Stickgas nichts anders, als luftförmiges Wasser mit viel Lichtstoff; mit weniger Lichtstoff könnte wohl atmosphärische, und mit noch weniger davon dephlogistisirte Luft gebildet werden. Verhielte sich dieses so, was würde dann aus dem angenommenen Azote der Antiphlogistiker, der Basis der Salpetersäure? Und woher soll das Azote kommen, bey Wasserdämpfen, die durch irdene Röhre gehen? Vielmehr scheint der angeführte Versuch auf ein besonderes Verhältniß des Stickgas zum Lichtstoff hinzuweisen.
Ein solches Verhältniß scheint sich auch durch die Beobachtungen zu bestätigen, welche Herr Oberbergrath von Humboldt über die grüne Farbe unterirdischer Vegetabilien (Grens Journ. der Phys. B. V. S. 202 u. f.) angestellt hat. Stickluft thut auf die Pflanzen gleiche Wirkung mit dem Lichte; sie färbt sie in den Gruben grün. Damit stimmen auch directe Versuche des Herrn Senebier überein. Er entzog junge Pflanzen dem Lichte, und verschloß sie in Stickluft; sie trieben grüne Blätter, und zeigten keine Spur von Bleichsucht. Selbst solche Vegetabilien, die in gemeiner Luft zu welken anfiengen, lebten gleichsam auf, wenn man Stickluft zuließ.
Noch weit mehr wird diese Verbindung der Stickluft mit dem Lichtstoffe durch die merkwürdigen Versuche des Herrn Göttling bestätiget, die ich in dem Zusatze zu dem Art. Gas, phlogistisirtes (oben S. 454,) angeführt habe. Da nach diesen Versuchen der Phosphor die Stickluft durch sein Leuchten eben so zersetzt, wie die dephlogistisirte durch sein Verbrennen, und da er durch diese Zersetzung auch eben so gesäuert wird, so glaubt Herr Göttling, daß beyde Luftarten den Sauerstoff zur Basis haben, und findet sich dadurch bewogen, den von den Antiphlogistikern angenommenen Stickstoff überhaupt als ein Unding zu verwerfen. Diese Behauptung eines so scharfsinnigen Chemikers, der im Ganzen selbst der antiphlogistischen Lehre beytritt, und zu ihrem Siege über die Widersprüche der deutschen Gelehrten so viel beygetragen hat, kan zum Beweise dienen, daß es in diesem Gebäude bey allem dem Glanze, wodurch einige seiner
Stickgas nichts anders, als luftfoͤrmiges Waſſer mit viel Lichtſtoff; mit weniger Lichtſtoff koͤnnte wohl atmoſphaͤriſche, und mit noch weniger davon dephlogiſtiſirte Luft gebildet werden. Verhielte ſich dieſes ſo, was wuͤrde dann aus dem angenommenen Azote der Antiphlogiſtiker, der Baſis der Salpeterſaͤure? Und woher ſoll das Azote kommen, bey Waſſerdaͤmpfen, die durch irdene Roͤhre gehen? Vielmehr ſcheint der angefuͤhrte Verſuch auf ein beſonderes Verhaͤltniß des Stickgas zum Lichtſtoff hinzuweiſen.
Ein ſolches Verhaͤltniß ſcheint ſich auch durch die Beobachtungen zu beſtaͤtigen, welche Herr Oberbergrath von Humboldt uͤber die gruͤne Farbe unterirdiſcher Vegetabilien (Grens Journ. der Phyſ. B. V. S. 202 u. f.) angeſtellt hat. Stickluft thut auf die Pflanzen gleiche Wirkung mit dem Lichte; ſie faͤrbt ſie in den Gruben gruͤn. Damit ſtimmen auch directe Verſuche des Herrn Senebier uͤberein. Er entzog junge Pflanzen dem Lichte, und verſchloß ſie in Stickluft; ſie trieben gruͤne Blaͤtter, und zeigten keine Spur von Bleichſucht. Selbſt ſolche Vegetabilien, die in gemeiner Luft zu welken anfiengen, lebten gleichſam auf, wenn man Stickluft zuließ.
