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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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und phlogistisirten Luft Salpetersäure gab, und daraus schloß, daß die letztere Luftart die säurefähige Basis der Salpetersäure enthalten müsse, so verließ man jene Hypothese wieder, Herr de Luc, der diese Anekdote von Lavoisier selbst hat, setzt hinzu, man hätte eben so viel Ursache gehabt, die Hypothese von einem säuernden Princip nach der Entdeckung der Wassererzeugung aus dephlogistisirter und brennbarer Luft aufzugeben, weil man dadurch an der brennbaren Luft eine Basis gefunden habe, die durch den Beytritt des Sauerstoffs nicht im mindesten sauer werde (Neunter Brief an de la Merherie über einige Gegenstände der allgemeinen Chemie, aus Rozier Journ. de phys. To. XXXVI. 1790. Oct. übers. in Grens Journ. d. Phys. B. V. S. 137.).

Ueberhaupt gehört die Lehre vom Stickstoff noch unter diejenigen, welche im antiphlogistischen System die meisten Schwierigkeiten haben. Man erhält das Stickgas durch so verschiedene, zum Theil sich sehr unähnliche, Mittel (s. Gas, phlogistisirtes, Th. II. S. 406. 407.), daß es schwer wird, zu sagen, welches unter allen das eigentliche Stickgas sey, und den Stickstoff in der größten Reinigkeit enthalte. Läßt sich wohl entscheidend darthun, daß in allen den Lustarten, die das alte System phlogistisirte nennt, der hier angenommene Stoff, die Basis der Salpetersäure und des Ammoniaks, wirklich vorhanden sey? Man erhält unter andern ein Stickgas, mit etwas wenigem respirabeln verbunden, wenn man die Dämpfe des kochenden Wassers durch ein glühendes irdenes Pfeifenrohr gehen läßt (Gren Grundriß der Naturl Halle, 1793. §. 761. 762.) Davon giebt Hr. Gren die schöne Erklärung, aus dem Glühen trete der Lichtstoff zugleich mit dem Wärmestoff an den Wasserdampf; der erstere gebe ein Bindungsmittel ab, das die beyden letztern in eine genauere chemische Vereinigung bringe, und dadurch dem Wasserdampfe die permanente Elasticität gebe. Daraus wird wenigstens begreiflich, warum das Glühen, oder die Entbindung des Lichtstoffs, nöthig ist, und warum ohne Berührung eines glühenden Körpers der Wasserdampf kein Stickgas giebt. Nach dieser Erklärung wäre denn


und phlogiſtiſirten Luft Salpeterſaͤure gab, und daraus ſchloß, daß die letztere Luftart die ſaͤurefaͤhige Baſis der Salpeterſaͤure enthalten muͤſſe, ſo verließ man jene Hypotheſe wieder, Herr de Luc, der dieſe Anekdote von Lavoiſier ſelbſt hat, ſetzt hinzu, man haͤtte eben ſo viel Urſache gehabt, die Hypotheſe von einem ſaͤuernden Princip nach der Entdeckung der Waſſererzeugung aus dephlogiſtiſirter und brennbarer Luft aufzugeben, weil man dadurch an der brennbaren Luft eine Baſis gefunden habe, die durch den Beytritt des Sauerſtoffs nicht im mindeſten ſauer werde (Neunter Brief an de la Merherie uͤber einige Gegenſtaͤnde der allgemeinen Chemie, aus Rozier Journ. de phyſ. To. XXXVI. 1790. Oct. uͤberſ. in Grens Journ. d. Phyſ. B. V. S. 137.).

