[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Leben der Schwedischen Jch that stets fremd gegen ihn, und stell-te verschiedene Personen vor, damit er meinen Umgang nicht zu gewohnt werden, und in meiner Gesellschaft immer etwas neues finden sollte. Mit der Tochter mei- ner Wirthinn, welche ein Mädchen von etwan acht Jahren war, vertrieb ich mir manche Stunde. Jch lehrte sie franzö- sisch, zeichnen, sticken, und auch singen. Kurz, ich führte eine sehr ruhige Lebens- art. Mein Wirth und seine Frau be- qvemten sich nach meinem Geschmacke, und lernten mir die Vergnügungen ab, mit welchen sie mich unterhalten wollten. Sie brachten mich niemals in große Gesell- schaften. Sie störten mich nicht in mei- ner Einsamkeit, als bis ich gestört seyn wollte. Jch durfte weder befehlen, noch bitten, wenn ich ein Vergnügen haben wollte. Jch durfte nur wählen. Man hielt mich in unserm Hause für eine An- verwandtinn der Wirthinn. Und wer sonst mit mir umgieng, wußte es auch nicht
Leben der Schwediſchen Jch that ſtets fremd gegen ihn, und ſtell-te verſchiedene Perſonen vor, damit er meinen Umgang nicht zu gewohnt werden, und in meiner Geſellſchaft immer etwas neues finden ſollte. Mit der Tochter mei- ner Wirthinn, welche ein Mädchen von etwan acht Jahren war, vertrieb ich mir manche Stunde. Jch lehrte ſie franzö- ſiſch, zeichnen, ſticken, und auch ſingen. Kurz, ich führte eine ſehr ruhige Lebens- art. Mein Wirth und ſeine Frau be- qvemten ſich nach meinem Geſchmacke, und lernten mir die Vergnügungen ab, mit welchen ſie mich unterhalten wollten. Sie brachten mich niemals in große Geſell- ſchaften. Sie ſtörten mich nicht in mei- ner Einſamkeit, als bis ich geſtört ſeyn wollte. Jch durfte weder befehlen, noch bitten, wenn ich ein Vergnügen haben wollte. Jch durfte nur wählen. Man hielt mich in unſerm Hauſe für eine An- verwandtinn der Wirthinn. Und wer ſonſt mit mir umgieng, wußte es auch nicht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwediſchen</hi></fw><lb/> Jch that ſtets fremd gegen ihn, und ſtell-<lb/> te verſchiedene Perſonen vor, damit er<lb/> meinen Umgang nicht zu gewohnt werden,<lb/> und in meiner Geſellſchaft immer etwas<lb/> neues finden ſollte. Mit der Tochter mei-<lb/> ner Wirthinn, welche ein Mädchen von<lb/> etwan acht Jahren war, vertrieb ich mir<lb/> manche Stunde. Jch lehrte ſie franzö-<lb/> ſiſch, zeichnen, ſticken, und auch ſingen.<lb/> Kurz, ich führte eine ſehr ruhige Lebens-<lb/> art. Mein Wirth und ſeine Frau be-<lb/> qvemten ſich nach meinem Geſchmacke, und<lb/> lernten mir die Vergnügungen ab, mit<lb/> welchen ſie mich unterhalten wollten. Sie<lb/> brachten mich niemals in große Geſell-<lb/> ſchaften. Sie ſtörten mich nicht in mei-<lb/> ner Einſamkeit, als bis ich geſtört ſeyn<lb/> wollte. Jch durfte weder befehlen, noch<lb/> bitten, wenn ich ein Vergnügen haben<lb/> wollte. Jch durfte nur wählen. Man<lb/> hielt mich in unſerm Hauſe für eine An-<lb/> verwandtinn der Wirthinn. Und wer<lb/> ſonſt mit mir umgieng, wußte es auch<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0066]
Leben der Schwediſchen
Jch that ſtets fremd gegen ihn, und ſtell-
te verſchiedene Perſonen vor, damit er
meinen Umgang nicht zu gewohnt werden,
und in meiner Geſellſchaft immer etwas
neues finden ſollte. Mit der Tochter mei-
ner Wirthinn, welche ein Mädchen von
etwan acht Jahren war, vertrieb ich mir
manche Stunde. Jch lehrte ſie franzö-
ſiſch, zeichnen, ſticken, und auch ſingen.
Kurz, ich führte eine ſehr ruhige Lebens-
art. Mein Wirth und ſeine Frau be-
qvemten ſich nach meinem Geſchmacke, und
lernten mir die Vergnügungen ab, mit
welchen ſie mich unterhalten wollten. Sie
brachten mich niemals in große Geſell-
ſchaften. Sie ſtörten mich nicht in mei-
ner Einſamkeit, als bis ich geſtört ſeyn
wollte. Jch durfte weder befehlen, noch
bitten, wenn ich ein Vergnügen haben
wollte. Jch durfte nur wählen. Man
hielt mich in unſerm Hauſe für eine An-
verwandtinn der Wirthinn. Und wer
ſonſt mit mir umgieng, wußte es auch
nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |