Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Hr. Hofr. Lichtenberg (Sechste Aufl. von Erxlebens Naturl. S. 328.) fragt mit Recht, ob wohl diese so wichtig vorgestellte Frage überhaupt einen vernünftigen Sinn habe? In der That denkt der, der sie aufwirft, nicht daran, was eigentlich aufrecht und verkehrt zu nennen sey. Wenn man ein Gemälde umkehrt, so stehen die darauf abgebildeten Figuren nur in Beziehung auf Dinge, die außer dem Gemälde sind, umgekehrt; auf dem Gemälde selbst sind sie noch immer aufrecht, d. h. sie kehren die Füße gegen den Boden, das Haupt gegen die Decke oder den Himmel. Eben so ist es mit dem Bilde im Auge. Nur in Beziehung auf das, was außer ihm ist, kan man es verkehrt nennen; und nur ein zweytes Auge, das Bild und Gegenstand zugleich betrachtete, würde die verkehrte Lage des erstern wahrnehmen. Die Seele aber betrachtet ja nicht das Bild durch ein zweytes Auge zugleich mit dem Gegenstande, mithin kömmt eine solche Beziehung bey der Empfindung des Sehens gar nicht vor. In einer Zeichnung, die Bild und Gegenstand zugleich darstellt, steht freylich jenes gegen diesen verkehrt. Aber bey der Empfindung des Sehens mehrerer Gegenstände beziehen wir Bilder auf Bilder, und alle zusammen auf das Bild der Erde oder des Bodens, und in dieser Beziehung steht jede Figur auf der Netzhaut aufrecht; nemlich gegen die andern und gegen das Bild des Bodens. Es ist also ganz unrichtig, wenn man sagt, die Bilder in unserm Auge wären verkehrt, und so hat man sich die obige Frage von Lichtenberg zu erklären. Die Herren Kries (Zusatz zu Adams, a. a. O. S. 70 u. f.) und Gren (Grundriß der Naturl. 1793. §. 617.) haben dieses sehr deutlich aus einander gesetzt. Zu S. 27. Von der Weite oder den Grenzen des Sehens überhaupt theile ich hier noch einige Bemerkungen aus Adams mit. Wenn das Auge im Dunkeln ist, so erkennt es die Gegenstände bey einem geringen Grade von Helligkeit. Man hat berechnet, daß ein Gegenstand, den wir bey Tage in einer Entfernung sehen können, die 3436mal so groß, als sein Durchmesser, ist, bey Nacht in einer hundertmal größern Entfernung sichtbar seyn würde, wenn er Hr. Hofr. Lichtenberg (Sechſte Aufl. von Erxlebens Naturl. S. 328.) fragt mit Recht, ob wohl dieſe ſo wichtig vorgeſtellte Frage uͤberhaupt einen vernuͤnftigen Sinn habe? In der That denkt der, der ſie aufwirft, nicht daran, was eigentlich aufrecht und verkehrt zu nennen ſey. Wenn man ein Gemaͤlde umkehrt, ſo ſtehen die darauf abgebildeten Figuren nur in Beziehung auf Dinge, die außer dem Gemaͤlde ſind, umgekehrt; auf dem Gemaͤlde ſelbſt ſind ſie noch immer aufrecht, d. h. ſie kehren die Fuͤße gegen den Boden, das Haupt gegen die Decke oder den Himmel. Eben ſo iſt es mit dem Bilde im Auge. Nur in Beziehung auf das, was außer ihm iſt, kan man es verkehrt nennen; und nur ein zweytes Auge, das Bild und Gegenſtand zugleich betrachtete, wuͤrde die verkehrte Lage des erſtern wahrnehmen. Die Seele aber betrachtet ja nicht das Bild durch ein zweytes Auge zugleich mit dem Gegenſtande, mithin koͤmmt eine ſolche Beziehung bey der Empfindung des Sehens gar nicht vor. In einer Zeichnung, die Bild und Gegenſtand zugleich darſtellt, ſteht freylich jenes gegen dieſen verkehrt. Aber bey der Empfindung des Sehens mehrerer Gegenſtaͤnde beziehen wir Bilder auf Bilder, und alle zuſammen auf das Bild der Erde oder des Bodens, und in dieſer Beziehung ſteht jede Figur auf der Netzhaut aufrecht; nemlich gegen die andern und gegen das Bild des Bodens. Es iſt alſo ganz unrichtig, wenn man ſagt, die Bilder in unſerm Auge waͤren verkehrt, und ſo hat man ſich die obige Frage von Lichtenberg zu erklaͤren. Die Herren Kries (Zuſatz zu Adams, a. a. O. S. 70 u. f.) und Gren (Grundriß der Naturl. 1793. §. 617.) haben dieſes ſehr deutlich aus einander geſetzt. Zu S. 27. Von der Weite oder den Grenzen des Sehens uͤberhaupt theile ich hier noch einige Bemerkungen aus Adams mit. Wenn das Auge im Dunkeln iſt, ſo erkennt es die Gegenſtaͤnde bey einem geringen Grade von Helligkeit. Man hat berechnet, daß ein Gegenſtand, den wir bey Tage in einer Entfernung ſehen koͤnnen, die 3436mal ſo groß, als ſein Durchmeſſer, iſt, bey Nacht in einer hundertmal groͤßern Entfernung ſichtbar ſeyn wuͤrde, wenn er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0849" xml:id="P.5.837" n="837"/><lb/> </p> <p>Hr. Hofr. <hi rendition="#b">Lichtenberg</hi> (Sechſte Aufl. von Erxlebens Naturl. S. 328.) fragt mit Recht, ob wohl dieſe ſo wichtig vorgeſtellte Frage uͤberhaupt einen vernuͤnftigen Sinn habe? 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Zu S. 27. Von der Weite oder den Grenzen des Sehens uͤberhaupt theile ich hier noch einige Bemerkungen aus Adams mit. Wenn das Auge im Dunkeln iſt, ſo erkennt es die Gegenſtaͤnde bey einem geringen Grade von Helligkeit. Man hat berechnet, daß ein Gegenſtand, den wir bey Tage in einer Entfernung ſehen koͤnnen, die 3436mal ſo groß, als ſein Durchmeſſer, iſt, bey Nacht in einer hundertmal groͤßern Entfernung ſichtbar ſeyn wuͤrde, wenn er
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