Ueberhaupt gehoͤrt die Lehre vom Stickſtoff noch unter diejenigen, welche im antiphlogiſtiſchen Syſtem die meiſten Schwierigkeiten haben. Man erhaͤlt das Stickgas durch ſo verſchiedene, zum Theil ſich ſehr unaͤhnliche, Mittel (ſ. Gas, phlogiſtiſirtes, Th. II. S. 406. 407.), daß es ſchwer wird, zu ſagen, welches unter allen das eigentliche Stickgas ſey, und den Stickſtoff in der groͤßten Reinigkeit enthalte. Laͤßt ſich wohl entſcheidend darthun, daß in allen den Luſtarten, die das alte Syſtem phlogiſtiſirte nennt, der hier angenommene Stoff, die Baſis der Salpeterſaͤure und des Ammoniaks, wirklich vorhanden ſey? Man erhaͤlt unter andern ein Stickgas, mit etwas wenigem reſpirabeln verbunden, wenn man die Daͤmpfe des kochenden Waſſers durch ein gluͤhendes irdenes Pfeifenrohr gehen laͤßt (Gren Grundriß der Naturl Halle, 1793. §. 761. 762.) Davon giebt Hr. Gren die ſchoͤne Erklaͤrung, aus dem Gluͤhen trete der Lichtſtoff zugleich mit dem Waͤrmeſtoff an den Waſſerdampf; der erſtere gebe ein Bindungsmittel ab, das die beyden letztern in eine genauere chemiſche Vereinigung bringe, und dadurch dem Waſſerdampfe die permanente Elaſticitaͤt gebe. Daraus wird wenigſtens begreiflich, warum das Gluͤhen, oder die Entbindung des Lichtſtoffs, noͤthig iſt, und warum ohne Beruͤhrung eines gluͤhenden Koͤrpers der Waſſerdampf kein Stickgas giebt. Nach dieſer Erklaͤrung waͤre denn

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[870/0882] und phlogiſtiſirten Luft Salpeterſaͤure gab, und daraus ſchloß, daß die letztere Luftart die ſaͤurefaͤhige Baſis der Salpeterſaͤure enthalten muͤſſe, ſo verließ man jene Hypotheſe wieder, Herr de Luc, der dieſe Anekdote von Lavoiſier ſelbſt hat, ſetzt hinzu, man haͤtte eben ſo viel Urſache gehabt, die Hypotheſe von einem ſaͤuernden Princip nach der Entdeckung der Waſſererzeugung aus dephlogiſtiſirter und brennbarer Luft aufzugeben, weil man dadurch an der brennbaren Luft eine Baſis gefunden habe, die durch den Beytritt des Sauerſtoffs nicht im mindeſten ſauer werde (Neunter Brief an de la Merherie uͤber einige Gegenſtaͤnde der allgemeinen Chemie, aus Rozier Journ. de phyſ. To. XXXVI. 1790. Oct. uͤberſ. in Grens Journ. d. Phyſ. B. V. S. 137.). Ueberhaupt gehoͤrt die Lehre vom Stickſtoff noch unter diejenigen, welche im antiphlogiſtiſchen Syſtem die meiſten Schwierigkeiten haben. Man erhaͤlt das Stickgas durch ſo verſchiedene, zum Theil ſich ſehr unaͤhnliche, Mittel (ſ. Gas, phlogiſtiſirtes, Th. II. S. 406. 407.), daß es ſchwer wird, zu ſagen, welches unter allen das eigentliche Stickgas ſey, und den Stickſtoff in der groͤßten Reinigkeit enthalte. Laͤßt ſich wohl entſcheidend darthun, daß in allen den Luſtarten, die das alte Syſtem phlogiſtiſirte nennt, der hier angenommene Stoff, die Baſis der Salpeterſaͤure und des Ammoniaks, wirklich vorhanden ſey? Man erhaͤlt unter andern ein Stickgas, mit etwas wenigem reſpirabeln verbunden, wenn man die Daͤmpfe des kochenden Waſſers durch ein gluͤhendes irdenes Pfeifenrohr gehen laͤßt (Gren Grundriß der Naturl Halle, 1793. §. 761. 762.) Davon giebt Hr. Gren die ſchoͤne Erklaͤrung, aus dem Gluͤhen trete der Lichtſtoff zugleich mit dem Waͤrmeſtoff an den Waſſerdampf; der erſtere gebe ein Bindungsmittel ab, das die beyden letztern in eine genauere chemiſche Vereinigung bringe, und dadurch dem Waſſerdampfe die permanente Elaſticitaͤt gebe. Daraus wird wenigſtens begreiflich, warum das Gluͤhen, oder die Entbindung des Lichtſtoffs, noͤthig iſt, und warum ohne Beruͤhrung eines gluͤhenden Koͤrpers der Waſſerdampf kein Stickgas giebt. Nach dieſer Erklaͤrung waͤre denn

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 870. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/882>, abgerufen am 22.11.2024.