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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Leben der Schwedischen
- - Es wird mir ganz dunkel vor den Augen:
aber sonst ist mir recht wohl, recht - - Bey
diesen Worten überfiel ihn eine Ohnmacht und
bald darauf starb er.

Der Anfang unsers Aufenthalts in London
war also traurig und das Geräusche der Stadt
und der Besuch ward uns so beschwerlich, daß
wir uns gleich nach der Beerdigung entschlossen,
den Rest des Herbsts und den Winter selbst
auf Steeleyns Landgute, das etliche Meilen von
Londen war, zuzubringen.

Wir lebten daselbst sechs Monate recht zufrie-
den und meistens einsam, ausser, daß wir zuwei-
len die Schwester von der ehmaligen Braut unsers
Steeley besuchten, und wieder von ihr besucht
wurden. Sie war von ihrer ganzen Familie
noch allein am Leben, und entschlossen, niemals
zu heyrathen. Niemand, als sie, wußte, wer
mein Gemahl war, denn die andern Nachbarn
kannten ihn nicht anders, als unter dem Namen
des Herrn von Loewenhoeck. Dieses Frauen-
zimmer, die nichts weniger, als schön war, besaß
doch die liebenswürdigsten Eigenschaften. Amalie,
sie und ich, brachten manche Stunde bey der Gruft
ihrer Schwester zu, und ehrten ihr Andenken mit
unsern Thränen.

Es war Frühling und viele Familien aus Lon-
don besuchten nunmehr das Land. Das näch-
ste Gut an dem unsrigen gehörte dem Staatssecre-
tair Robert. Dieser hatte mit Steeleyn ehemals
in Oxford studirt, und Steeley war sehr begierig,
ihn nach so vielen Jahren einmal wieder zu sehn.

Er

Leben der Schwediſchen
‒ ‒ Es wird mir ganz dunkel vor den Augen:
aber ſonſt iſt mir recht wohl, recht ‒ ‒ Bey
dieſen Worten uͤberfiel ihn eine Ohnmacht und
bald darauf ſtarb er.

Der Anfang unſers Aufenthalts in London
war alſo traurig und das Geraͤuſche der Stadt
und der Beſuch ward uns ſo beſchwerlich, daß
wir uns gleich nach der Beerdigung entſchloſſen,
den Reſt des Herbſts und den Winter ſelbſt
auf Steeleyns Landgute, das etliche Meilen von
Londen war, zuzubringen.

Wir lebten daſelbſt ſechs Monate recht zufrie-
den und meiſtens einſam, auſſer, daß wir zuwei-
len die Schweſter von der ehmaligen Braut unſers
Steeley beſuchten, und wieder von ihr beſucht
wurden. Sie war von ihrer ganzen Familie
noch allein am Leben, und entſchloſſen, niemals
zu heyrathen. Niemand, als ſie, wußte, wer
mein Gemahl war, denn die andern Nachbarn
kannten ihn nicht anders, als unter dem Namen
des Herrn von Loewenhoeck. Dieſes Frauen-
zimmer, die nichts weniger, als ſchoͤn war, beſaß
doch die liebenswuͤrdigſten Eigenſchaften. Amalie,
ſie und ich, brachten manche Stunde bey der Gruft
ihrer Schweſter zu, und ehrten ihr Andenken mit
unſern Thraͤnen.

Es war Fruͤhling und viele Familien aus Lon-
don beſuchten nunmehr das Land. Das naͤch-
ſte Gut an dem unſrigen gehoͤrte dem Staatsſecre-
tair Robert. Dieſer hatte mit Steeleyn ehemals
in Oxford ſtudirt, und Steeley war ſehr begierig,
ihn nach ſo vielen Jahren einmal wieder zu ſehn.

Er
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[128/0128] Leben der Schwediſchen ‒ ‒ Es wird mir ganz dunkel vor den Augen: aber ſonſt iſt mir recht wohl, recht ‒ ‒ Bey dieſen Worten uͤberfiel ihn eine Ohnmacht und bald darauf ſtarb er. Der Anfang unſers Aufenthalts in London war alſo traurig und das Geraͤuſche der Stadt und der Beſuch ward uns ſo beſchwerlich, daß wir uns gleich nach der Beerdigung entſchloſſen, den Reſt des Herbſts und den Winter ſelbſt auf Steeleyns Landgute, das etliche Meilen von Londen war, zuzubringen. Wir lebten daſelbſt ſechs Monate recht zufrie- den und meiſtens einſam, auſſer, daß wir zuwei- len die Schweſter von der ehmaligen Braut unſers Steeley beſuchten, und wieder von ihr beſucht wurden. Sie war von ihrer ganzen Familie noch allein am Leben, und entſchloſſen, niemals zu heyrathen. Niemand, als ſie, wußte, wer mein Gemahl war, denn die andern Nachbarn kannten ihn nicht anders, als unter dem Namen des Herrn von Loewenhoeck. Dieſes Frauen- zimmer, die nichts weniger, als ſchoͤn war, beſaß doch die liebenswuͤrdigſten Eigenſchaften. Amalie, ſie und ich, brachten manche Stunde bey der Gruft ihrer Schweſter zu, und ehrten ihr Andenken mit unſern Thraͤnen. Es war Fruͤhling und viele Familien aus Lon- don beſuchten nunmehr das Land. Das naͤch- ſte Gut an dem unſrigen gehoͤrte dem Staatsſecre- tair Robert. Dieſer hatte mit Steeleyn ehemals in Oxford ſtudirt, und Steeley war ſehr begierig, ihn nach ſo vielen Jahren einmal wieder zu ſehn. Er

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/128>, abgerufen am 24.11.2024.