[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Leben der Schwedischen Jch entschloß mich also mit ihm nach Am-sterdam zu gehen, und ich wünschte, daß mich die ehemalige Geliebte meines Ge- mahls dahin begleiten möchte. Wir wa- ren etwan achtzehn Meilen von ihr ent- fernet, denn wir bildeten uns ein, daß sie noch auf meines Gemahls Gütern wäre, die er in Liefland hatte. Herr R-- reisete also dahin ab, um sich nach ihr zu erkundigen. Er war kaum weg, so brachte mir der Reitknecht die Nachricht, daß er Carolinen in der Kirche des Dor- fes, in welchem ich mich insgeheim auf- hielt, gesehen, aber nicht gesprochen hät- te. Jch schickte ihn fort, und binnen we- nig Stunden sah ich sie zu meinem größ- ten Vergnügen bey mir. Sie hatte bin- nen den acht Jahren, da ich sie nicht ge- sehen, etwas von ihren äußerlichen Rei- zungen, doch nichts von ihrer Annehm- lichkeit im Umgange verlohren. Jch er- zählte ihr mein Schicksal, und fragte sie, ob sie mit mir nach Amsterdam gehen wollte.
Leben der Schwediſchen Jch entſchloß mich alſo mit ihm nach Am-ſterdam zu gehen, und ich wünſchte, daß mich die ehemalige Geliebte meines Ge- mahls dahin begleiten möchte. Wir wa- ren etwan achtzehn Meilen von ihr ent- fernet, denn wir bildeten uns ein, daß ſie noch auf meines Gemahls Gütern wäre, die er in Liefland hatte. Herr R-- reiſete alſo dahin ab, um ſich nach ihr zu erkundigen. Er war kaum weg, ſo brachte mir der Reitknecht die Nachricht, daß er Carolinen in der Kirche des Dor- fes, in welchem ich mich insgeheim auf- hielt, geſehen, aber nicht geſprochen hät- te. Jch ſchickte ihn fort, und binnen we- nig Stunden ſah ich ſie zu meinem größ- ten Vergnügen bey mir. Sie hatte bin- nen den acht Jahren, da ich ſie nicht ge- ſehen, etwas von ihren äußerlichen Rei- zungen, doch nichts von ihrer Annehm- lichkeit im Umgange verlohren. Jch er- zählte ihr mein Schickſal, und fragte ſie, ob ſie mit mir nach Amſterdam gehen wollte.
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Leben der Schwediſchen
Jch entſchloß mich alſo mit ihm nach Am-
ſterdam zu gehen, und ich wünſchte, daß
mich die ehemalige Geliebte meines Ge-
mahls dahin begleiten möchte. Wir wa-
ren etwan achtzehn Meilen von ihr ent-
fernet, denn wir bildeten uns ein, daß
ſie noch auf meines Gemahls Gütern
wäre, die er in Liefland hatte. Herr
R-- reiſete alſo dahin ab, um ſich nach ihr
zu erkundigen. Er war kaum weg, ſo
brachte mir der Reitknecht die Nachricht,
daß er Carolinen in der Kirche des Dor-
fes, in welchem ich mich insgeheim auf-
hielt, geſehen, aber nicht geſprochen hät-
te. Jch ſchickte ihn fort, und binnen we-
nig Stunden ſah ich ſie zu meinem größ-
ten Vergnügen bey mir. Sie hatte bin-
nen den acht Jahren, da ich ſie nicht ge-
ſehen, etwas von ihren äußerlichen Rei-
zungen, doch nichts von ihrer Annehm-
lichkeit im Umgange verlohren. Jch er-
zählte ihr mein Schickſal, und fragte ſie,
ob ſie mit mir nach Amſterdam gehen
wollte.
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