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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Leben der Schwedischen
grüßt euch tausendmal und ist so sehr euer
Freund, als der meinige. Wenn ich ihn
nicht hätte: so würde mir die Gefangenschaft
eine Hölle seyn. Er hat bey einem redlichen
und zärtlichen Herzen gewisse Fehler, für die
ich ihm recht verbunden bin, weil sie oft unse-
re traurige Stille unterbrechen und uns etwas
zu thun geben. Er liebt die Verdienste seiner
Nation auf Unkosten der übrigen Völker.
Diese Parteylichkeit, ein natürlicher Unge-
stüm, und der Fehler des Widersprechens ma-
chen mir ihn nothwendig und zugleich schätzba-
rer. Seine Widersprüche kommen aus einer
Fülle des Geistes und der Lebhaftigkeit,
aus einer Liebe zur Freyheit im Denken, aus
einem Hasse gegen alles niederträchtige Nach-
geben, und aus einem Ueberfluße der Aufrich-
tigkeit und leicht aufwallender Empfindungen
her. Jn seinem Charakter und in seinem
Munde verliert also das Widersprechen das
meiste von seiner beleidigenden Natur und
wird eine Quelle zu vertrauten Gesprächen
und kleinen Zänkereyen, deren Mangel uns
die lange Zeit und die Gefangenschaft noch
weit verdrießlicher machen würde. Kurz, wir
sind für einander gemacht. Seine Fehler sind
von den meinigen das Gegengewicht, und ma-

chen

Leben der Schwediſchen
gruͤßt euch tauſendmal und iſt ſo ſehr euer
Freund, als der meinige. Wenn ich ihn
nicht haͤtte: ſo wuͤrde mir die Gefangenſchaft
eine Hoͤlle ſeyn. Er hat bey einem redlichen
und zaͤrtlichen Herzen gewiſſe Fehler, fuͤr die
ich ihm recht verbunden bin, weil ſie oft unſe-
re traurige Stille unterbrechen und uns etwas
zu thun geben. Er liebt die Verdienſte ſeiner
Nation auf Unkoſten der uͤbrigen Voͤlker.
Dieſe Parteylichkeit, ein natuͤrlicher Unge-
ſtuͤm, und der Fehler des Widerſprechens ma-
chen mir ihn nothwendig und zugleich ſchaͤtzba-
rer. Seine Widerſpruͤche kommen aus einer
Fuͤlle des Geiſtes und der Lebhaftigkeit,
aus einer Liebe zur Freyheit im Denken, aus
einem Haſſe gegen alles niedertraͤchtige Nach-
geben, und aus einem Ueberfluße der Aufrich-
tigkeit und leicht aufwallender Empfindungen
her. Jn ſeinem Charakter und in ſeinem
Munde verliert alſo das Widerſprechen das
meiſte von ſeiner beleidigenden Natur und
wird eine Quelle zu vertrauten Geſpraͤchen
und kleinen Zaͤnkereyen, deren Mangel uns
die lange Zeit und die Gefangenſchaft noch
weit verdrießlicher machen wuͤrde. Kurz, wir
ſind fuͤr einander gemacht. Seine Fehler ſind
von den meinigen das Gegengewicht, und ma-

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[16/0016] Leben der Schwediſchen gruͤßt euch tauſendmal und iſt ſo ſehr euer Freund, als der meinige. Wenn ich ihn nicht haͤtte: ſo wuͤrde mir die Gefangenſchaft eine Hoͤlle ſeyn. Er hat bey einem redlichen und zaͤrtlichen Herzen gewiſſe Fehler, fuͤr die ich ihm recht verbunden bin, weil ſie oft unſe- re traurige Stille unterbrechen und uns etwas zu thun geben. Er liebt die Verdienſte ſeiner Nation auf Unkoſten der uͤbrigen Voͤlker. Dieſe Parteylichkeit, ein natuͤrlicher Unge- ſtuͤm, und der Fehler des Widerſprechens ma- chen mir ihn nothwendig und zugleich ſchaͤtzba- rer. Seine Widerſpruͤche kommen aus einer Fuͤlle des Geiſtes und der Lebhaftigkeit, aus einer Liebe zur Freyheit im Denken, aus einem Haſſe gegen alles niedertraͤchtige Nach- geben, und aus einem Ueberfluße der Aufrich- tigkeit und leicht aufwallender Empfindungen her. Jn ſeinem Charakter und in ſeinem Munde verliert alſo das Widerſprechen das meiſte von ſeiner beleidigenden Natur und wird eine Quelle zu vertrauten Geſpraͤchen und kleinen Zaͤnkereyen, deren Mangel uns die lange Zeit und die Gefangenſchaft noch weit verdrießlicher machen wuͤrde. Kurz, wir ſind fuͤr einander gemacht. Seine Fehler ſind von den meinigen das Gegengewicht, und ma- chen

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/16>, abgerufen am 21.11.2024.