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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Zweiter Abschnitt.
nicht das Recht zusteht, durch eine richterliche oder
sonstige Staatsbehörde Rechenschaft und Verantwortung
zu fordern; dagegen verlangt jene Sicherung nicht, dass
die Landstände in der Ausübung ihres Berufs von der
Unterwerfung unter die allgemeinen Strafgesetze dis-
pensirt seien.2 Sodann ist es eine angemessene Vor-
schrift einzelner Verfassungsurkunden, dass die Thätig-
keit der Volksvertreter nicht durch den Antrag von
Gläubigern auf Verhängung der Schuldhaft gestört
werden dürfe.3 Auch beruht es ferner auf einer rich-
tigen Würdigung der Bedeutung der Volksvertretung,
wenn die gerichtliche Verhaftung eines Mitglieds der
zum Landtage anwesenden Ständeversammlung oder
die Fortdauer einer solchen von der Genehmigung der
Kammer, welcher der Verhaftete angehört, abhängig
gemacht wird;4 wobei es freilich als selbstverständlich

2 Es ist klar, dass die Tribune nicht eine Stätte sein kann, an
der Ehrenkränkungen, Verläumdungen und andere Verbrechen
ungestraft begangen werden dürfen, und kein Vernünftiger kann
behaupten, dass die freie Ausübung des landständischen Berufs
durch eine Dispensation vom Strafgesetze bedingt sei. Aber selbst-
verständlich ist es, dass bei der Beurtheilung der Frage, ob das
von einem Ständemitgliede in der Sitzung Gethane ein Verbrechen
sei, der Einfluss seines öffentlichen Berufs in Betracht gezogen
werden muss; von diesem Gesichtspunkte aus wird manche
Aeusserung als erlaubt erscheinen müssen, welche sonst eine In-
jurie wäre. Die Hannoverische Verfassungsurkunde §. 53. lässt
gesetzlich immer die günstigste Auslegung Platz greifen. -- Die
blosse Kammerdisciplin kann begreiflich die strafrichterliche
Ahndung nicht ersetzen.
3 Deutsche Wechselordnung Art. 2. (Nürnberger Novelle).
Aber nicht alle Staaten haben diese Bestimmung, z. B. nicht die
Sächsische §. 84.
4 Keine Genehmigung bedarf demnach die Fortdauer einer

Zweiter Abschnitt.
nicht das Recht zusteht, durch eine richterliche oder
sonstige Staatsbehörde Rechenschaft und Verantwortung
zu fordern; dagegen verlangt jene Sicherung nicht, dass
die Landstände in der Ausübung ihres Berufs von der
Unterwerfung unter die allgemeinen Strafgesetze dis-
pensirt seien.2 Sodann ist es eine angemessene Vor-
schrift einzelner Verfassungsurkunden, dass die Thätig-
keit der Volksvertreter nicht durch den Antrag von
Gläubigern auf Verhängung der Schuldhaft gestört
werden dürfe.3 Auch beruht es ferner auf einer rich-
tigen Würdigung der Bedeutung der Volksvertretung,
wenn die gerichtliche Verhaftung eines Mitglieds der
zum Landtage anwesenden Ständeversammlung oder
die Fortdauer einer solchen von der Genehmigung der
Kammer, welcher der Verhaftete angehört, abhängig
gemacht wird;4 wobei es freilich als selbstverständlich

2 Es ist klar, dass die Tribune nicht eine Stätte sein kann, an
der Ehrenkränkungen, Verläumdungen und andere Verbrechen
ungestraft begangen werden dürfen, und kein Vernünftiger kann
behaupten, dass die freie Ausübung des landständischen Berufs
durch eine Dispensation vom Strafgesetze bedingt sei. Aber selbst-
verständlich ist es, dass bei der Beurtheilung der Frage, ob das
von einem Ständemitgliede in der Sitzung Gethane ein Verbrechen
sei, der Einfluss seines öffentlichen Berufs in Betracht gezogen
werden muss; von diesem Gesichtspunkte aus wird manche
Aeusserung als erlaubt erscheinen müssen, welche sonst eine In-
jurie wäre. Die Hannoverische Verfassungsurkunde §. 53. lässt
gesetzlich immer die günstigste Auslegung Platz greifen. — Die
blosse Kammerdisciplin kann begreiflich die strafrichterliche
Ahndung nicht ersetzen.
3 Deutsche Wechselordnung Art. 2. (Nürnberger Novelle).
Aber nicht alle Staaten haben diese Bestimmung, z. B. nicht die
Sächsische §. 84.
4 Keine Genehmigung bedarf demnach die Fortdauer einer
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[134/0152] Zweiter Abschnitt. nicht das Recht zusteht, durch eine richterliche oder sonstige Staatsbehörde Rechenschaft und Verantwortung zu fordern; dagegen verlangt jene Sicherung nicht, dass die Landstände in der Ausübung ihres Berufs von der Unterwerfung unter die allgemeinen Strafgesetze dis- pensirt seien. 2 Sodann ist es eine angemessene Vor- schrift einzelner Verfassungsurkunden, dass die Thätig- keit der Volksvertreter nicht durch den Antrag von Gläubigern auf Verhängung der Schuldhaft gestört werden dürfe. 3 Auch beruht es ferner auf einer rich- tigen Würdigung der Bedeutung der Volksvertretung, wenn die gerichtliche Verhaftung eines Mitglieds der zum Landtage anwesenden Ständeversammlung oder die Fortdauer einer solchen von der Genehmigung der Kammer, welcher der Verhaftete angehört, abhängig gemacht wird; 4 wobei es freilich als selbstverständlich 2 Es ist klar, dass die Tribune nicht eine Stätte sein kann, an der Ehrenkränkungen, Verläumdungen und andere Verbrechen ungestraft begangen werden dürfen, und kein Vernünftiger kann behaupten, dass die freie Ausübung des landständischen Berufs durch eine Dispensation vom Strafgesetze bedingt sei. Aber selbst- verständlich ist es, dass bei der Beurtheilung der Frage, ob das von einem Ständemitgliede in der Sitzung Gethane ein Verbrechen sei, der Einfluss seines öffentlichen Berufs in Betracht gezogen werden muss; von diesem Gesichtspunkte aus wird manche Aeusserung als erlaubt erscheinen müssen, welche sonst eine In- jurie wäre. Die Hannoverische Verfassungsurkunde §. 53. lässt gesetzlich immer die günstigste Auslegung Platz greifen. — Die blosse Kammerdisciplin kann begreiflich die strafrichterliche Ahndung nicht ersetzen. 3 Deutsche Wechselordnung Art. 2. (Nürnberger Novelle). Aber nicht alle Staaten haben diese Bestimmung, z. B. nicht die Sächsische §. 84. 4 Keine Genehmigung bedarf demnach die Fortdauer einer

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/152>, abgerufen am 23.11.2024.