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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Leben der Schwedischen
von fünf Wochen, die wir Tag und Nacht fort-
setzten (weil die Nacht in den warmen Monaten
fast so hell, wie der Tag, bleibt) glücklich in
Moskau an. Jch wollte nicht öffentlich bey
Hofe erscheinen, und ich suchte nichts, als der
Geliebten des Zaars, deren Fräulein ich gewesen
war, insgeheim aufzuwarten. Die großmüthi-
ge Catharina empfieng mich auf dem Lustschlosse
Taninska sehr liebreich. Jch mußte acht Tage
bey ihr bleiben; allein alle die Gnade, die sie
mir unter dieser Zeit erwies, war mir ohne mei-
nen Geliebten eine unerträgliche Last. Sie hör-
te, daß ich nichts wünschte, als das Glück, nach
Curland zurück zu kehren, und sie verschaffte mirs,
weil sie nur befehlen durfte. Jch eilte nach der
Stadt zurück und ließ meinen lieben Reisegefähr-
ten, der bey dem englischen Kaufmanne abgetreten
war, aufsuchen. Mein Christian brachte mir die
betrübte Nachricht, daß er krank und nicht im
Stande wäre, zu mir zu kommen. Jch ließ
mich den Augenblick zu ihm fahren. Seine
Krankheit war nichts, als der Kummer um mich.
Ach, rief er mir entgegen, habe ich sie nicht ver-
lohren? Sind sie noch meine beständige Freun-
dinn? Jch bewies es ihm und blieb den ganzen
Tag bey ihm. Er zeigte mir Briefe aus Lon-
don, und insonderheit die, welche der Herr Graf
an ihn zurückgelassen hatte. Es war wirklich
mein Vorsatz nach Curland zu gehn, und nichts,
als die Schwachheit meines Geliebten, hinderte
die Abreise. Endlich erhielt er Briefe von
dem Herrn Grafen. Ach, sprach er zu mir, er

hat

Leben der Schwediſchen
von fuͤnf Wochen, die wir Tag und Nacht fort-
ſetzten (weil die Nacht in den warmen Monaten
faſt ſo hell, wie der Tag, bleibt) gluͤcklich in
Moskau an. Jch wollte nicht oͤffentlich bey
Hofe erſcheinen, und ich ſuchte nichts, als der
Geliebten des Zaars, deren Fraͤulein ich geweſen
war, insgeheim aufzuwarten. Die großmuͤthi-
ge Catharina empfieng mich auf dem Luſtſchloſſe
Taninska ſehr liebreich. Jch mußte acht Tage
bey ihr bleiben; allein alle die Gnade, die ſie
mir unter dieſer Zeit erwies, war mir ohne mei-
nen Geliebten eine unertraͤgliche Laſt. Sie hoͤr-
te, daß ich nichts wuͤnſchte, als das Gluͤck, nach
Curland zuruͤck zu kehren, und ſie verſchaffte mirs,
weil ſie nur befehlen durfte. Jch eilte nach der
Stadt zuruͤck und ließ meinen lieben Reiſegefaͤhr-
ten, der bey dem engliſchen Kaufmanne abgetreten
war, aufſuchen. Mein Chriſtian brachte mir die
betruͤbte Nachricht, daß er krank und nicht im
Stande waͤre, zu mir zu kommen. Jch ließ
mich den Augenblick zu ihm fahren. Seine
Krankheit war nichts, als der Kummer um mich.
Ach, rief er mir entgegen, habe ich ſie nicht ver-
lohren? Sind ſie noch meine beſtaͤndige Freun-
dinn? Jch bewies es ihm und blieb den ganzen
Tag bey ihm. Er zeigte mir Briefe aus Lon-
don, und inſonderheit die, welche der Herr Graf
an ihn zuruͤckgelaſſen hatte. Es war wirklich
mein Vorſatz nach Curland zu gehn, und nichts,
als die Schwachheit meines Geliebten, hinderte
die Abreiſe. Endlich erhielt er Briefe von
dem Herrn Grafen. Ach, ſprach er zu mir, er

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[112/0112] Leben der Schwediſchen von fuͤnf Wochen, die wir Tag und Nacht fort- ſetzten (weil die Nacht in den warmen Monaten faſt ſo hell, wie der Tag, bleibt) gluͤcklich in Moskau an. Jch wollte nicht oͤffentlich bey Hofe erſcheinen, und ich ſuchte nichts, als der Geliebten des Zaars, deren Fraͤulein ich geweſen war, insgeheim aufzuwarten. Die großmuͤthi- ge Catharina empfieng mich auf dem Luſtſchloſſe Taninska ſehr liebreich. Jch mußte acht Tage bey ihr bleiben; allein alle die Gnade, die ſie mir unter dieſer Zeit erwies, war mir ohne mei- nen Geliebten eine unertraͤgliche Laſt. Sie hoͤr- te, daß ich nichts wuͤnſchte, als das Gluͤck, nach Curland zuruͤck zu kehren, und ſie verſchaffte mirs, weil ſie nur befehlen durfte. Jch eilte nach der Stadt zuruͤck und ließ meinen lieben Reiſegefaͤhr- ten, der bey dem engliſchen Kaufmanne abgetreten war, aufſuchen. Mein Chriſtian brachte mir die betruͤbte Nachricht, daß er krank und nicht im Stande waͤre, zu mir zu kommen. Jch ließ mich den Augenblick zu ihm fahren. Seine Krankheit war nichts, als der Kummer um mich. Ach, rief er mir entgegen, habe ich ſie nicht ver- lohren? Sind ſie noch meine beſtaͤndige Freun- dinn? Jch bewies es ihm und blieb den ganzen Tag bey ihm. Er zeigte mir Briefe aus Lon- don, und inſonderheit die, welche der Herr Graf an ihn zuruͤckgelaſſen hatte. Es war wirklich mein Vorſatz nach Curland zu gehn, und nichts, als die Schwachheit meines Geliebten, hinderte die Abreiſe. Endlich erhielt er Briefe von dem Herrn Grafen. Ach, ſprach er zu mir, er hat

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/112>, abgerufen am 21.11.2024.