Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
für ein unaussprechliches Vergnügen! Wie viel
tausendmal sagte er mir, daß er mich liebte, und
wie vielmal sagte ichs, und durch wie viele Küsse,
durch wie viele Seufzer wiederholten wir unser
Bekenntniß! Nun redte unser Herz allein. Er
fragte mich, ob ich seine Liebe nicht gemerkt hätte,
und ich fragte ihn eben das. Wir erzählten ein-
ander die Geschichte unsrer Empfindungen, und
unser Umgang war von dieser Stunde an Liebe
und Freude. Die Lieferung gieng fort, und
mein Liebhaber blieb mit tausend Freuden zurück.
Jch schickte noch ein Memorial an den Hof mit
ab, um die Erlaubniß zu meiner Abreise zu be-
schleunigen.

Waren wir vorher nur halbe Tage beysam-
men gewesen: so wurden uns nunmehr ganze noch
zu unserer Liebe zu kurz. Er suchte meine Liebe,
die er schon gewiß besaß, durch die bescheidene
Art, mit der er sie genoß, erst zu verdienen, und
ich, die ich acht Jahre vermählt gewesen, ohne
die Liebe zu kennen, lernte ihren Werth unter den
unschuldigsten Liebkosungen erst schätzen. Jch
versprach ihm, wenn er mir nicht nach Curland
folgen wollte, mit ihm in sein Vaterland zu ge-
hen, und wenn ich in Moskau die Erlaubniß, da-
hin zurück zu kehren, nicht erhalten könnte, mich
mit ihm insgeheim wegzubegeben. Bis auf die-
se Zeit, sprach ich, bin ich ihre Braut, und sobald
wir uns an einem Orte niederlassen, ihre Ge-
mahlinn.

Wir nnterhielten uns mit den Vorstellungen
von unserm künftigen Glücke noch vierzehn Ta-

ge

Leben der Schwediſchen
fuͤr ein unausſprechliches Vergnuͤgen! Wie viel
tauſendmal ſagte er mir, daß er mich liebte, und
wie vielmal ſagte ichs, und durch wie viele Kuͤſſe,
durch wie viele Seufzer wiederholten wir unſer
Bekenntniß! Nun redte unſer Herz allein. Er
fragte mich, ob ich ſeine Liebe nicht gemerkt haͤtte,
und ich fragte ihn eben das. Wir erzaͤhlten ein-
ander die Geſchichte unſrer Empfindungen, und
unſer Umgang war von dieſer Stunde an Liebe
und Freude. Die Lieferung gieng fort, und
mein Liebhaber blieb mit tauſend Freuden zuruͤck.
Jch ſchickte noch ein Memorial an den Hof mit
ab, um die Erlaubniß zu meiner Abreiſe zu be-
ſchleunigen.

Waren wir vorher nur halbe Tage beyſam-
men geweſen: ſo wurden uns nunmehr ganze noch
zu unſerer Liebe zu kurz. Er ſuchte meine Liebe,
die er ſchon gewiß beſaß, durch die beſcheidene
Art, mit der er ſie genoß, erſt zu verdienen, und
ich, die ich acht Jahre vermaͤhlt geweſen, ohne
die Liebe zu kennen, lernte ihren Werth unter den
unſchuldigſten Liebkoſungen erſt ſchaͤtzen. Jch
verſprach ihm, wenn er mir nicht nach Curland
folgen wollte, mit ihm in ſein Vaterland zu ge-
hen, und wenn ich in Moskau die Erlaubniß, da-
hin zuruͤck zu kehren, nicht erhalten koͤnnte, mich
mit ihm insgeheim wegzubegeben. Bis auf die-
ſe Zeit, ſprach ich, bin ich ihre Braut, und ſobald
wir uns an einem Orte niederlaſſen, ihre Ge-
mahlinn.

Wir nnterhielten uns mit den Vorſtellungen
von unſerm kuͤnftigen Gluͤcke noch vierzehn Ta-

