[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen Wie groß ist sie nicht gewesen! Und eben zuder Zeit, da er mich so brünstig geliebt und al- les für mich gefühlt hat, was nur sein Elend hat vergrössern können, habe ich in den Ar- men eines andern Gemahls der Freuden der Liebe und des Lebens genossen. Wie viel tau- send Thränen hat mich dieser Gedanke schon gekostet, und wie oft bin ich vor meiner un- schuldigen Liebe zu dem Herrn R** als vor einem Verbrechen erröthet! Der erste Brief ist aus der Stadt Mos- Euer unglücklicher Gemahl lebt noch. sen
Leben der Schwediſchen Wie groß iſt ſie nicht geweſen! Und eben zuder Zeit, da er mich ſo bruͤnſtig geliebt und al- les fuͤr mich gefuͤhlt hat, was nur ſein Elend hat vergroͤſſern koͤnnen, habe ich in den Ar- men eines andern Gemahls der Freuden der Liebe und des Lebens genoſſen. Wie viel tau- ſend Thraͤnen hat mich dieſer Gedanke ſchon gekoſtet, und wie oft bin ich vor meiner un- ſchuldigen Liebe zu dem Herrn R** als vor einem Verbrechen erroͤthet! Der erſte Brief iſt aus der Stadt Mos- Euer ungluͤcklicher Gemahl lebt noch. ſen
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Leben der Schwediſchen
Wie groß iſt ſie nicht geweſen! Und eben zu
der Zeit, da er mich ſo bruͤnſtig geliebt und al-
les fuͤr mich gefuͤhlt hat, was nur ſein Elend
hat vergroͤſſern koͤnnen, habe ich in den Ar-
men eines andern Gemahls der Freuden der
Liebe und des Lebens genoſſen. Wie viel tau-
ſend Thraͤnen hat mich dieſer Gedanke ſchon
gekoſtet, und wie oft bin ich vor meiner un-
ſchuldigen Liebe zu dem Herrn R** als vor
einem Verbrechen erroͤthet!
Der erſte Brief iſt aus der Stadt Mos-
kau geſchrieben.
Euer ungluͤcklicher Gemahl lebt noch.
Wollte doch Gott, daß ihr dieſe Nachricht
ſchon wuͤßtet, oder ſie wenigſtens durch die-
ſen Brief erfuͤhret! Ein ploͤtzlicher Ueberfall,
den die Ruſſen drey Tage vor meiner angeſetzten
Hinrichtung auf das Dorf thaten, in welchem
ich gefangen und krank lag, hat mir das
Leben errettet. Ja, liebſte Gemahlinn,
dieſe Vorſehung iſt eine Frucht eurer
Thraͤnen und meiner Unſchuld. Jch habe et-
liche Tage nach dem geſchehenen Ueberfall
kaum mehr gewußt, daß ich lebte. Nach-
dem ich von meiner Krankheit wieder zu mir
ſelber kam und mich in den Haͤnden der Ruſ-
ſen
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