Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G **
ein liebenswürdiger Mann ist; allein die-
sem Urtheile dürfen sie darum nicht
trauen. Jch betrachte den Mann zwar
nach einerley Begriffen mit ihnen, al-
lein nicht nach einerley Empfindungen.
Jch liebe ihn als einen Freund, und als
ein Freund kann er ihnen angenehm
und liebenswerth vorkommen, aber dar-
um noch nicht als ein Ehemann. Un-
ser Herz ist oft so beschaffen, daß es die
Liebe gegen eine ihm angenehme Person
zurück hält, so bald es auf das genaue-
ste mit ihr verbunden werden soll. Viel-
leicht, fuhr er fort, gefällt ihnen einer
von den andern Herren besser zur Liebe,
ob ihnen dieser gleich zu einem guten
Freunde genug gefällt.

Jch versicherte ihn, daß ich mich sei-
nes Raths bedienen würde, so bald ich
meine eigene Neigung zu Rathe gezogen
hätte. Warum, fuhr ich fort, heirathen
sie denn nicht? O, sagte er, ich würde

es
E 4

Gräfinn von G **
ein liebenswürdiger Mann iſt; allein die-
ſem Urtheile dürfen ſie darum nicht
trauen. Jch betrachte den Mann zwar
nach einerley Begriffen mit ihnen, al-
lein nicht nach einerley Empfindungen.
Jch liebe ihn als einen Freund, und als
ein Freund kann er ihnen angenehm
und liebenswerth vorkommen, aber dar-
um noch nicht als ein Ehemann. Un-
ſer Herz iſt oft ſo beſchaffen, daß es die
Liebe gegen eine ihm angenehme Perſon
zurück hält, ſo bald es auf das genaue-
ſte mit ihr verbunden werden ſoll. Viel-
leicht, fuhr er fort, gefällt ihnen einer
von den andern Herren beſſer zur Liebe,
ob ihnen dieſer gleich zu einem guten
Freunde genug gefällt.

Jch verſicherte ihn, daß ich mich ſei-
nes Raths bedienen würde, ſo bald ich
meine eigene Neigung zu Rathe gezogen
hätte. Warum, fuhr ich fort, heirathen
ſie denn nicht? O, ſagte er, ich würde

es
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0071" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/>
ein liebenswürdiger Mann i&#x017F;t; allein die-<lb/>
&#x017F;em Urtheile dürfen &#x017F;ie darum nicht<lb/>
trauen. Jch betrachte den Mann zwar<lb/>
nach einerley Begriffen mit ihnen, al-<lb/>
lein nicht nach einerley Empfindungen.<lb/>
Jch liebe ihn als einen Freund, und als<lb/>
ein Freund kann er ihnen angenehm<lb/>
und liebenswerth vorkommen, aber dar-<lb/>
um noch nicht als ein Ehemann. Un-<lb/>
&#x017F;er Herz i&#x017F;t oft &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß es die<lb/>
Liebe gegen eine ihm angenehme Per&#x017F;on<lb/>
zurück hält, &#x017F;o bald es auf das genaue-<lb/>
&#x017F;te mit ihr verbunden werden &#x017F;oll. Viel-<lb/>
leicht, fuhr er fort, gefällt ihnen einer<lb/>
von den andern Herren be&#x017F;&#x017F;er zur Liebe,<lb/>
ob ihnen die&#x017F;er gleich zu einem guten<lb/>
Freunde genug gefällt.</p><lb/>
        <p>Jch ver&#x017F;icherte ihn, daß ich mich &#x017F;ei-<lb/>
nes Raths bedienen würde, &#x017F;o bald ich<lb/>
meine eigene Neigung zu Rathe gezogen<lb/>
hätte. Warum, fuhr ich fort, heirathen<lb/>
&#x017F;ie denn nicht? O, &#x017F;agte er, ich würde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0071] Gräfinn von G ** ein liebenswürdiger Mann iſt; allein die- ſem Urtheile dürfen ſie darum nicht trauen. Jch betrachte den Mann zwar nach einerley Begriffen mit ihnen, al- lein nicht nach einerley Empfindungen. Jch liebe ihn als einen Freund, und als ein Freund kann er ihnen angenehm und liebenswerth vorkommen, aber dar- um noch nicht als ein Ehemann. Un- ſer Herz iſt oft ſo beſchaffen, daß es die Liebe gegen eine ihm angenehme Perſon zurück hält, ſo bald es auf das genaue- ſte mit ihr verbunden werden ſoll. Viel- leicht, fuhr er fort, gefällt ihnen einer von den andern Herren beſſer zur Liebe, ob ihnen dieſer gleich zu einem guten Freunde genug gefällt. Jch verſicherte ihn, daß ich mich ſei- nes Raths bedienen würde, ſo bald ich meine eigene Neigung zu Rathe gezogen hätte. Warum, fuhr ich fort, heirathen ſie denn nicht? O, ſagte er, ich würde es E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/71
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/71>, abgerufen am 21.11.2024.