[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G** That verdiente sie dieses Glück so wohl alsich. Jch sah bey nahe keinen Vorzug, den ich vor ihr hatte, als daß ich adelich gebohren war. Und wie geringe ist die- ser Vorzug, wenn man ihn vernünftig betrachtet! Sie hatte sich gar nicht aus Leichtsinn ergeben. Die Ehe war der Preis gewesen, für den sie ihm ihr Herz und sich überlassen hatte. Der Vater des Grafen hatte die Liebe und die Wahl seines Soh- nes gebilliget. Sie kannte das edelmü- thige Herz ihres Geliebten. Sie war von der Aufrichtigkeit seiner Zärtlichkeit über- zeugt. Ein Frauenzimmer, das sich un- ter solchen Umständen in eine vertrauliche Liebe einläßt, verdienet eher Mitleiden, als Vorwürfe. Mein Gemahl erzählte mir einen Umstand, der Carolinens Werth, so will ich seine Geliebte künftig nennen, sehr verschönert. So bald sie gesehen, daß er die Einwilligung, sich mit ihr zu vermählen, nicht würde erhalten können, ohne dabey sein Glück in Gefahr zu
Gräfinn von G** That verdiente ſie dieſes Glück ſo wohl alsich. Jch ſah bey nahe keinen Vorzug, den ich vor ihr hatte, als daß ich adelich gebohren war. Und wie geringe iſt die- ſer Vorzug, wenn man ihn vernünftig betrachtet! Sie hatte ſich gar nicht aus Leichtſinn ergeben. Die Ehe war der Preis geweſen, für den ſie ihm ihr Herz und ſich überlaſſen hatte. Der Vater des Grafen hatte die Liebe und die Wahl ſeines Soh- nes gebilliget. Sie kannte das edelmü- thige Herz ihres Geliebten. Sie war von der Aufrichtigkeit ſeiner Zärtlichkeit über- zeugt. Ein Frauenzimmer, das ſich un- ter ſolchen Umſtänden in eine vertrauliche Liebe einläßt, verdienet eher Mitleiden, als Vorwürfe. Mein Gemahl erzählte mir einen Umſtand, der Carolinens Werth, ſo will ich ſeine Geliebte künftig nennen, ſehr verſchönert. So bald ſie geſehen, daß er die Einwilligung, ſich mit ihr zu vermählen, nicht würde erhalten können, ohne dabey ſein Glück in Gefahr zu
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Gräfinn von G**
That verdiente ſie dieſes Glück ſo wohl als
ich. Jch ſah bey nahe keinen Vorzug,
den ich vor ihr hatte, als daß ich adelich
gebohren war. Und wie geringe iſt die-
ſer Vorzug, wenn man ihn vernünftig
betrachtet! Sie hatte ſich gar nicht aus
Leichtſinn ergeben. Die Ehe war der Preis
geweſen, für den ſie ihm ihr Herz und ſich
überlaſſen hatte. Der Vater des Grafen
hatte die Liebe und die Wahl ſeines Soh-
nes gebilliget. Sie kannte das edelmü-
thige Herz ihres Geliebten. Sie war von
der Aufrichtigkeit ſeiner Zärtlichkeit über-
zeugt. Ein Frauenzimmer, das ſich un-
ter ſolchen Umſtänden in eine vertrauliche
Liebe einläßt, verdienet eher Mitleiden,
als Vorwürfe. Mein Gemahl erzählte
mir einen Umſtand, der Carolinens
Werth, ſo will ich ſeine Geliebte künftig
nennen, ſehr verſchönert. So bald ſie
geſehen, daß er die Einwilligung, ſich mit
ihr zu vermählen, nicht würde erhalten
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