Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Zweiter Abschnitt. den durch Anerkennung aller rechtlich interessirtenAgnaten die Wirkungen einer ebenbürtigen Ehe beige- legt.3 3. Die neueren Hausgesetze bestimmen, dass nur durch solche Ehen, welche mit Zustimmung des Monarchen als des Oberhauptes des fürstlichen Hauses eingegangen sind, das Thronfolgerecht fortgepflanzt wird.4 4. Nur auf Männer, welche durch Männer von dem entscheidenden Ahnherrn abstammen (s. g. Agnaten), wird in Deutschland das Thronfolgerecht übertragen. Für den Fall des gänzlichen Erlöschens des Manns- stammes berufen einzelne Verfassungsurkunden even- tuell auch die Cognaten, in deren Hand sich sodann, wenn der Anfall einmal geschehen ist, das agnatische Princip sofort wieder erneuert; aber weder über die Ordnung, nach welcher der Anfall erfolgt, noch auch darüber, ob beim Eintritte der Cognatensuccession auch eine Frau Monarch werden kann, lassen sich allgemein geltende Rechtssätze aufstellen.5 In manchen Staaten 3 Diess ist meine wissenschaftliche Ueberzeugung in dieser viel bestrittenen Lehre. Siehe die Literatur in meinem deutschen Privatrechte, §. 224. 4 Die Frage, ob bei einer ohne diesen Consens eingegangenen Ehe der nachträglich ertheilte Consens rückwirkende Kraft habe, ist wohl richtiger zu verneinen. Pözl, Bayerisches Verfassungs- recht, S. 328. 5 Würde das gemeine Recht zu entscheiden haben, so würde
die viel bestrittene Lehre des Lehnrechts über die Ordnung des Cognatenanfalls (Gerber, Privatrecht, §. 271.) und die Lehre von der Erbtochter (Gerber, a. a. O. §. 264.) herbeizuziehen sein. Manche Verfassungsurkunden (wie z. B. die Württembergische §. 7., Sächsische §. 7., Hannoversche §. 12.) haben eine ausdrückliche Bestimmung darüber; andere (wie z. B. die Preussische Art. 53., v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 36.) schweigen. Zweiter Abschnitt. den durch Anerkennung aller rechtlich interessirtenAgnaten die Wirkungen einer ebenbürtigen Ehe beige- legt.3 3. Die neueren Hausgesetze bestimmen, dass nur durch solche Ehen, welche mit Zustimmung des Monarchen als des Oberhauptes des fürstlichen Hauses eingegangen sind, das Thronfolgerecht fortgepflanzt wird.4 4. Nur auf Männer, welche durch Männer von dem entscheidenden Ahnherrn abstammen (s. g. Agnaten), wird in Deutschland das Thronfolgerecht übertragen. Für den Fall des gänzlichen Erlöschens des Manns- stammes berufen einzelne Verfassungsurkunden even- tuell auch die Cognaten, in deren Hand sich sodann, wenn der Anfall einmal geschehen ist, das agnatische Princip sofort wieder erneuert; aber weder über die Ordnung, nach welcher der Anfall erfolgt, noch auch darüber, ob beim Eintritte der Cognatensuccession auch eine Frau Monarch werden kann, lassen sich allgemein geltende Rechtssätze aufstellen.5 In manchen Staaten 3 Diess ist meine wissenschaftliche Ueberzeugung in dieser viel bestrittenen Lehre. Siehe die Literatur in meinem deutschen Privatrechte, §. 224. 4 Die Frage, ob bei einer ohne diesen Consens eingegangenen Ehe der nachträglich ertheilte Consens rückwirkende Kraft habe, ist wohl richtiger zu verneinen. Pözl, Bayerisches Verfassungs- recht, S. 328. 5 Würde das gemeine Recht zu entscheiden haben, so würde
die viel bestrittene Lehre des Lehnrechts über die Ordnung des Cognatenanfalls (Gerber, Privatrecht, §. 271.) und die Lehre von der Erbtochter (Gerber, a. a. O. §. 264.) herbeizuziehen sein. Manche Verfassungsurkunden (wie z. B. die Württembergische §. 7., Sächsische §. 7., Hannoversche §. 12.) haben eine ausdrückliche Bestimmung darüber; andere (wie z. B. die Preussische Art. 53., v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 36.) schweigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0106" n="88"/><fw place="top" type="header">Zweiter Abschnitt.</fw><lb/> den durch Anerkennung aller rechtlich interessirten<lb/> Agnaten die Wirkungen einer ebenbürtigen Ehe beige-<lb/> legt.