[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** reden? Jch bitte, sprach er, vermengensie die Bescheidenheit nicht mit der Gleichgültigkeit. Jch weis, daß man dem andern mit seiner Liebe oft so be- schwerlich fallen kann, als mit seinem Hasse. Und aus diesem Grunde bin ich stets behutsam, aber darum nicht gleichgültig gegen das Frauenzimmer. Jch weis eine Person, hub ich an, die sie liebt, und ich glaube nicht, daß sie ihnen misfallen wird. Allein deswegen weis ich auch noch nicht, ob es eben diejenige ist, mit der sie das genaueste Band der Liebe schliessen wollen. Er ward bestürzt, und fragte mich wohl zehnmal, wer sie wäre. Jch hielt ihn lange auf, und endlich versprach ich ihm, daß er sie Nachmittage zu sehen bekom- men sollte. Nachmittage schickte ich ihm mein Portrait, und schrieb ein Billet ungefehr dieses Jnnhalts an ihn: So hat die Person in ihrer Jugend Freund- E 5
Gräfinn von G ** reden? Jch bitte, ſprach er, vermengenſie die Beſcheidenheit nicht mit der Gleichgültigkeit. Jch weis, daß man dem andern mit ſeiner Liebe oft ſo be- ſchwerlich fallen kann, als mit ſeinem Haſſe. Und aus dieſem Grunde bin ich ſtets behutſam, aber darum nicht gleichgültig gegen das Frauenzimmer. Jch weis eine Perſon, hub ich an, die ſie liebt, und ich glaube nicht, daß ſie ihnen misfallen wird. Allein deswegen weis ich auch noch nicht, ob es eben diejenige iſt, mit der ſie das genaueſte Band der Liebe ſchlieſſen wollen. Er ward beſtürzt, und fragte mich wohl zehnmal, wer ſie wäre. Jch hielt ihn lange auf, und endlich verſprach ich ihm, daß er ſie Nachmittage zu ſehen bekom- men ſollte. Nachmittage ſchickte ich ihm mein Portrait, und ſchrieb ein Billet ungefehr dieſes Jnnhalts an ihn: So hat die Perſon in ihrer Jugend Freund- E 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/> reden? Jch bitte, ſprach er, vermengen<lb/> ſie die Beſcheidenheit nicht mit der<lb/> Gleichgültigkeit. Jch weis, daß man<lb/> dem andern mit ſeiner Liebe oft ſo be-<lb/> ſchwerlich fallen kann, als mit ſeinem<lb/> Haſſe. Und aus dieſem Grunde bin<lb/> ich ſtets behutſam, aber darum nicht<lb/> gleichgültig gegen das Frauenzimmer.<lb/> Jch weis eine Perſon, hub ich an, die<lb/> ſie liebt, und ich glaube nicht, daß ſie<lb/> ihnen misfallen wird. Allein deswegen<lb/> weis ich auch noch nicht, ob es eben<lb/> diejenige iſt, mit der ſie das genaueſte<lb/> Band der Liebe ſchlieſſen wollen. Er<lb/> ward beſtürzt, und fragte mich wohl<lb/> zehnmal, wer ſie wäre. Jch hielt ihn<lb/> lange auf, und endlich verſprach ich ihm,<lb/> daß er ſie Nachmittage zu ſehen bekom-<lb/> men ſollte. Nachmittage ſchickte ich ihm<lb/> mein Portrait, und ſchrieb ein Billet<lb/> ungefehr dieſes Jnnhalts an ihn:</p><lb/> <p>So hat die Perſon in ihrer Jugend<lb/> ausgeſehn, die ſie liebt. Erſt hat ſie nur<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Freund-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [73/0073]
Gräfinn von G **
reden? Jch bitte, ſprach er, vermengen
ſie die Beſcheidenheit nicht mit der
Gleichgültigkeit. Jch weis, daß man
dem andern mit ſeiner Liebe oft ſo be-
ſchwerlich fallen kann, als mit ſeinem
Haſſe. Und aus dieſem Grunde bin
ich ſtets behutſam, aber darum nicht
gleichgültig gegen das Frauenzimmer.
Jch weis eine Perſon, hub ich an, die
ſie liebt, und ich glaube nicht, daß ſie
ihnen misfallen wird. Allein deswegen
weis ich auch noch nicht, ob es eben
diejenige iſt, mit der ſie das genaueſte
Band der Liebe ſchlieſſen wollen. Er
ward beſtürzt, und fragte mich wohl
zehnmal, wer ſie wäre. Jch hielt ihn
lange auf, und endlich verſprach ich ihm,
daß er ſie Nachmittage zu ſehen bekom-
men ſollte. Nachmittage ſchickte ich ihm
mein Portrait, und ſchrieb ein Billet
ungefehr dieſes Jnnhalts an ihn:
So hat die Perſon in ihrer Jugend
ausgeſehn, die ſie liebt. Erſt hat ſie nur
Freund-
E 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |