p> <p><hi rendition="#b">Kirwan</hi> gab ehedem eine Erklraͤung, welche ſowohl den Schwefel als die Saͤure zuſammengeſetzt annahm, aber die Einwirkung eines eignen Sauerſtoffs vermeiden ſollte. Er ließ den Schwefel Phlogiſton (oder nach ihm brennbare Luft) enthalten, dieſes aber beym Verbrennen nicht davongehen, ſondern ſich mit der dephlogiſtiſirten Luft verbinden, und mit derſelben fixe Luft bilden, die ſich mit dem Schwefel vereinigte. Daraus erklaͤrte er die Gewichtszunahme,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [827/0839]
wenn er dieſelben gekannt haͤtte, ſeine Theorie vom Phlogiſton nicht entworfen haben.
Ob nun aber dieſer zur Saͤure kommende Beſtandtheil der Luft die allgemeine Urſache aller Saͤure und das allgemeine ſaͤurezeugende Princip ſey, das laſſen doch die Verſuche unentſchieden, und es wird von den Antiphlogiſtikern blos hypothetiſch angenommen. Die Frage von Praͤexiſtenz der Saͤure iſt noch nicht beantwortet; vielleicht giebt es Saͤuren ohne dieſen Stoff, ſo wie es Koͤrper geben ſoll, die ihn enthalten, und doch nicht ſauer ſind, z. B. das Waſſer; vielleicht war die Saͤure ſchon im Schwefel vorhanden, noch ehe ſich der Grundtheil aus der Luft mit ihm vereinigte; vielleicht war ſie nur durch etwas unwaͤgbares gebunden, das bey der Verbrennung durch die Gefaͤße drang, oder ſich mit dem Apparat verband u. ſ. w. Kurz, man kan die Verſuche auf mancherley Art auch ſo erklaͤren, daß die Saͤure praͤexiſtirend, mithin der Schwefel immer noch eine zuſammengeſetzte Subſtanz bleibt.
Von dieſer Art iſt die neuere Erklaͤrung des Hrn. Gren (Syſtemat. Handb. der Chemie, Th. I. 1794. §. 572.), nach welcher der Schwefel aus einer eignen ſauren Grundlage und dem Brennſtoff (oder der Baſis des Lichts) zuſammengeſetzt iſt, ſo wie die dephlogiſtiſirte Luft aus einer eignen Baſis und dem Waͤrmeſtoff beſteht. Durch hinlaͤngliche Erhitzung verbindet ſich der Brennſtoff des Schwefels mit dem Waͤrmeſtoffe der Lebensluft zu Licht und Waͤrme, oder zum Feuer, und die Baſis der Lebensluft giebt mit der ſauren Grundlage des Schwefels vollkommene oder unvollkommene Schwefelſaͤure, je nachdem der Schwefel mehr oder weniger Brennſtoff verliert.
Kirwan gab ehedem eine Erklraͤung, welche ſowohl den Schwefel als die Saͤure zuſammengeſetzt annahm, aber die Einwirkung eines eignen Sauerſtoffs vermeiden ſollte. Er ließ den Schwefel Phlogiſton (oder nach ihm brennbare Luft) enthalten, dieſes aber beym Verbrennen nicht davongehen, ſondern ſich mit der dephlogiſtiſirten Luft verbinden, und mit derſelben fixe Luft bilden, die ſich mit dem Schwefel vereinigte. Daraus erklaͤrte er die Gewichtszunahme,
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