[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Gräfinn von G** seiner eignen Wünsche abgehn. Man will ihngewiß, man will ihn bald ausgeführt wissen, und man sieht doch, daß die Umstände dazu nicht in unserer Gewalt stehn. Für diese trau- rige Entdeckung will sich unser Herz gleichsam durch die Unzufriedenheit rächen, und es um- nebelt den Verstand, damit es von seinem Lich- te nicht noch mehr zu befürchten habe. Zur Arbeit hat man uns, wie die gemei- grüßt
Graͤfinn von G** ſeiner eignen Wuͤnſche abgehn. Man will ihngewiß, man will ihn bald ausgefuͤhrt wiſſen, und man ſieht doch, daß die Umſtaͤnde dazu nicht in unſerer Gewalt ſtehn. Fuͤr dieſe trau- rige Entdeckung will ſich unſer Herz gleichſam durch die Unzufriedenheit raͤchen, und es um- nebelt den Verſtand, damit es von ſeinem Lich- te nicht noch mehr zu befuͤrchten habe. Zur Arbeit hat man uns, wie die gemei- gruͤßt
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0015" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Graͤfinn von G**</hi></fw><lb/> ſeiner eignen Wuͤnſche abgehn. Man will ihn<lb/> gewiß, man will ihn bald ausgefuͤhrt wiſſen,<lb/> und man ſieht doch, daß die Umſtaͤnde dazu<lb/> nicht in unſerer Gewalt ſtehn. Fuͤr dieſe trau-<lb/> rige Entdeckung will ſich unſer Herz gleichſam<lb/> durch die Unzufriedenheit raͤchen, und es um-<lb/> nebelt den Verſtand, damit es von ſeinem Lich-<lb/> te nicht noch mehr zu befuͤrchten habe.</p><lb/> <p>Zur Arbeit hat man uns, wie die gemei-<lb/> nen Gefangnen, noch nicht gezwungen, und<lb/> gleichwohl verſtattet man uns nicht die ge-<lb/> ringſte Freyheit auszugehen. Mein erſtes<lb/> Geſchaͤfte in meinem itzigen Gefaͤngniſſe iſt die-<lb/> ſer Brief, und daß wir keine Geſchaͤfte haben,<lb/> uͤber denen wir uns zuweilen vergeſſen koͤnn-<lb/> ten, dieſes macht unſer Elend vollkommen.<lb/> Wenn auch die Erlaubniß, die ſich Steeley er-<lb/> kauft hatte, ſeine Landsleute einige Stunden<lb/> zu ſehn, uns nichts zu Wege gebracht haͤtte,<lb/> als etliche Bogen Papier, und Dinte und Fe-<lb/> der: ſo wuͤrde ſie uns doch ſchon koſtbar ge-<lb/> nug ſeyn; denn dieſes haben wir fuͤr alles<lb/> Geld nicht erhalten koͤnnen. Sidne, Stee-<lb/> leys Landsmann und Vetter, iſt zu unſerm<lb/> Ungluͤcke in ein ander Theil der Stadt gelegt<lb/> worden; und ſo elend wir beide dran ſind: ſo<lb/> muß es ihm doch noch weit kuͤmmerlicher gehn,<lb/> da er von allem Gelde entbloͤßt iſt. Steeley<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gruͤßt</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [15/0015]
Graͤfinn von G**
ſeiner eignen Wuͤnſche abgehn. Man will ihn
gewiß, man will ihn bald ausgefuͤhrt wiſſen,
und man ſieht doch, daß die Umſtaͤnde dazu
nicht in unſerer Gewalt ſtehn. Fuͤr dieſe trau-
rige Entdeckung will ſich unſer Herz gleichſam
durch die Unzufriedenheit raͤchen, und es um-
nebelt den Verſtand, damit es von ſeinem Lich-
te nicht noch mehr zu befuͤrchten habe.
Zur Arbeit hat man uns, wie die gemei-
nen Gefangnen, noch nicht gezwungen, und
gleichwohl verſtattet man uns nicht die ge-
ringſte Freyheit auszugehen. Mein erſtes
Geſchaͤfte in meinem itzigen Gefaͤngniſſe iſt die-
ſer Brief, und daß wir keine Geſchaͤfte haben,
uͤber denen wir uns zuweilen vergeſſen koͤnn-
ten, dieſes macht unſer Elend vollkommen.
Wenn auch die Erlaubniß, die ſich Steeley er-
kauft hatte, ſeine Landsleute einige Stunden
zu ſehn, uns nichts zu Wege gebracht haͤtte,
als etliche Bogen Papier, und Dinte und Fe-
der: ſo wuͤrde ſie uns doch ſchon koſtbar ge-
nug ſeyn; denn dieſes haben wir fuͤr alles
Geld nicht erhalten koͤnnen. Sidne, Stee-
leys Landsmann und Vetter, iſt zu unſerm
Ungluͤcke in ein ander Theil der Stadt gelegt
worden; und ſo elend wir beide dran ſind: ſo
muß es ihm doch noch weit kuͤmmerlicher gehn,
da er von allem Gelde entbloͤßt iſt. Steeley
gruͤßt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |