Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.ten sehen und gab verzweifelnd und mit dem letzten Athemzuge den Mördern fluchend bei diesem Anblicke ihren Geist auf" (Waitz 3, 526). Solche Beispiele viehischer Unmenschlichkeit stehen keineswegs als einzelne wegen ihrer besonderen Scheusslichkeit merkwürdige Fälle da: sie sind in diesen Kriegen das ganz Gewöhnliche. v. Tschudi gab an, dass die Botokuden bei den Jesuiten Schutz gefunden hätten; und wenn allerdings die Geistlichen bisweilen ihre Stimmen für die Unterdrückten erhoben, so war das keineswegs überall oder immer der Fall; ja die Geistlichen wurden sehr häufig nur eine neue Plage für die Eingeborenen durch die Mittel, wie sie die Indianer für die Taufe gewannen: einfach dadurch, dass sie dieselben jagten, fingen und dann tauften oder so lange einsperrten, bis sie sich taufen liessen, was freilich von den spanischen Gesetzen verboten war, aber doch oft genug, mit Hülfe anderer Indianer, ausgeführt wurde. Nur allzubekannt ist jene fürchterliche Geschichte von der Guahibaindianerin, welche mit ihren Kindern gefangen worden war und von der Zu der Guahiba und der Christen Bildniss Erzählet jener Stein mit stummem Munde Am Atapabos-Ufer in der Wildniss. Diese Geschichte spielt etwa um 1770: und Humboldt, welcher sie uns aus dem Munde der Geistlichen selbst erzählt (b, 5, 81 ff.; vgl. Chamisso Werke 4, 69 ff.), fährt fort: "Dergleichen Jammer kommt überall vor, wo es Herren und Sklaven gibt, wo civilisirte Europäer unter versunkenen Völkern leben, wo Priester mit unumschränkter Gewalt über unwissende, wehrlose Völker gebieten" (Humboldt a.a.O. 85). Und er hat Recht: denselben Jammer finden wir in Californien wieder, wohin die spanische Herrschaft hauptsächlich durch Missionäre gebracht war, und wo diese letzteren Schlingen legten, um Indianer zu fangen oder zu demselben Behuf bewaffnete Schaaren ausschickten. Widersetzte sich einer der Eingeborenen der neuen Lehre, so sperrte man ihn zunächst ein und liess ihn hungern, dann zeigte man ihm Fleisch, um ihm von dem guten Leben, das ihn bei den Missionären erwarte, einen Begriff zu geben und suchte ihn so zum -- Christenthum zu gewinnen (Beechey 1, 356). Wiedereingefangene Deserteure erhielten nach Langsdorff Stockprügel, die sehr häufig auch bei Frauen angewendet wurden, und es wurde ihnen ein schwerer Eisenstab angehängt, um fürderhin Flucht ihnen unmöglich zu machen. Da nun die so Bekehrten ganz wie Sklaven den frommen Missionären dienen mussten, so ist es einmal kein Wunder, wenn sie, um dieser Religion, dieser Kultur zu entfliehen, kein Mittel scheuten, auf der anderen Seite aber auch nicht, wenn wir sie massenhaft in den Missionen sterben sehen. Krankheiten wütheten und von Jahr zu Jahr wuchs die Sterblichkeit. 1786 waren 7701 Indianer getauft, von denen 2388 starben; 1813 waren 57,328 getauft, ten sehen und gab verzweifelnd und mit dem letzten Athemzuge den Mördern fluchend bei diesem Anblicke ihren Geist auf« (Waitz 3, 526). Solche Beispiele viehischer Unmenschlichkeit stehen keineswegs als einzelne wegen ihrer besonderen Scheusslichkeit merkwürdige Fälle da: sie sind in diesen Kriegen das ganz Gewöhnliche. v. Tschudi gab an, dass die Botokuden bei den Jesuiten Schutz gefunden hätten; und wenn allerdings die Geistlichen bisweilen ihre Stimmen für die Unterdrückten erhoben, so war das keineswegs überall oder immer der Fall; ja die Geistlichen wurden sehr häufig nur eine neue Plage für die Eingeborenen durch die Mittel, wie sie die Indianer für die Taufe gewannen: einfach dadurch, dass sie dieselben jagten, fingen und dann tauften oder so lange einsperrten, bis sie sich taufen liessen, was freilich von den spanischen Gesetzen verboten war, aber doch oft genug, mit Hülfe anderer Indianer, ausgeführt wurde. Nur allzubekannt ist jene fürchterliche Geschichte von der Guahibaindianerin, welche mit ihren Kindern gefangen worden war und von der Zu der Guahiba und der Christen Bildniss Erzählet jener Stein mit stummem Munde Am Atapabos-Ufer in der Wildniss. Diese Geschichte spielt etwa um 1770: und Humboldt, welcher sie uns aus dem Munde der Geistlichen selbst erzählt (b, 5, 81 ff.; vgl. Chamisso Werke 4, 69 ff.), fährt fort: »Dergleichen Jammer kommt überall vor, wo es Herren und Sklaven gibt, wo civilisirte Europäer unter versunkenen Völkern leben, wo Priester mit unumschränkter Gewalt über unwissende, wehrlose Völker gebieten« (Humboldt a.a.O. 85). Und er hat Recht: denselben Jammer finden wir in Californien wieder, wohin die spanische Herrschaft hauptsächlich durch Missionäre gebracht war, und wo diese letzteren Schlingen legten, um Indianer zu fangen oder zu demselben Behuf bewaffnete Schaaren ausschickten. Widersetzte sich einer der Eingeborenen der neuen Lehre, so sperrte man ihn zunächst ein und liess ihn hungern, dann zeigte man ihm Fleisch, um ihm von dem guten Leben, das ihn bei den Missionären erwarte, einen Begriff zu geben und suchte ihn so zum — Christenthum zu gewinnen (Beechey 1, 356). Wiedereingefangene Deserteure erhielten nach Langsdorff Stockprügel, die sehr häufig auch bei Frauen angewendet wurden, und es wurde ihnen ein schwerer Eisenstab angehängt, um fürderhin Flucht ihnen unmöglich zu machen. Da nun die so Bekehrten ganz wie Sklaven den frommen Missionären dienen mussten, so ist es einmal kein Wunder, wenn sie, um dieser Religion, dieser Kultur zu entfliehen, kein Mittel scheuten, auf der anderen Seite aber auch nicht, wenn wir sie massenhaft in den Missionen sterben sehen. Krankheiten wütheten und von Jahr zu Jahr wuchs die Sterblichkeit. 