[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** Männer beneiden, wenn sie die Beloh-nung kennten, welche solchen Leuten das Gedächtniß ihrer rühmlichen Absichten und guten Thaten zu schenken pflegt. Er unterrichtete den jungen Menschen in den Sprachen und Künsten, und brachte ihm die edelsten Meynungen von der Religion und der Tugend bey. Was sein Unter- richt nicht that, das richtete sein Exempel aus. Der Schüler ward seinem Lehrer ähnlich, und belohnte dessen Mühe durch einen fähigen Verstand und durch ein gu- tes Herz. Jch brachte meine Zeit mei- stens mit Studiren zu, wenn anders ein Frauenzimmer ohne Eitelkeit dieses von sich sagen kann. Jch redte des Tages ge- meiniglich eine Stunde mit unserm jungen Schüler, und suchte ihm das Wohlan- ständige beyzubringen, das junge Manns- personen oft am ersten von einem Frauen- zimmer lernen können. Jch suchte sein flüchtiges und feuriges Wesen der Jugend durch meine Ernsthaftigkeit zu mäßigen. Jch E
Gräfinn von G ** Männer beneiden, wenn ſie die Beloh-nung kennten, welche ſolchen Leuten das Gedächtniß ihrer rühmlichen Abſichten und guten Thaten zu ſchenken pflegt. Er unterrichtete den jungen Menſchen in den Sprachen und Künſten, und brachte ihm die edelſten Meynungen von der Religion und der Tugend bey. Was ſein Unter- richt nicht that, das richtete ſein Exempel aus. Der Schüler ward ſeinem Lehrer ähnlich, und belohnte deſſen Mühe durch einen fähigen Verſtand und durch ein gu- tes Herz. Jch brachte meine Zeit mei- ſtens mit Studiren zu, wenn anders ein Frauenzimmer ohne Eitelkeit dieſes von ſich ſagen kann. Jch redte des Tages ge- meiniglich eine Stunde mit unſerm jungen Schüler, und ſuchte ihm das Wohlan- ſtändige beyzubringen, das junge Manns- perſonen oft am erſten von einem Frauen- zimmer lernen können. Jch ſuchte ſein flüchtiges und feuriges Weſen der Jugend durch meine Ernſthaftigkeit zu mäßigen. Jch E
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/> Männer beneiden, wenn ſie die Beloh-<lb/> nung kennten, welche ſolchen Leuten das<lb/> Gedächtniß ihrer rühmlichen Abſichten<lb/> und guten Thaten zu ſchenken pflegt. Er<lb/> unterrichtete den jungen Menſchen in den<lb/> Sprachen und Künſten, und brachte ihm<lb/> die edelſten Meynungen von der Religion<lb/> und der Tugend bey. Was ſein Unter-<lb/> richt nicht that, das richtete ſein Exempel<lb/> aus. Der Schüler ward ſeinem Lehrer<lb/> ähnlich, und belohnte deſſen Mühe durch<lb/> einen fähigen Verſtand und durch ein gu-<lb/> tes Herz. Jch brachte meine Zeit mei-<lb/> ſtens mit Studiren zu, wenn anders ein<lb/> Frauenzimmer ohne Eitelkeit dieſes von<lb/> ſich ſagen kann. Jch redte des Tages ge-<lb/> meiniglich eine Stunde mit unſerm jungen<lb/> Schüler, und ſuchte ihm das Wohlan-<lb/> ſtändige beyzubringen, das junge Manns-<lb/> perſonen oft am erſten von einem Frauen-<lb/> zimmer lernen können. Jch ſuchte ſein<lb/> flüchtiges und feuriges Weſen der Jugend<lb/> durch meine Ernſthaftigkeit zu mäßigen.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E</fw><fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
Gräfinn von G **
Männer beneiden, wenn ſie die Beloh-
nung kennten, welche ſolchen Leuten das
Gedächtniß ihrer rühmlichen Abſichten
und guten Thaten zu ſchenken pflegt. Er
unterrichtete den jungen Menſchen in den
Sprachen und Künſten, und brachte ihm
die edelſten Meynungen von der Religion
und der Tugend bey. Was ſein Unter-
richt nicht that, das richtete ſein Exempel
aus. Der Schüler ward ſeinem Lehrer
ähnlich, und belohnte deſſen Mühe durch
einen fähigen Verſtand und durch ein gu-
tes Herz. Jch brachte meine Zeit mei-
ſtens mit Studiren zu, wenn anders ein
Frauenzimmer ohne Eitelkeit dieſes von
ſich ſagen kann. Jch redte des Tages ge-
meiniglich eine Stunde mit unſerm jungen
Schüler, und ſuchte ihm das Wohlan-
ſtändige beyzubringen, das junge Manns-
perſonen oft am erſten von einem Frauen-
zimmer lernen können. Jch ſuchte ſein
flüchtiges und feuriges Weſen der Jugend
durch meine Ernſthaftigkeit zu mäßigen.
Jch
E
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |