[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Leben der Schwedischen kleinen Sohn, bald die Lust zu einem stil-len Leben vor, warum sie mir nicht folgen könnte. Sie gieng mir indessen nicht von der Seite, und bezeigte so viel Ehrerbie- tung und Liebe gegen mich, daß ich sie hundertmal bat, mir zu sagen, womit ich ihr dienen könnte. Allein sie schlug alle Anerbietungen recht großmüthig aus, und verlangte nichts, als meine Gewogenheit. Der alte Graf wollte wieder fort, und indem mich die junge Witwe an den Wa- gen begleitete, so sah ich ein Kind in dem untersten Gebäude des Hofes am Fenster stehen. Jch fragte, wem dieses Kind wäre? Die gute Frau kam vor Schrecken gantz außer sich. Sie hatte mich beredt, daß ihr Sohn unlängst die Blattern gehabt hätte. Und damit ich mich nicht fürchten sollte; so hatte sie mir ihn bey meinem Daseyn, ungeach- tet meines Bittens, nicht wollen sehen lassen. Allein ich sahe, daß diesem Kna- ben nichts fehlete, und ich ließ nicht nach, bis
Leben der Schwediſchen kleinen Sohn, bald die Luſt zu einem ſtil-len Leben vor, warum ſie mir nicht folgen könnte. Sie gieng mir indeſſen nicht von der Seite, und bezeigte ſo viel Ehrerbie- tung und Liebe gegen mich, daß ich ſie hundertmal bat, mir zu ſagen, womit ich ihr dienen könnte. Allein ſie ſchlug alle Anerbietungen recht großmüthig aus, und verlangte nichts, als meine Gewogenheit. Der alte Graf wollte wieder fort, und indem mich die junge Witwe an den Wa- gen begleitete, ſo ſah ich ein Kind in dem unterſten Gebäude des Hofes am Fenſter ſtehen. Jch fragte, wem dieſes Kind wäre? Die gute Frau kam vor Schrecken gantz außer ſich. Sie hatte mich beredt, daß ihr Sohn unlängſt die Blattern gehabt hätte. Und damit ich mich nicht fürchten ſollte; ſo hatte ſie mir ihn bey meinem Daſeyn, ungeach- tet meines Bittens, nicht wollen ſehen laſſen. Allein ich ſahe, daß dieſem Kna- ben nichts fehlete, und ich ließ nicht nach, bis
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Leben der Schwediſchen
kleinen Sohn, bald die Luſt zu einem ſtil-
len Leben vor, warum ſie mir nicht folgen
könnte. Sie gieng mir indeſſen nicht von
der Seite, und bezeigte ſo viel Ehrerbie-
tung und Liebe gegen mich, daß ich ſie
hundertmal bat, mir zu ſagen, womit ich
ihr dienen könnte. Allein ſie ſchlug alle
Anerbietungen recht großmüthig aus, und
verlangte nichts, als meine Gewogenheit.
Der alte Graf wollte wieder fort, und
indem mich die junge Witwe an den Wa-
gen begleitete, ſo ſah ich ein Kind in
dem unterſten Gebäude des Hofes am
Fenſter ſtehen. Jch fragte, wem dieſes
Kind wäre? Die gute Frau kam vor
Schrecken gantz außer ſich. Sie hatte
mich beredt, daß ihr Sohn unlängſt
die Blattern gehabt hätte. Und damit
ich mich nicht fürchten ſollte; ſo hatte
ſie mir ihn bey meinem Daſeyn, ungeach-
tet meines Bittens, nicht wollen ſehen
laſſen. Allein ich ſahe, daß dieſem Kna-
ben nichts fehlete, und ich ließ nicht nach,
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