1786 waren 7701 Indianer getauft, von denen 2388 starben; 1813 waren 57,328 getauft, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117"/> ten sehen und gab verzweifelnd und mit dem letzten Athemzuge den Mördern fluchend bei diesem Anblicke ihren Geist auf« (Waitz 3, 526). 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Widersetzte sich einer der Eingeborenen der neuen Lehre, so sperrte man ihn zunächst ein und liess ihn hungern, dann zeigte man ihm Fleisch, um ihm von dem guten Leben, das ihn bei den Missionären erwarte, einen Begriff zu geben und suchte ihn so zum — Christenthum zu gewinnen (Beechey 1, 356). Wiedereingefangene Deserteure erhielten nach Langsdorff Stockprügel, die sehr häufig auch bei Frauen angewendet wurden, und es wurde ihnen ein schwerer Eisenstab angehängt, um fürderhin Flucht ihnen unmöglich zu machen. Da nun die so Bekehrten ganz wie Sklaven den frommen Missionären dienen mussten, so ist es einmal kein Wunder, wenn sie, um dieser Religion, dieser Kultur zu entfliehen, kein Mittel scheuten, auf der anderen Seite aber auch nicht, wenn wir sie massenhaft in den Missionen sterben sehen. Krankheiten wütheten und von Jahr zu Jahr wuchs die Sterblichkeit. 1786 waren 7701 Indianer getauft, von denen 2388 starben; 1813 waren 57,328 getauft, </p> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
ten sehen und gab verzweifelnd und mit dem letzten Athemzuge den Mördern fluchend bei diesem Anblicke ihren Geist auf« (Waitz 3, 526). Solche Beispiele viehischer Unmenschlichkeit stehen keineswegs als einzelne wegen ihrer besonderen Scheusslichkeit merkwürdige Fälle da: sie sind in diesen Kriegen das ganz Gewöhnliche.
v. Tschudi gab an, dass die Botokuden bei den Jesuiten Schutz gefunden hätten; und wenn allerdings die Geistlichen bisweilen ihre Stimmen für die Unterdrückten erhoben, so war das keineswegs überall oder immer der Fall; ja die Geistlichen wurden sehr häufig nur eine neue Plage für die Eingeborenen durch die Mittel, wie sie die Indianer für die Taufe gewannen: einfach dadurch, dass sie dieselben jagten, fingen und dann tauften oder so lange einsperrten, bis sie sich taufen liessen, was freilich von den spanischen Gesetzen verboten war, aber doch oft genug, mit Hülfe anderer Indianer, ausgeführt wurde. Nur allzubekannt ist jene fürchterliche Geschichte von der Guahibaindianerin, welche mit ihren Kindern gefangen worden war und von der
Zu der Guahiba und der Christen Bildniss
Erzählet jener Stein mit stummem Munde
Am Atapabos-Ufer in der Wildniss.
Diese Geschichte spielt etwa um 1770: und Humboldt, welcher sie uns aus dem Munde der Geistlichen selbst erzählt (b, 5, 81 ff.; vgl. Chamisso Werke 4, 69 ff.), fährt fort: »Dergleichen Jammer kommt überall vor, wo es Herren und Sklaven gibt, wo civilisirte Europäer unter versunkenen Völkern leben, wo Priester mit unumschränkter Gewalt über unwissende, wehrlose Völker gebieten« (Humboldt a.a.O. 85). Und er hat Recht: denselben Jammer finden wir in Californien wieder, wohin die spanische Herrschaft hauptsächlich durch Missionäre gebracht war, und wo diese letzteren Schlingen legten, um Indianer zu fangen oder zu demselben Behuf bewaffnete Schaaren ausschickten. Widersetzte sich einer der Eingeborenen der neuen Lehre, so sperrte man ihn zunächst ein und liess ihn hungern, dann zeigte man ihm Fleisch, um ihm von dem guten Leben, das ihn bei den Missionären erwarte, einen Begriff zu geben und suchte ihn so zum — Christenthum zu gewinnen (Beechey 1, 356). Wiedereingefangene Deserteure erhielten nach Langsdorff Stockprügel, die sehr häufig auch bei Frauen angewendet wurden, und es wurde ihnen ein schwerer Eisenstab angehängt, um fürderhin Flucht ihnen unmöglich zu machen. Da nun die so Bekehrten ganz wie Sklaven den frommen Missionären dienen mussten, so ist es einmal kein Wunder, wenn sie, um dieser Religion, dieser Kultur zu entfliehen, kein Mittel scheuten, auf der anderen Seite aber auch nicht, wenn wir sie massenhaft in den Missionen sterben sehen. Krankheiten wütheten und von Jahr zu Jahr wuchs die Sterblichkeit. 1786 waren 7701 Indianer getauft, von denen 2388 starben; 1813 waren 57,328 getauft,
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