[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Leben der Schwedischen vorgestrecket hatte, dem erließ ers. Undalle durften sich etwas von ihm ausbitten. Die Anzahl der Armen war sehr klein; denn er hatte seine Wohlthaten und seine Vorsorge gegen die Unterthanen nicht bis an sein Ende versparet. Man kann sich die Wehmuth dieser Leute leicht vorstellen. Ein ieder beweinte in ihm den Verlust ei- nes Vaters. Nach dieser Verrichtung fragte der sterbende Graf, ob noch iemand in seinem Hause wäre, der nicht Abschied von ihm genommen hätte. Jch sagte ihm, daß ich niemanden wüßte, außer die Soldaten, die mein Gemahl bey sich hät- te. Auch diese, sagte er, sind mir liebe Leute. Sie brauchen am meisten den Tod kennen zu lernen, weil sie ihn vor andern unvermuthet gewärtig seyn müssen. Laßt sie herein kommen. Hierauf traten vier Leute herein, denen die Wildheit und Unerschrockenheit aus den Augen sah. Der alte Graf redete sie liebreich an, und er hatte kaum angefangen; so weinten diese dem
Leben der Schwediſchen vorgeſtrecket hatte, dem erließ ers. Undalle durften ſich etwas von ihm ausbitten. Die Anzahl der Armen war ſehr klein; denn er hatte ſeine Wohlthaten und ſeine Vorſorge gegen die Unterthanen nicht bis an ſein Ende verſparet. Man kann ſich die Wehmuth dieſer Leute leicht vorſtellen. Ein ieder beweinte in ihm den Verluſt ei- nes Vaters. Nach dieſer Verrichtung fragte der ſterbende Graf, ob noch iemand in ſeinem Hauſe wäre, der nicht Abſchied von ihm genommen hätte. Jch ſagte ihm, daß ich niemanden wüßte, außer die Soldaten, die mein Gemahl bey ſich hät- te. Auch dieſe, ſagte er, ſind mir liebe Leute. Sie brauchen am meiſten den Tod kennen zu lernen, weil ſie ihn vor andern unvermuthet gewärtig ſeyn müſſen. Laßt ſie herein kommen. Hierauf traten vier Leute herein, denen die Wildheit und Unerſchrockenheit aus den Augen ſah. Der alte Graf redete ſie liebreich an, und er hatte kaum angefangen; ſo weinten dieſe dem
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Leben der Schwediſchen
vorgeſtrecket hatte, dem erließ ers. Und
alle durften ſich etwas von ihm ausbitten.
Die Anzahl der Armen war ſehr klein;
denn er hatte ſeine Wohlthaten und ſeine
Vorſorge gegen die Unterthanen nicht bis
an ſein Ende verſparet. Man kann ſich
die Wehmuth dieſer Leute leicht vorſtellen.
Ein ieder beweinte in ihm den Verluſt ei-
nes Vaters. Nach dieſer Verrichtung
fragte der ſterbende Graf, ob noch iemand
in ſeinem Hauſe wäre, der nicht Abſchied
von ihm genommen hätte. Jch ſagte
ihm, daß ich niemanden wüßte, außer die
Soldaten, die mein Gemahl bey ſich hät-
te. Auch dieſe, ſagte er, ſind mir liebe
Leute. Sie brauchen am meiſten den
Tod kennen zu lernen, weil ſie ihn vor
andern unvermuthet gewärtig ſeyn müſſen.
Laßt ſie herein kommen. Hierauf traten
vier Leute herein, denen die Wildheit
und Unerſchrockenheit aus den Augen ſah.
Der alte Graf redete ſie liebreich an, und er
hatte kaum angefangen; ſo weinten dieſe
dem
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