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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
Er schrieb an ihn, so bald er hörte, daß er auf
dem Landgute angekommen war, und bat um die
Erlaubniß, daß er ihn nebst seiner Frau und noch
ein Paar guten Freunden besuchen dürfte. Robert,
der noch gar nicht gewußt hatte, daß Steeley wie-
der aus Moskau zurück gekommen war, schickte
ihm den andern Tag eine Antwort voll Sehn-
sucht und Freundschaft, und zugleich seinen eignen
Wagen. R. war unpaß, und wir fuhren also
ohne ihn zu Roberten, und kamen kurz vor der
Mittagsmahlzeit an. Er empfieng uns mit vieler
Höflichkeit, und Steeley präsentirte ihm meinen
Gemahl unter seinem angenommenen Namen,
als einen Freund, den er mit aus Siberien ge-
bracht. Unser Wirth, der ganz allein war, nö-
thigte uns ohne Verzug zur Tafel, damit er un-
gestört mit uns reden könnte. Wir hatten uns
kaum niedergesetzt und ausser den Complimenten
noch nichts gesprochen, als der Bediente des
Staatssecretairs hereintrat, und iemanden an-
meldete, aber so sachte, daß wir nichts, als das
Wort Abgesandter verstehen konnten. Müssen
wir denn gestört werden? fieng Robert ganz zor-
nig an, und eilte den Augenblick nebst dem Be-
dienten aus dem Zimmer. Wir bleiben sitzen und
erwarteten mit größtem Verdruß den neuen Gast;
aber o Himmel, was für ein Anblick war das
für mich und den Grafen, als Robert den Prinzen
von S - - herein geführet brachte! Wir spran-
gen beide von der Tafel auf, und wußten nicht,
ob wir in dem Zimmer bleiben sollten. Der Prinz
trat auf mich zu, als ob er seinen Augen nicht trauen

wollte,
II. Theil. J

Graͤfinn von G**
Er ſchrieb an ihn, ſo bald er hoͤrte, daß er auf
dem Landgute angekommen war, und bat um die
Erlaubniß, daß er ihn nebſt ſeiner Frau und noch
ein Paar guten Freunden beſuchen duͤrfte. Robert,
der noch gar nicht gewußt hatte, daß Steeley wie-
der aus Moskau zuruͤck gekommen war, ſchickte
ihm den andern Tag eine Antwort voll Sehn-
ſucht und Freundſchaft, und zugleich ſeinen eignen
Wagen. R. war unpaß, und wir fuhren alſo
ohne ihn zu Roberten, und kamen kurz vor der
Mittagsmahlzeit an. Er empfieng uns mit vieler
Hoͤflichkeit, und Steeley praͤſentirte ihm meinen
Gemahl unter ſeinem angenommenen Namen,
als einen Freund, den er mit aus Siberien ge-
bracht. Unſer Wirth, der ganz allein war, noͤ-
thigte uns ohne Verzug zur Tafel, damit er un-
geſtoͤrt mit uns reden koͤnnte. Wir hatten uns
kaum niedergeſetzt und auſſer den Complimenten
noch nichts geſprochen, als der Bediente des
Staatsſecretairs hereintrat, und iemanden an-
meldete, aber ſo ſachte, daß wir nichts, als das
Wort Abgeſandter verſtehen konnten. Muͤſſen
wir denn geſtoͤrt werden? fieng Robert ganz zor-
nig an, und eilte den Augenblick nebſt dem Be-
dienten aus dem Zimmer. Wir bleiben ſitzen und
erwarteten mit groͤßtem Verdruß den neuen Gaſt;
aber o Himmel, was fuͤr ein Anblick war das
fuͤr mich und den Grafen, als Robert den Prinzen
von S ‒ ‒ herein gefuͤhret brachte! Wir ſpran-
gen beide von der Tafel auf, und wußten nicht,
ob wir in dem Zimmer bleiben ſollten. Der Prinz
trat auf mich zu, als ob er ſeinen Augen nicht trauen

wollte,
II. Theil. J
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[129/0129] Graͤfinn von G** Er ſchrieb an ihn, ſo bald er hoͤrte, daß er auf dem Landgute angekommen war, und bat um die Erlaubniß, daß er ihn nebſt ſeiner Frau und noch ein Paar guten Freunden beſuchen duͤrfte. Robert, der noch gar nicht gewußt hatte, daß Steeley wie- der aus Moskau zuruͤck gekommen war, ſchickte ihm den andern Tag eine Antwort voll Sehn- ſucht und Freundſchaft, und zugleich ſeinen eignen Wagen. R. war unpaß, und wir fuhren alſo ohne ihn zu Roberten, und kamen kurz vor der Mittagsmahlzeit an. Er empfieng uns mit vieler Hoͤflichkeit, und Steeley praͤſentirte ihm meinen Gemahl unter ſeinem angenommenen Namen, als einen Freund, den er mit aus Siberien ge- bracht. Unſer Wirth, der ganz allein war, noͤ- thigte uns ohne Verzug zur Tafel, damit er un- geſtoͤrt mit uns reden koͤnnte. Wir hatten uns kaum niedergeſetzt und auſſer den Complimenten noch nichts geſprochen, als der Bediente des Staatsſecretairs hereintrat, und iemanden an- meldete, aber ſo ſachte, daß wir nichts, als das Wort Abgeſandter verſtehen konnten. Muͤſſen wir denn geſtoͤrt werden? fieng Robert ganz zor- nig an, und eilte den Augenblick nebſt dem Be- dienten aus dem Zimmer. Wir bleiben ſitzen und erwarteten mit groͤßtem Verdruß den neuen Gaſt; aber o Himmel, was fuͤr ein Anblick war das fuͤr mich und den Grafen, als Robert den Prinzen von S ‒ ‒ herein gefuͤhret brachte! Wir ſpran- gen beide von der Tafel auf, und wußten nicht, ob wir in dem Zimmer bleiben ſollten. Der Prinz trat auf mich zu, als ob er ſeinen Augen nicht trauen wollte, II. Theil. J

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/129>, abgerufen am 24.11.2024.