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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Einleitung.
mer aber wird dem staatsrechtlichen Gewohnheitsrechte da
nur ein geringer Raum übrig bleiben, wo einestheils sich
die gesetzgebende Gewalt in reicher und geregelter Pro-
ductivität äussert, anderntheils die Ueberzeugung obwal-
tet, dass eine ängstliche, stets beobachtete Aufrechter-
haltung auch des Buchstabens der Verfassung zu den
wichtigsten Interessen des Volks gehöre.

Die subjectiven öffentlichen Rechte, welche zu den
organischen Bestandtheilen eines concreten Staats gehören,
können althergebrachte Befugnisse sein, welche das neue
Verfassungsrecht in sich aufnimmt, wiederholt anerkennt
und regelt;8 sie können auch durch die Verfassungsur-
kunde oder durch ein anderes Gesetz erstmals begründet
werden, und zwar entweder so, dass sie der individuell
berechtigten Person unmittelbar verliehen werden,9 oder
so, dass nur die rechtliche Ordnung festgesetzt wird,
nach der sie für den Einzelnen entstehen sollen oder dür-
fen.10 Noch andere werden durch specielle Verleihung
Seitens der Staatsgewalt (Privilegium) begründet.11

8 Dahin gehört vor Allem das Recht der angestammten fürst-
lichen Dynastie, dann die Rechte von Standesherren, ritter-
schaftlichen Corporationen, der Inhaber der Patrimonialgerichts-
barkeit u. s. w.
9 Manche unserer Verfassungsurkunden nennen direct ge-
wisse Familien, denen ein Recht der Theilnahme an der Stände-
versammlung zustehen soll.
10 Dahin gehört insbesondere die Wahlordnung, welche die
Art der rechtlichen Begründung des Rechts eines Abgeordneten zur
Ständeversammlung feststellt. Noch andere öffentliche Rechte im
subjectiven Sinne des Worts werden unmittelbar, obschon in ab-
stracter Allgemeinheit gegeben, wie z. B. das politische Wahlrecht.
11 Z. B. das Recht eines Mitglieds des Herrenhauses, die recht-
liche Stellung des Inhabers eines öffentlichen Amts. -- Vertrag

Einleitung.
mer aber wird dem staatsrechtlichen Gewohnheitsrechte da
nur ein geringer Raum übrig bleiben, wo einestheils sich
die gesetzgebende Gewalt in reicher und geregelter Pro-
ductivität äussert, anderntheils die Ueberzeugung obwal-
tet, dass eine ängstliche, stets beobachtete Aufrechter-
haltung auch des Buchstabens der Verfassung zu den
wichtigsten Interessen des Volks gehöre.

Die subjectiven öffentlichen Rechte, welche zu den
organischen Bestandtheilen eines concreten Staats gehören,
können althergebrachte Befugnisse sein, welche das neue
Verfassungsrecht in sich aufnimmt, wiederholt anerkennt
und regelt;8 sie können auch durch die Verfassungsur-
kunde oder durch ein anderes Gesetz erstmals begründet
werden, und zwar entweder so, dass sie der individuell
berechtigten Person unmittelbar verliehen werden,9 oder
so, dass nur die rechtliche Ordnung festgesetzt wird,
nach der sie für den Einzelnen entstehen sollen oder dür-
fen.10 Noch andere werden durch specielle Verleihung
Seitens der Staatsgewalt (Privilegium) begründet.11

8 Dahin gehört vor Allem das Recht der angestammten fürst-
lichen Dynastie, dann die Rechte von Standesherren, ritter-
schaftlichen Corporationen, der Inhaber der Patrimonialgerichts-
barkeit u. s. w.
9 Manche unserer Verfassungsurkunden nennen direct ge-
wisse Familien, denen ein Recht der Theilnahme an der Stände-
versammlung zustehen soll.
10 Dahin gehört insbesondere die Wahlordnung, welche die
Art der rechtlichen Begründung des Rechts eines Abgeordneten zur
Ständeversammlung feststellt. Noch andere öffentliche Rechte im
subjectiven Sinne des Worts werden unmittelbar, obschon in ab-
stracter Allgemeinheit gegeben, wie z. B. das politische Wahlrecht.
11 Z. B. das Recht eines Mitglieds des Herrenhauses, die recht-
liche Stellung des Inhabers eines öffentlichen Amts. — Vertrag
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[16/0034] Einleitung. mer aber wird dem staatsrechtlichen Gewohnheitsrechte da nur ein geringer Raum übrig bleiben, wo einestheils sich die gesetzgebende Gewalt in reicher und geregelter Pro- ductivität äussert, anderntheils die Ueberzeugung obwal- tet, dass eine ängstliche, stets beobachtete Aufrechter- haltung auch des Buchstabens der Verfassung zu den wichtigsten Interessen des Volks gehöre. Die subjectiven öffentlichen Rechte, welche zu den organischen Bestandtheilen eines concreten Staats gehören, können althergebrachte Befugnisse sein, welche das neue Verfassungsrecht in sich aufnimmt, wiederholt anerkennt und regelt; 8 sie können auch durch die Verfassungsur- kunde oder durch ein anderes Gesetz erstmals begründet werden, und zwar entweder so, dass sie der individuell berechtigten Person unmittelbar verliehen werden, 9 oder so, dass nur die rechtliche Ordnung festgesetzt wird, nach der sie für den Einzelnen entstehen sollen oder dür- fen. 10 Noch andere werden durch specielle Verleihung Seitens der Staatsgewalt (Privilegium) begründet. 11 8 Dahin gehört vor Allem das Recht der angestammten fürst- lichen Dynastie, dann die Rechte von Standesherren, ritter- schaftlichen Corporationen, der Inhaber der Patrimonialgerichts- barkeit u. s. w. 9 Manche unserer Verfassungsurkunden nennen direct ge- wisse Familien, denen ein Recht der Theilnahme an der Stände- versammlung zustehen soll. 10 Dahin gehört insbesondere die Wahlordnung, welche die Art der rechtlichen Begründung des Rechts eines Abgeordneten zur Ständeversammlung feststellt. Noch andere öffentliche Rechte im subjectiven Sinne des Worts werden unmittelbar, obschon in ab- stracter Allgemeinheit gegeben, wie z. B. das politische Wahlrecht. 11 Z. B. das Recht eines Mitglieds des Herrenhauses, die recht- liche Stellung des Inhabers eines öffentlichen Amts. — Vertrag

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/34>, abgerufen am 29.04.2024.