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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
Aufsicht, und giengen zwölf Tage nach des alten
Steeley Ankunft zur See. Der Wind war
uns so günstig, daß wir in wenig Tagen nur
noch etliche Meilen von Londen waren. Wir
trafen ein Paquetboot an, und um eher am Lan-
de zu seyn, setzten wir uns in dieses; allein zu
unserm Unglücke. Wir waren alle in
dem Boote, bis auf den alten Christian der
Amalie. Dieser wollte seinem Herrn die Cha-
toulle, in welcher der größte Theil von Amaliens
Vermögen an Kleinodien und Golde war, von
dem Schiffe zulangen. Steeley und ein Be-
dienter des Grafen griffen auch wirklich darnach;
allein vergebens. Christian, es mag nun seine
Unvorsichtigkeit oder das Schwanken des Schif-
fes schuld gewesen seyn, ließ vor unsern Augen
die Chatoulle in die See fallen und schoß in dem
Augenblicke, entweder aus Schrecken, oder weil
er sich zu sehr über Bord gebogen hatte, selbst nach.
Wir hatten alle Mühe, ihm das Leben zu retten,
und ein Schatz von mehr als funfzig tausend
Thalern war in einem Augenblicke verlohren.
Bin ich ihnen, fieng endlich Amalie zu ihrem
Manne an, als Christian in dem Boote war,
bin ich ihnen noch so lieb, als zuvor? Steeley
betheuerte es ihr mit einem heiligen Schwure,
und nun war sie zufrieden. Der alte Steeley,
so wenig er das Geld liebte, konnte doch den Zu-
fall nicht vergessen. Er hielt dem alten Christian
eine lange Strafpredigt. Endlich nahm er
Amalien bey der Hand. Seyn sie getrost,
sprach er, ich habe Gottlob! so viel, daß sie beide

nach

Graͤfinn von G**
Aufſicht, und giengen zwoͤlf Tage nach des alten
Steeley Ankunft zur See. Der Wind war
uns ſo guͤnſtig, daß wir in wenig Tagen nur
noch etliche Meilen von Londen waren. Wir
trafen ein Paquetboot an, und um eher am Lan-
de zu ſeyn, ſetzten wir uns in dieſes; allein zu
unſerm Ungluͤcke. Wir waren alle in
dem Boote, bis auf den alten Chriſtian der
Amalie. Dieſer wollte ſeinem Herrn die Cha-
toulle, in welcher der groͤßte Theil von Amaliens
Vermoͤgen an Kleinodien und Golde war, von
dem Schiffe zulangen. Steeley und ein Be-
dienter des Grafen griffen auch wirklich darnach;
allein vergebens. Chriſtian, es mag nun ſeine
Unvorſichtigkeit oder das Schwanken des Schif-
fes ſchuld geweſen ſeyn, ließ vor unſern Augen
die Chatoulle in die See fallen und ſchoß in dem
Augenblicke, entweder aus Schrecken, oder weil
er ſich zu ſehr uͤber Bord gebogen hatte, ſelbſt nach.
Wir hatten alle Muͤhe, ihm das Leben zu retten,
und ein Schatz von mehr als funfzig tauſend
Thalern war in einem Augenblicke verlohren.
Bin ich ihnen, fieng endlich Amalie zu ihrem
Manne an, als Chriſtian in dem Boote war,
bin ich ihnen noch ſo lieb, als zuvor? Steeley
betheuerte es ihr mit einem heiligen Schwure,
und nun war ſie zufrieden. Der alte Steeley,
ſo wenig er das Geld liebte, konnte doch den Zu-
fall nicht vergeſſen. Er hielt dem alten Chriſtian
eine lange Strafpredigt. Endlich nahm er
Amalien bey der Hand. Seyn ſie getroſt,
ſprach er, ich habe Gottlob! ſo viel, daß ſie beide

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[125/0125] Graͤfinn von G** Aufſicht, und giengen zwoͤlf Tage nach des alten Steeley Ankunft zur See. Der Wind war uns ſo guͤnſtig, daß wir in wenig Tagen nur noch etliche Meilen von Londen waren. Wir trafen ein Paquetboot an, und um eher am Lan- de zu ſeyn, ſetzten wir uns in dieſes; allein zu unſerm Ungluͤcke. Wir waren alle in dem Boote, bis auf den alten Chriſtian der Amalie. Dieſer wollte ſeinem Herrn die Cha- toulle, in welcher der groͤßte Theil von Amaliens Vermoͤgen an Kleinodien und Golde war, von dem Schiffe zulangen. Steeley und ein Be- dienter des Grafen griffen auch wirklich darnach; allein vergebens. Chriſtian, es mag nun ſeine Unvorſichtigkeit oder das Schwanken des Schif- fes ſchuld geweſen ſeyn, ließ vor unſern Augen die Chatoulle in die See fallen und ſchoß in dem Augenblicke, entweder aus Schrecken, oder weil er ſich zu ſehr uͤber Bord gebogen hatte, ſelbſt nach. Wir hatten alle Muͤhe, ihm das Leben zu retten, und ein Schatz von mehr als funfzig tauſend Thalern war in einem Augenblicke verlohren. Bin ich ihnen, fieng endlich Amalie zu ihrem Manne an, als Chriſtian in dem Boote war, bin ich ihnen noch ſo lieb, als zuvor? Steeley betheuerte es ihr mit einem heiligen Schwure, und nun war ſie zufrieden. Der alte Steeley, ſo wenig er das Geld liebte, konnte doch den Zu- fall nicht vergeſſen. Er hielt dem alten Chriſtian eine lange Strafpredigt. Endlich nahm er Amalien bey der Hand. Seyn ſie getroſt, ſprach er, ich habe Gottlob! ſo viel, daß ſie beide nach

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/125>, abgerufen am 24.11.2024.