Noch weit mehr wird dieſe Verbindung der Stickluft mit dem Lichtſtoffe durch die merkwuͤrdigen Verſuche des Herrn Goͤttling beſtaͤtiget, die ich in dem Zuſatze zu dem Art. Gas, phlogiſtiſirtes (oben S. 454,) angefuͤhrt habe. Da nach dieſen Verſuchen der Phosphor die Stickluft durch ſein Leuchten eben ſo zerſetzt, wie die dephlogiſtiſirte durch ſein Verbrennen, und da er durch dieſe Zerſetzung auch eben ſo geſaͤuert wird, ſo glaubt Herr Goͤttling, daß beyde Luftarten den Sauerſtoff zur Baſis haben, und findet ſich dadurch bewogen, den von den Antiphlogiſtikern angenommenen Stickſtoff uͤberhaupt als ein Unding zu verwerfen. Dieſe Behauptung eines ſo ſcharfſinnigen Chemikers, der im Ganzen ſelbſt der antiphlogiſtiſchen Lehre beytritt, und zu ihrem Siege uͤber die Widerſpruͤche der deutſchen Gelehrten ſo viel beygetragen hat, kan zum Beweiſe dienen, daß es in dieſem Gebaͤude bey allem dem Glanze, wodurch einige ſeiner
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Stickgas nichts anders, als luftfoͤrmiges Waſſer mit viel Lichtſtoff; mit weniger Lichtſtoff koͤnnte wohl atmoſphaͤriſche, und mit noch weniger davon dephlogiſtiſirte Luft gebildet werden. Verhielte ſich dieſes ſo, was wuͤrde dann aus dem angenommenen Azote der Antiphlogiſtiker, der Baſis der Salpeterſaͤure? Und woher ſoll das Azote kommen, bey Waſſerdaͤmpfen, die durch irdene Roͤhre gehen? Vielmehr ſcheint der angefuͤhrte Verſuch auf ein beſonderes Verhaͤltniß des Stickgas zum Lichtſtoff hinzuweiſen.</p><p>Ein ſolches Verhaͤltniß ſcheint ſich auch durch die Beobachtungen zu beſtaͤtigen, welche Herr Oberbergrath <hirendition="#b">von Humboldt</hi> uͤber die gruͤne Farbe unterirdiſcher Vegetabilien (<hirendition="#b">Grens</hi> Journ. der Phyſ. B. <hirendition="#aq">V.</hi> S. 202 u. f.) angeſtellt hat. Stickluft thut auf die Pflanzen gleiche Wirkung mit dem Lichte; ſie faͤrbt ſie in den Gruben <hirendition="#b">gruͤn.</hi> Damit ſtimmen auch directe Verſuche des Herrn <hirendition="#b">Senebier</hi> uͤberein. Er entzog junge Pflanzen dem Lichte, und verſchloß ſie in Stickluft; ſie trieben gruͤne Blaͤtter, und zeigten keine Spur von Bleichſucht. Selbſt ſolche Vegetabilien, die in gemeiner Luft zu welken anfiengen, lebten gleichſam auf, wenn man Stickluft zuließ.</p><p>Noch weit mehr wird dieſe Verbindung der Stickluft mit dem Lichtſtoffe durch die merkwuͤrdigen Verſuche des Herrn <hirendition="#b">Goͤttling</hi> beſtaͤtiget, die ich in dem Zuſatze zu dem Art. <hirendition="#b">Gas, phlogiſtiſirtes</hi> (oben S. 454,) angefuͤhrt habe. Da nach dieſen Verſuchen der Phosphor die Stickluft durch ſein Leuchten eben ſo zerſetzt, wie die dephlogiſtiſirte durch ſein Verbrennen, und da er durch dieſe Zerſetzung auch eben ſo geſaͤuert wird, ſo glaubt Herr <hirendition="#b">Goͤttling,</hi> daß beyde Luftarten den Sauerſtoff zur