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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
bey dieser Gelegenheit, wie er sich denn bis in sein
hohes Alter so munter erhalten, und wodurch er
die Furcht vor dem Tode besiegt hätte, da er
ihm nach seinen Jahren so nah wäre. Daß
ich noch so munter bin, sprach er, das ist eine
Gabe von Gott und eine Wirkung eines ordent-
lichen Lebens, zu dem ich von den ersten Jahren
an gewöhnet worden bin. Und warum sollte ich
mich vor dem Tode fürchten? Jch bin ein Kauf-
mann: ich habe meine Pflicht in Acht genom-
men, und Gott weis, daß ich Niemanden mit
Willen um einen Pfennig betrogen habe. Jch
bin gegen die Nothleidenden gütig gewesen, und
Gott wird es auch gegen mich seyn. Die Welt
hier ist schön; aber jene wird noch besser seyn - -
Mußte man einen solchen Mann nicht lieben,
der von Jugend auf mit dem Gewinn umgegan-
gen war und doch ein so edelmüthiges Herz hat-
te? Er bezeigte über das grosse Vermögen, das
Amalie besaß, keine besondere Freude. Mein
Sohn, sprach er, du hast ein Glück mehr, als
andre Leute; aber du hast auch eine Last mehr,
wenn du dein Glück recht gebrauchen willst.

Nachdem er das Vergnügen eingesammlet
hatte, das sich ein Vater in seinen Umständen
wünschen konnte: so waren alle unsre Bitten
nicht vermögend, ihn von der Rückkehr in sein
Vaterland abzuhalten. Jch will in Londen ster-
ben, sprach er, und bey meiner Frau begraben
werden; lassen sie mich reisen, ehe die See stür-
misch wird. Jch will ihnen meinen Sohn zurück
lassen und zufrieden seyn, wenn er künftiges Jahr

zu

Graͤfinn von G**
bey dieſer Gelegenheit, wie er ſich denn bis in ſein
hohes Alter ſo munter erhalten, und wodurch er
die Furcht vor dem Tode beſiegt haͤtte, da er
ihm nach ſeinen Jahren ſo nah waͤre. Daß
ich noch ſo munter bin, ſprach er, das iſt eine
Gabe von Gott und eine Wirkung eines ordent-
lichen Lebens, zu dem ich von den erſten Jahren
an gewoͤhnet worden bin. Und warum ſollte ich
mich vor dem Tode fuͤrchten? Jch bin ein Kauf-
mann: ich habe meine Pflicht in Acht genom-
men, und Gott weis, daß ich Niemanden mit
Willen um einen Pfennig betrogen habe. Jch
bin gegen die Nothleidenden guͤtig geweſen, und
Gott wird es auch gegen mich ſeyn. Die Welt
hier iſt ſchoͤn; aber jene wird noch beſſer ſeyn ‒ ‒
Mußte man einen ſolchen Mann nicht lieben,
der von Jugend auf mit dem Gewinn umgegan-
gen war und doch ein ſo edelmuͤthiges Herz hat-
te? Er bezeigte uͤber das groſſe Vermoͤgen, das
Amalie beſaß, keine beſondere Freude. Mein
Sohn, ſprach er, du haſt ein Gluͤck mehr, als
andre Leute; aber du haſt auch eine Laſt mehr,
wenn du dein Gluͤck recht gebrauchen willſt.

Nachdem er das Vergnuͤgen eingeſammlet
hatte, das ſich ein Vater in ſeinen Umſtaͤnden
wuͤnſchen konnte: ſo waren alle unſre Bitten
nicht vermoͤgend, ihn von der Ruͤckkehr in ſein
Vaterland abzuhalten. Jch will in Londen ſter-
ben, ſprach er, und bey meiner Frau begraben
werden; laſſen ſie mich reiſen, ehe die See ſtuͤr-
miſch wird. Jch will ihnen meinen Sohn zuruͤck
laſſen und zufrieden ſeyn, wenn er kuͤnftiges Jahr

zu
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[123/0123] Graͤfinn von G** bey dieſer Gelegenheit, wie er ſich denn bis in ſein hohes Alter ſo munter erhalten, und wodurch er die Furcht vor dem Tode beſiegt haͤtte, da er ihm nach ſeinen Jahren ſo nah waͤre. Daß ich noch ſo munter bin, ſprach er, das iſt eine Gabe von Gott und eine Wirkung eines ordent- lichen Lebens, zu dem ich von den erſten Jahren an gewoͤhnet worden bin. Und warum ſollte ich mich vor dem Tode fuͤrchten? Jch bin ein Kauf- mann: ich habe meine Pflicht in Acht genom- men, und Gott weis, daß ich Niemanden mit Willen um einen Pfennig betrogen habe. Jch bin gegen die Nothleidenden guͤtig geweſen, und Gott wird es auch gegen mich ſeyn. Die Welt hier iſt ſchoͤn; aber jene wird noch beſſer ſeyn ‒ ‒ Mußte man einen ſolchen Mann nicht lieben, der von Jugend auf mit dem Gewinn umgegan- gen war und doch ein ſo edelmuͤthiges Herz hat- te? Er bezeigte uͤber das groſſe Vermoͤgen, das Amalie beſaß, keine beſondere Freude. Mein Sohn, ſprach er, du haſt ein Gluͤck mehr, als andre Leute; aber du haſt auch eine Laſt mehr, wenn du dein Gluͤck recht gebrauchen willſt. Nachdem er das Vergnuͤgen eingeſammlet hatte, das ſich ein Vater in ſeinen Umſtaͤnden wuͤnſchen konnte: ſo waren alle unſre Bitten nicht vermoͤgend, ihn von der Ruͤckkehr in ſein Vaterland abzuhalten. Jch will in Londen ſter- ben, ſprach er, und bey meiner Frau begraben werden; laſſen ſie mich reiſen, ehe die See ſtuͤr- miſch wird. Jch will ihnen meinen Sohn zuruͤck laſſen und zufrieden ſeyn, wenn er kuͤnftiges Jahr zu

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/123>, abgerufen am 21.11.2024.