ge
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0110" n="110"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
fu&#x0364;r ein unaus&#x017F;prechliches Vergnu&#x0364;gen! Wie viel<lb/>
tau&#x017F;endmal &#x017F;agte er mir, daß er mich liebte, und<lb/>
wie vielmal &#x017F;agte ichs, und durch wie viele Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
durch wie viele Seufzer wiederholten wir un&#x017F;er<lb/>
Bekenntniß! Nun redte un&#x017F;er Herz allein. Er<lb/>
fragte mich, ob ich &#x017F;eine Liebe nicht gemerkt ha&#x0364;tte,<lb/>
und ich fragte ihn eben das. Wir erza&#x0364;hlten ein-<lb/>
ander die Ge&#x017F;chichte un&#x017F;rer Empfindungen, und<lb/>
un&#x017F;er Umgang war von die&#x017F;er Stunde an Liebe<lb/>
und Freude. Die Lieferung gieng fort, und<lb/>
mein Liebhaber blieb mit tau&#x017F;end Freuden zuru&#x0364;ck.<lb/>
Jch &#x017F;chickte noch ein Memorial an den Hof mit<lb/>
ab, um die Erlaubniß zu meiner Abrei&#x017F;e zu be-<lb/>
&#x017F;chleunigen.</p><lb/>
      <p>Waren wir vorher nur halbe Tage bey&#x017F;am-<lb/>
men gewe&#x017F;en: &#x017F;o wurden uns nunmehr ganze noch<lb/>
zu un&#x017F;erer Liebe zu kurz. Er &#x017F;uchte meine Liebe,<lb/>
die er &#x017F;chon gewiß be&#x017F;aß, durch die be&#x017F;cheidene<lb/>
Art, mit der er &#x017F;ie genoß, er&#x017F;t zu verdienen, und<lb/>
ich, die ich acht Jahre verma&#x0364;hlt gewe&#x017F;en, ohne<lb/>
die Liebe zu kennen, lernte ihren Werth unter den<lb/>
un&#x017F;chuldig&#x017F;ten Liebko&#x017F;ungen er&#x017F;t &#x017F;cha&#x0364;tzen. Jch<lb/>
ver&#x017F;prach ihm, wenn er mir nicht nach Curland<lb/>
folgen wollte, mit ihm in &#x017F;ein Vaterland zu ge-<lb/>
hen, und wenn ich in Moskau die Erlaubniß, da-<lb/>
hin zuru&#x0364;ck zu kehren, nicht erhalten ko&#x0364;nnte, mich<lb/>
mit ihm insgeheim wegzubegeben. Bis auf die-<lb/>
&#x017F;e Zeit, &#x017F;prach ich, bin ich ihre Braut, und &#x017F;obald<lb/>
wir uns an einem Orte niederla&#x017F;&#x017F;en, ihre Ge-<lb/>
mahlinn.</p><lb/>
      <p>Wir nnterhielten uns mit den Vor&#x017F;tellungen<lb/>
von un&#x017F;erm ku&#x0364;nftigen Glu&#x0364;cke noch vierzehn Ta-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0110] Leben der Schwediſchen fuͤr ein unausſprechliches Vergnuͤgen! Wie viel tauſendmal ſagte er mir, daß er mich liebte, und wie vielmal ſagte ichs, und durch wie viele Kuͤſſe, durch wie viele Seufzer wiederholten wir unſer Bekenntniß! Nun redte unſer Herz allein. Er fragte mich, ob ich ſeine Liebe nicht gemerkt haͤtte, und ich fragte ihn eben das. Wir erzaͤhlten ein- ander die Geſchichte unſrer Empfindungen, und unſer Umgang war von dieſer Stunde an Liebe und Freude. Die Lieferung gieng fort, und mein Liebhaber blieb mit tauſend Freuden zuruͤck. Jch ſchickte noch ein Memorial an den Hof mit ab, um die Erlaubniß zu meiner Abreiſe zu be- ſchleunigen. Waren wir vorher nur halbe Tage beyſam- men geweſen: ſo wurden uns nunmehr ganze noch zu unſerer Liebe zu kurz. Er ſuchte meine Liebe, die er ſchon gewiß beſaß, durch die beſcheidene Art, mit der er ſie genoß, erſt zu verdienen, und ich, die ich acht Jahre vermaͤhlt geweſen, ohne die Liebe zu kennen, lernte ihren Werth unter den unſchuldigſten Liebkoſungen erſt ſchaͤtzen. Jch verſprach ihm, wenn er mir nicht nach Curland folgen wollte, mit ihm in ſein Vaterland zu ge- hen, und wenn ich in Moskau die Erlaubniß, da- hin zuruͤck zu kehren, nicht erhalten koͤnnte, mich mit ihm insgeheim wegzubegeben. Bis auf die- ſe Zeit, ſprach ich, bin ich ihre Braut, und ſobald wir uns an einem Orte niederlaſſen, ihre Ge- mahlinn. Wir nnterhielten uns mit den Vorſtellungen von unſerm kuͤnftigen Gluͤcke noch vierzehn Ta- ge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/110
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/110>, abgerufen am 21.11.2024.