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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 30. Der Monarch.
gestützt wird, bestehen aber weiter folgende allgemeine
Voraussetzungen. 1. Das Descendenzverhältniss muss
ein eheliches sein, d. h. jedes Mitglied der Ahnenlinie
bis auf den Prätendenten herab muss in einer bürgerlich
gültigen Ehe erzeugt sein;1 daher Uneheliche, Legiti-
mirte,2 sowie auch Adoptirte weder die Anwartschaft
fortleiten, noch auch selbst das Thronfolgerecht erwerben.
2. Die Ehen müssen ebenbürtige gewesen sein. Eben-
bürtig ist nach deutschem Staatsrechte immer die Ehe
eines Prinzen mit einer Frau, welche einem deutschen
regierenden Fürstenhause, oder dem Hause einer Familie
des deutschen hohen Adels, oder einem ausländischen
christlichen Regentenhause angehört und in ihrem Hause
für ebenbürtig gilt. Eine Erstreckung der Ebenbürtig-
keit auf andere Personen kann durch ausdrückliche oder
observanzmässige Festsetzung des Hausrechts gültig er-
folgen, muss aber als besonderes Recht gegenüber dem
allgemeinen betrachtet werden. Einer Missheirath wer-

1 Wo die Erfordernisse der Kirche bezüglich der Gültigkeit
der Ehe nicht zugleich die des bürgerlichen Rechts sind, müssen
die letzteren hier als massgebend betrachtet werden. Ueber die
s. g. Gewissensehe siehe Zachariä, deutsches Staats- u. Bundes-
recht, §. 67. Note 8.
2 In der Sphäre des hohen Adels hat die Gleichstellung der
legitimirten Kinder mit den ehelichen keine Aufnahme gefunden,
eine Ansicht, welche freilich bekanntlich in hohem Masse be-
stritten ist. S. die Literatur bei Zachariä, a. a. O. A. A. Zöpfl,
Staatsrecht, §. 253. Jedenfalls liegt in dem Begriffe der Thron-
folgeordnung eines souverainen Staats die Anforderung, dass
alle auf die Thronfolge erhobenen Ansprüche auf völlig correcten
thatsächlichen Grundlagen beruhen müssen, wozu vor Allem ge-
hört, dass die behauptete Ehelichkeit eine Wahrheit und nicht
eine blosse rechtliche Fiction sei.

§. 30. Der Monarch.
gestützt wird, bestehen aber weiter folgende allgemeine
Voraussetzungen. 1. Das Descendenzverhältniss muss
ein eheliches sein, d. h. jedes Mitglied der Ahnenlinie
bis auf den Prätendenten herab muss in einer bürgerlich
gültigen Ehe erzeugt sein;1 daher Uneheliche, Legiti-
mirte,2 sowie auch Adoptirte weder die Anwartschaft
fortleiten, noch auch selbst das Thronfolgerecht erwerben.
2. Die Ehen müssen ebenbürtige gewesen sein. Eben-
bürtig ist nach deutschem Staatsrechte immer die Ehe
eines Prinzen mit einer Frau, welche einem deutschen
regierenden Fürstenhause, oder dem Hause einer Familie
des deutschen hohen Adels, oder einem ausländischen
christlichen Regentenhause angehört und in ihrem Hause
für ebenbürtig gilt. Eine Erstreckung der Ebenbürtig-
keit auf andere Personen kann durch ausdrückliche oder
observanzmässige Festsetzung des Hausrechts gültig er-
folgen, muss aber als besonderes Recht gegenüber dem
allgemeinen betrachtet werden. Einer Missheirath wer-

1 Wo die Erfordernisse der Kirche bezüglich der Gültigkeit
der Ehe nicht zugleich die des bürgerlichen Rechts sind, müssen
die letzteren hier als massgebend betrachtet werden. Ueber die
s. g. Gewissensehe siehe Zachariä, deutsches Staats- u. Bundes-
recht, §. 67. Note 8.
2 In der Sphäre des hohen Adels hat die Gleichstellung der
legitimirten Kinder mit den ehelichen keine Aufnahme gefunden,
eine Ansicht, welche freilich bekanntlich in hohem Masse be-
stritten ist. S. die Literatur bei Zachariä, a. a. O. A. A. Zöpfl,
Staatsrecht, §. 253. Jedenfalls liegt in dem Begriffe der Thron-
folgeordnung eines souverainen Staats die Anforderung, dass
alle auf die Thronfolge erhobenen Ansprüche auf völlig correcten
thatsächlichen Grundlagen beruhen müssen, wozu vor Allem ge-
hört, dass die behauptete Ehelichkeit eine Wahrheit und nicht
eine blosse rechtliche Fiction sei.
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[87/0105] §. 30. Der Monarch. gestützt wird, bestehen aber weiter folgende allgemeine Voraussetzungen. 1. Das Descendenzverhältniss muss ein eheliches sein, d. h. jedes Mitglied der Ahnenlinie bis auf den Prätendenten herab muss in einer bürgerlich gültigen Ehe erzeugt sein; 1 daher Uneheliche, Legiti- mirte, 2 sowie auch Adoptirte weder die Anwartschaft fortleiten, noch auch selbst das Thronfolgerecht erwerben. 2. Die Ehen müssen ebenbürtige gewesen sein. Eben- bürtig ist nach deutschem Staatsrechte immer die Ehe eines Prinzen mit einer Frau, welche einem deutschen regierenden Fürstenhause, oder dem Hause einer Familie des deutschen hohen Adels, oder einem ausländischen christlichen Regentenhause angehört und in ihrem Hause für ebenbürtig gilt. Eine Erstreckung der Ebenbürtig- keit auf andere Personen kann durch ausdrückliche oder observanzmässige Festsetzung des Hausrechts gültig er- folgen, muss aber als besonderes Recht gegenüber dem allgemeinen betrachtet werden. Einer Missheirath wer- 1 Wo die Erfordernisse der Kirche bezüglich der Gültigkeit der Ehe nicht zugleich die des bürgerlichen Rechts sind, müssen die letzteren hier als massgebend betrachtet werden. Ueber die s. g. Gewissensehe siehe Zachariä, deutsches Staats- u. Bundes- recht, §. 67. Note 8. 2 In der Sphäre des hohen Adels hat die Gleichstellung der legitimirten Kinder mit den ehelichen keine Aufnahme gefunden, eine Ansicht, welche freilich bekanntlich in hohem Masse be- stritten ist. S. die Literatur bei Zachariä, a. a. O. A. A. Zöpfl, Staatsrecht, §. 253. Jedenfalls liegt in dem Begriffe der Thron- folgeordnung eines souverainen Staats die Anforderung, dass alle auf die Thronfolge erhobenen Ansprüche auf völlig correcten thatsächlichen Grundlagen beruhen müssen, wozu vor Allem ge- hört, dass die behauptete Ehelichkeit eine Wahrheit und nicht eine blosse rechtliche Fiction sei.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/105>, abgerufen am 16.05.2024.