[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** lieben, und die Menschen nicht nach ihrenNeigungen und Eigenschaften, sondern stets nach der Geburt und nach dem Ran- ge unter einander vergleichen, schwerlich wird vergeben werden. Jch war noch in meinen besten Jahren, und die An- nehmlichkeiten in meiner Bildung waren noch nicht verlohren gegangen, oder höch- stens zum Theile nur so verloschen, wie die kleinen Züge in einem Gemälde die man nicht sehr vermißt. Es fanden sich verschiedene Holländer von Ansehen und grossem Vermögen, die mich zur Frau be- gehrten. Allein ihr Suchen war um- sonst. Wer einen so liebenswürdigen und vortrefflichen Gemahl, als ich, gehabt, konnte in der Liebe leicht etwas eigensin- nig seyn. Ob nun gleich keiner von mei- nen Freyern seine Absicht erreichte: so weckten sie doch die Erinnerung von der Süßigkeit der Liebe bey mir wieder auf. Du willst, dachte ich, um dieser Herren los zu werden, dich selbst zu einer Wahl ent- E 3
Gräfinn von G ** lieben, und die Menſchen nicht nach ihrenNeigungen und Eigenſchaften, ſondern ſtets nach der Geburt und nach dem Ran- ge unter einander vergleichen, ſchwerlich wird vergeben werden. Jch war noch in meinen beſten Jahren, und die An- nehmlichkeiten in meiner Bildung waren noch nicht verlohren gegangen, oder höch- ſtens zum Theile nur ſo verloſchen, wie die kleinen Züge in einem Gemälde die man nicht ſehr vermißt. Es fanden ſich verſchiedene Holländer von Anſehen und groſſem Vermögen, die mich zur Frau be- gehrten. Allein ihr Suchen war um- ſonſt. Wer einen ſo liebenswürdigen und vortrefflichen Gemahl, als ich, gehabt, konnte in der Liebe leicht etwas eigenſin- nig ſeyn. Ob nun gleich keiner von mei- nen Freyern ſeine Abſicht erreichte: ſo weckten ſie doch die Erinnerung von der Süßigkeit der Liebe bey mir wieder auf. Du willſt, dachte ich, um dieſer Herren los zu werden, dich ſelbſt zu einer Wahl ent- E 3
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Gräfinn von G **
lieben, und die Menſchen nicht nach ihren
Neigungen und Eigenſchaften, ſondern
ſtets nach der Geburt und nach dem Ran-
ge unter einander vergleichen, ſchwerlich
wird vergeben werden. Jch war noch
in meinen beſten Jahren, und die An-
nehmlichkeiten in meiner Bildung waren
noch nicht verlohren gegangen, oder höch-
ſtens zum Theile nur ſo verloſchen, wie
die kleinen Züge in einem Gemälde die
man nicht ſehr vermißt. Es fanden ſich
verſchiedene Holländer von Anſehen und
groſſem Vermögen, die mich zur Frau be-
gehrten. Allein ihr Suchen war um-
ſonſt. Wer einen ſo liebenswürdigen und
vortrefflichen Gemahl, als ich, gehabt,
konnte in der Liebe leicht etwas eigenſin-
nig ſeyn. Ob nun gleich keiner von mei-
nen Freyern ſeine Abſicht erreichte: ſo
weckten ſie doch die Erinnerung von der
Süßigkeit der Liebe bey mir wieder auf.
Du willſt, dachte ich, um dieſer Herren
los zu werden, dich ſelbſt zu einer Wahl
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