Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.ERSTER ABSCHNITT. Die Staatsgewalt. 1. Allgemeiner Character der Staatsgewalt.1 §. 7. Die Staatsgewalt ist die Willensmacht eines persön- 1 Die Systematik, nach welcher hier die Staatsgewalt an sich, ohne Rücksicht auf ihre concrete Erscheinung im Monarchenrechte behandelt wird, bedarf einer besonderen Rechtfertigung, und zwar um so mehr, als ich selbst früher (öffentliche Rechte S. 52.) Bedenken gegen ihre Zulässigkeit erhoben habe. Die Schrift- steller, welche hiergegen polemisiren, thun diess aus so verschie- denen Gesichtspunkten, dass ein specielles Eingehen auf die Ein- wendungen der Einzelnen nur in Verbindung mit einer durch- gehenden Beleuchtung ihrer Grundansichten möglich wäre. Ich nenne beispielsweise Maurenbrecher, die deutschen regieren- den Fürsten und ihre Souveränetät 1839, und Zöpfl, Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1. Band §. 54. Meine Gedanken darüber sind folgende. Es ist wahr, dass die Staats- gewalt nicht als abstracte Macht, sondern zumeist erst in dem Rechte des herrschenden Subjects, also hier des Monarchen, zur praktischen Erscheinung kommt, dass das Recht des Letzteren in der Regel alle Zweige der Staatsgewalt deckt, und sonach der Monarch die Persönlichkeit des Staats formell in seine Persön- lichkeit aufnimmt. Aber diese Wahrheit führt keineswegs zu der Annahme, dass der Staat selbst nur im Monarchen vorhanden sei. 2*
ERSTER ABSCHNITT. Die Staatsgewalt. 1. Allgemeiner Character der Staatsgewalt.1 §. 7. Die Staatsgewalt ist die Willensmacht eines persön- 1 Die Systematik, nach welcher hier die Staatsgewalt an sich, ohne Rücksicht auf ihre concrete Erscheinung im Monarchenrechte behandelt wird, bedarf einer besonderen Rechtfertigung, und zwar um so mehr, als ich selbst früher (öffentliche Rechte S. 52.) Bedenken gegen ihre Zulässigkeit erhoben habe. Die Schrift- steller, welche hiergegen polemisiren, thun diess aus so verschie- denen Gesichtspunkten, dass ein specielles Eingehen auf die Ein- wendungen der Einzelnen nur in Verbindung mit einer durch- gehenden Beleuchtung ihrer Grundansichten möglich wäre. Ich nenne beispielsweise Maurenbrecher, die deutschen regieren- den Fürsten und ihre Souveränetät 1839, und Zöpfl, Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1. Band §. 54. Meine Gedanken darüber sind folgende. Es ist wahr, dass die Staats- gewalt nicht als abstracte Macht, sondern zumeist erst in dem Rechte des herrschenden Subjects, also hier des Monarchen, zur praktischen Erscheinung kommt, dass das Recht des Letzteren in der Regel alle Zweige der Staatsgewalt deckt, und sonach der Monarch die Persönlichkeit des Staats formell in seine Persön- lichkeit aufnimmt. Aber diese Wahrheit führt keineswegs zu der Annahme, dass der Staat selbst nur im Monarchen vorhanden sei. 2*
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ERSTER ABSCHNITT.
Die Staatsgewalt.
1. Allgemeiner Character der Staatsgewalt. 1
§. 7.
Die Staatsgewalt ist die Willensmacht eines persön-
lich gedachten sittlichen Organismus. Sie ist nicht eine
1 Die Systematik, nach welcher hier die Staatsgewalt an sich,
ohne Rücksicht auf ihre concrete Erscheinung im Monarchenrechte
behandelt wird, bedarf einer besonderen Rechtfertigung, und
zwar um so mehr, als ich selbst früher (öffentliche Rechte S. 52.)
Bedenken gegen ihre Zulässigkeit erhoben habe. Die Schrift-
steller, welche hiergegen polemisiren, thun diess aus so verschie-
denen Gesichtspunkten, dass ein specielles Eingehen auf die Ein-
wendungen der Einzelnen nur in Verbindung mit einer durch-
gehenden Beleuchtung ihrer Grundansichten möglich wäre. Ich
nenne beispielsweise Maurenbrecher, die deutschen regieren-
den Fürsten und ihre Souveränetät 1839, und Zöpfl, Grundsätze
des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1. Band §. 54. Meine
Gedanken darüber sind folgende. Es ist wahr, dass die Staats-
gewalt nicht als abstracte Macht, sondern zumeist erst in dem
Rechte des herrschenden Subjects, also hier des Monarchen, zur
praktischen Erscheinung kommt, dass das Recht des Letzteren in
der Regel alle Zweige der Staatsgewalt deckt, und sonach der
Monarch die Persönlichkeit des Staats formell in seine Persön-
lichkeit aufnimmt. Aber diese Wahrheit führt keineswegs zu der
Annahme, dass der Staat selbst nur im Monarchen vorhanden sei.
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