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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 9. Arten der Wirksamkeit der Staatsgewalt.
Form ihrer Wirksamkeit die gesetzgebende Gewalt. Da-
neben giebt es eine unübersehbare Menge von Interes-
sen, welche ihre Befriedigung von der Staatsgewalt nicht
durch abstracte Normirung, sondern durch Anordnungen,
Entscheidungen, Befehle der verschiedensten Art, also
durch Handlungen erwarten, deren Zweck in ihrer
Wirksamkeit für ein concretets Verhältniss erschöpft ist.
Der grösste Theil solcher Handlungen der Staatsgewalt
stellt sich dar als die Anwendung einzelner Gesetze auf
den einzelnen Fall; manche derselben bewegen sich
auch in der Sphäre freier, durch die Gesetzgebung
oder sonstiges Recht nicht im Voraus bestimmter Ent-
schliessungen. Von jeher ist es nun als eine Aufgabe
der Staatswissenschaft betrachtet worden, auch diese
verschiedenen Arten der Staatsthätigkeit, deren Gemein-
sames zunächst nur in dem Gegensatze zur gesetz-
geberischen Function der Staatsgewalt besteht, zu classi-
ficiren. Die grosse Verschiedenheit der hierüber auf-
gestellten Ansichten erklärt sich zum Theil daraus, dass
es mehrfache Interessen giebt, welche das Bedürfniss
einer solchen Eintheilung hervorrufen, und dass, je
nach der Besonderheit des Zwecks und Gesichtspunkts,
eine Verschiedenheit der Gruppirung möglich und be-
rechtigt ist.

Für das rein juristische Interesse nun genügt
es, die nicht gesetzgeberische Thätigkeit der Staats-
gewalt in zwei Classen zu scheiden, nämlich in die
richterliche und die verwaltende Thätigkeit. Denn
die Thätigkeit des Richtens, d. h. der Feststellung dessen,
was im einzelnen Falle Recht ist, schliesst sich sowohl

§. 9. Arten der Wirksamkeit der Staatsgewalt.
Form ihrer Wirksamkeit die gesetzgebende Gewalt. Da-
neben giebt es eine unübersehbare Menge von Interes-
sen, welche ihre Befriedigung von der Staatsgewalt nicht
durch abstracte Normirung, sondern durch Anordnungen,
Entscheidungen, Befehle der verschiedensten Art, also
durch Handlungen erwarten, deren Zweck in ihrer
Wirksamkeit für ein concretets Verhältniss erschöpft ist.
Der grösste Theil solcher Handlungen der Staatsgewalt
stellt sich dar als die Anwendung einzelner Gesetze auf
den einzelnen Fall; manche derselben bewegen sich
auch in der Sphäre freier, durch die Gesetzgebung
oder sonstiges Recht nicht im Voraus bestimmter Ent-
schliessungen. Von jeher ist es nun als eine Aufgabe
der Staatswissenschaft betrachtet worden, auch diese
verschiedenen Arten der Staatsthätigkeit, deren Gemein-
sames zunächst nur in dem Gegensatze zur gesetz-
geberischen Function der Staatsgewalt besteht, zu classi-
ficiren. Die grosse Verschiedenheit der hierüber auf-
gestellten Ansichten erklärt sich zum Theil daraus, dass
es mehrfache Interessen giebt, welche das Bedürfniss
einer solchen Eintheilung hervorrufen, und dass, je
nach der Besonderheit des Zwecks und Gesichtspunkts,
eine Verschiedenheit der Gruppirung möglich und be-
rechtigt ist.

Für das rein juristische Interesse nun genügt
es, die nicht gesetzgeberische Thätigkeit der Staats-
gewalt in zwei Classen zu scheiden, nämlich in die
richterliche und die verwaltende Thätigkeit. Denn
die Thätigkeit des Richtens, d. h. der Feststellung dessen,
was im einzelnen Falle Recht ist, schliesst sich sowohl

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[27/0045] §. 9. Arten der Wirksamkeit der Staatsgewalt. Form ihrer Wirksamkeit die gesetzgebende Gewalt. Da- neben giebt es eine unübersehbare Menge von Interes- sen, welche ihre Befriedigung von der Staatsgewalt nicht durch abstracte Normirung, sondern durch Anordnungen, Entscheidungen, Befehle der verschiedensten Art, also durch Handlungen erwarten, deren Zweck in ihrer Wirksamkeit für ein concretets Verhältniss erschöpft ist. Der grösste Theil solcher Handlungen der Staatsgewalt stellt sich dar als die Anwendung einzelner Gesetze auf den einzelnen Fall; manche derselben bewegen sich auch in der Sphäre freier, durch die Gesetzgebung oder sonstiges Recht nicht im Voraus bestimmter Ent- schliessungen. Von jeher ist es nun als eine Aufgabe der Staatswissenschaft betrachtet worden, auch diese verschiedenen Arten der Staatsthätigkeit, deren Gemein- sames zunächst nur in dem Gegensatze zur gesetz- geberischen Function der Staatsgewalt besteht, zu classi- ficiren. Die grosse Verschiedenheit der hierüber auf- gestellten Ansichten erklärt sich zum Theil daraus, dass es mehrfache Interessen giebt, welche das Bedürfniss einer solchen Eintheilung hervorrufen, und dass, je nach der Besonderheit des Zwecks und Gesichtspunkts, eine Verschiedenheit der Gruppirung möglich und be- rechtigt ist. Für das rein juristische Interesse nun genügt es, die nicht gesetzgeberische Thätigkeit der Staats- gewalt in zwei Classen zu scheiden, nämlich in die richterliche und die verwaltende Thätigkeit. Denn die Thätigkeit des Richtens, d. h. der Feststellung dessen, was im einzelnen Falle Recht ist, schliesst sich sowohl

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/45>, abgerufen am 29.04.2024.