<note place="foot" n="3">Diess ist meine wissenschaftliche Ueberzeugung in dieser<lb/> viel bestrittenen Lehre. Siehe die Literatur in meinem deutschen<lb/> Privatrechte, §. 224.</note> 3. Die neueren Hausgesetze bestimmen, dass<lb/> nur durch solche Ehen, welche mit Zustimmung des<lb/> Monarchen als des Oberhauptes des fürstlichen Hauses<lb/> eingegangen sind, das Thronfolgerecht fortgepflanzt<lb/> wird.<note place="foot" n="4">Die Frage, ob bei einer ohne diesen Consens eingegangenen<lb/> Ehe der nachträglich ertheilte Consens rückwirkende Kraft habe,<lb/> ist wohl richtiger zu verneinen. <hi rendition="#g">Pözl</hi>, Bayerisches Verfassungs-<lb/> recht, S. 328.</note> 4. Nur auf Männer, welche durch Männer von<lb/> dem entscheidenden Ahnherrn abstammen (s. g. Agnaten),<lb/> wird in Deutschland das Thronfolgerecht übertragen.<lb/> Für den Fall des gänzlichen Erlöschens des Manns-<lb/> stammes berufen einzelne Verfassungsurkunden even-<lb/> tuell auch die Cognaten, in deren Hand sich sodann,<lb/> wenn der Anfall einmal geschehen ist, das agnatische<lb/> Princip sofort wieder erneuert; aber weder über die<lb/> Ordnung, nach welcher der Anfall erfolgt, noch auch<lb/> darüber, ob beim Eintritte der Cognatensuccession auch<lb/> eine Frau Monarch werden kann, lassen sich allgemein<lb/> geltende Rechtssätze aufstellen.<note place="foot" n="5">Würde das gemeine Recht zu entscheiden haben, so würde<lb/> die viel bestrittene Lehre des Lehnrechts über die Ordnung des<lb/> Cognatenanfalls (<hi rendition="#g">Gerber</hi>, Privatrecht, §. 271.) und die Lehre von<lb/> der Erbtochter (<hi rendition="#g">Gerber</hi>, a. a. O. §. 264.) herbeizuziehen sein.<lb/> Manche Verfassungsurkunden (wie z. B. die Württembergische §. 7.,<lb/> Sächsische §. 7., Hannoversche §. 12.) haben eine ausdrückliche<lb/> Bestimmung darüber; andere (wie z. B. die Preussische Art. 53.,<lb/> v. <hi rendition="#g">Rönne</hi>, Preussisches Staatsrecht, §. 36.) schweigen.</note> In manchen Staaten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0106]
Zweiter Abschnitt.
den durch Anerkennung aller rechtlich interessirten
Agnaten die Wirkungen einer ebenbürtigen Ehe beige-
legt. 3 3. Die neueren Hausgesetze bestimmen, dass
nur durch solche Ehen, welche mit Zustimmung des
Monarchen als des Oberhauptes des fürstlichen Hauses
eingegangen sind, das Thronfolgerecht fortgepflanzt
wird. 4 4. Nur auf Männer, welche durch Männer von
dem entscheidenden Ahnherrn abstammen (s. g. Agnaten),
wird in Deutschland das Thronfolgerecht übertragen.
Für den Fall des gänzlichen Erlöschens des Manns-
stammes berufen einzelne Verfassungsurkunden even-
tuell auch die Cognaten, in deren Hand sich sodann,
wenn der Anfall einmal geschehen ist, das agnatische
Princip sofort wieder erneuert; aber weder über die
Ordnung, nach welcher der Anfall erfolgt, noch auch
darüber, ob beim Eintritte der Cognatensuccession auch
eine Frau Monarch werden kann, lassen sich allgemein
geltende Rechtssätze aufstellen. 5 In manchen Staaten
3 Diess ist meine wissenschaftliche Ueberzeugung in dieser
viel bestrittenen Lehre. Siehe die Literatur in meinem deutschen
Privatrechte, §. 224.
4 Die Frage, ob bei einer ohne diesen Consens eingegangenen
Ehe der nachträglich ertheilte Consens rückwirkende Kraft habe,
ist wohl richtiger zu verneinen. Pözl, Bayerisches Verfassungs-
recht, S. 328.
5 Würde das gemeine Recht zu entscheiden haben, so würde
die viel bestrittene Lehre des Lehnrechts über die Ordnung des
Cognatenanfalls (Gerber, Privatrecht, §. 271.) und die Lehre von
der Erbtochter (Gerber, a. a. O. §. 264.) herbeizuziehen sein.
Manche Verfassungsurkunden (wie z. B. die Württembergische §. 7.,
Sächsische §. 7., Hannoversche §. 12.) haben eine ausdrückliche
Bestimmung darüber; andere (wie z. B. die Preussische Art. 53.,
v. Rönne, Preussisches Staatsrecht, §. 36.) schweigen.
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