Baſis haben, und findet ſich dadurch bewogen, den von den Antiphlogiſtikern angenommenen Stickſtoff uͤberhaupt als ein Unding zu verwerfen. Dieſe Behauptung eines ſo ſcharfſinnigen Chemikers, der im Ganzen ſelbſt der antiphlogiſtiſchen Lehre beytritt, und zu ihrem Siege uͤber die Widerſpruͤche der deutſchen Gelehrten ſo viel beygetragen hat, kan zum Beweiſe dienen, daß es in dieſem Gebaͤude bey allem dem Glanze, wodurch einige ſeiner<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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Stickgas nichts anders, als luftfoͤrmiges Waſſer mit viel Lichtſtoff; mit weniger Lichtſtoff koͤnnte wohl atmoſphaͤriſche, und mit noch weniger davon dephlogiſtiſirte Luft gebildet werden. Verhielte ſich dieſes ſo, was wuͤrde dann aus dem angenommenen Azote der Antiphlogiſtiker, der Baſis der Salpeterſaͤure? Und woher ſoll das Azote kommen, bey Waſſerdaͤmpfen, die durch irdene Roͤhre gehen? Vielmehr ſcheint der angefuͤhrte Verſuch auf ein beſonderes Verhaͤltniß des Stickgas zum Lichtſtoff hinzuweiſen.
Ein ſolches Verhaͤltniß ſcheint ſich auch durch die Beobachtungen zu beſtaͤtigen, welche Herr Oberbergrath von Humboldt uͤber die gruͤne Farbe unterirdiſcher Vegetabilien (Grens Journ. der Phyſ. B. V. S. 202 u. f.) angeſtellt hat. Stickluft thut auf die Pflanzen gleiche Wirkung mit dem Lichte; ſie faͤrbt ſie in den Gruben gruͤn. Damit ſtimmen auch directe Verſuche des Herrn Senebier uͤberein. Er entzog junge Pflanzen dem Lichte, und verſchloß ſie in Stickluft; ſie trieben gruͤne Blaͤtter, und zeigten keine Spur von Bleichſucht. Selbſt ſolche Vegetabilien, die in gemeiner Luft zu welken anfiengen, lebten gleichſam auf, wenn man Stickluft zuließ.
Noch weit mehr wird dieſe Verbindung der Stickluft mit dem Lichtſtoffe durch die merkwuͤrdigen Verſuche des Herrn Goͤttling beſtaͤtiget, die ich in dem Zuſatze zu dem Art. Gas, phlogiſtiſirtes (oben S. 454,) angefuͤhrt habe. Da nach dieſen Verſuchen der Phosphor die Stickluft durch ſein Leuchten eben ſo zerſetzt, wie die dephlogiſtiſirte durch ſein Verbrennen, und da er durch dieſe Zerſetzung auch eben ſo geſaͤuert wird, ſo glaubt Herr Goͤttling, daß beyde Luftarten den Sauerſtoff zur Baſis haben, und findet ſich dadurch bewogen, den von den Antiphlogiſtikern angenommenen Stickſtoff uͤberhaupt als ein Unding zu verwerfen. Dieſe Behauptung eines ſo ſcharfſinnigen Chemikers, der im Ganzen ſelbſt der antiphlogiſtiſchen Lehre beytritt, und zu ihrem Siege uͤber die Widerſpruͤche der deutſchen Gelehrten ſo viel beygetragen hat, kan zum Beweiſe dienen, daß es in dieſem Gebaͤude bey allem dem Glanze, wodurch einige ſeiner
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 871. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/883>, abgerufen am 22.11.2024.
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