Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.dem Paare, namentlich dem betheiligten Mädchen, Lehren gaben, um die Lust zu erhöhen -- doch das war nicht nöthig, denn, obwohl das Mädchen erst 11 Jahre zählte, so wusste sie doch mit allem schon guten Bescheid (Cook b, 126-27, vergl. 86. 106). Da ist es nicht zu verwundern, dass schmutzige Gegenstände sehr häufig, vor aller Ohren, Inhalt der Unterhaltung waren und nur belacht wurden. Ueberall herrschte Polygamie; auf Tahiti, Nukuhiva und Hawaii (Turnbull 65, Stewart 129, Porter 2, 30) kamen Heirathen unter Geschwistern vor, jedoch nur in der regierenden Familie, die auf andere Art keine ebenbürtige Ehe schliessen konnte, da alle anderen Adelsgeschlechter an Rang unter ihr standen (Ellis 4, 435). Auf den Markesasinseln war es nach Melville 2, 122-23 Sitte, dass die Weiber, ähnlich wie die Aleutinnen, zwei Männer hatten, einen wirklichen Gatten und einen Nebenmann, der ganz die Rechte wie jener besass, auch im Frieden mit ihm lebte; welche Sitte nach Melville darin ihren Grund hatte, dass es weit mehr Männer als Frauen gab. Mathias G*** sagt 111 dasselbe, was auch sonst noch vielfach bestätigt wird. Auch unnatürliche Lüste, denen in Tahiti ein eigener Gott vorstand (Mörenh. 2, 168), waren sehr ausgedehnt. Männer in Weiberkleidern finden wir, wie in Amerika, auch zu Tahiti, aber hier nur im Dienste der widernatürlichen Wollust (Turnbull 306); und da nun die Männer des gemeinen Volks, damit die Fürsten desto mehr Weiber hätten, oder weil sie den Kaufpreis für die Frauen nicht zahlen konnten, fast immer unverheirathet bleiben mussten, so war Onanie unter ihnen in solchem Grade getrieben, dass sie dadurch meist unfähig wurden, einem Weibe noch beizuwohnen (Wilson 311). "Ihre Verbrechen in dieser Art sind zu entsetzlich, als dass sie alle erzählt werden könnten," sagt Wilson (1799) a.a.O. Noch Ellis (1, 98) fand dasselbe vor, er sagt, die Schilderung, welche Paulus von den Heiden im ersten Kapitel des Römerbriefes mache, passe durchaus auf die Tahitier. Auch in Hawaii waren unnatürliche Laster ganz gewöhnlich, von denen Päderastie nur oder wenigstens vorzugweise unter den Fürsten vorkam (Remy XLIII). Mikronesien steht viel höher in dieser Beziehung, mit Ausnahme der alten Marianer, unter denen, freilich nach den alten spanischen Berichten (Salacar bei Oviedo XX, 16), eine arge Zügellosigkeit herrschte, und le Gobien berichtet manches entsprechende. Aber sonst fanden die ersten europäischen Besucher in Mikronesien keine Ausschweifungen, weder im Trunk noch in der Liebe vor, wenn auch die Mädchen leicht zu gewinnen waren: und schamhaft waren sie alle (Chamisso 91. 119). Uebrigens herrschte, nach Chamisso 118-19, Polygamie auch auf Ratak und besonders nahe Freunde besassen auch die Weiber gemeinschaftlich. -- Auch im eigentlichen Polynesien gab es reinere Bezirke, so Tonga, wo die Jünglinge von Staatswegen zur Keuschheit ermahnt wurden: nie sollten sie Gewalt dem Paare, namentlich dem betheiligten Mädchen, Lehren gaben, um die Lust zu erhöhen — doch das war nicht nöthig, denn, obwohl das Mädchen erst 11 Jahre zählte, so wusste sie doch mit allem schon guten Bescheid (Cook b, 126-27, vergl. 86. 106). Da ist es nicht zu verwundern, dass schmutzige Gegenstände sehr häufig, vor aller Ohren, Inhalt der Unterhaltung waren und nur belacht wurden. Ueberall herrschte Polygamie; auf Tahiti, Nukuhiva und Hawaii (Turnbull 65, Stewart 129, Porter 2, 30) kamen Heirathen unter Geschwistern vor, jedoch nur in der regierenden Familie, die auf andere Art keine ebenbürtige Ehe schliessen konnte, da alle anderen Adelsgeschlechter an Rang unter ihr standen (Ellis 4, 435). Auf den Markesasinseln war es nach Melville 2, 122-23 Sitte, dass die Weiber, ähnlich wie die Aleutinnen, zwei Männer hatten, einen wirklichen Gatten und einen Nebenmann, der ganz die Rechte wie jener besass, auch im Frieden mit ihm lebte; welche Sitte nach Melville darin ihren Grund hatte, dass es weit mehr Männer als Frauen gab. Mathias G*** sagt 111 dasselbe, was auch sonst noch vielfach bestätigt wird. Auch unnatürliche Lüste, denen in Tahiti ein eigener Gott vorstand (Mörenh. 2, 168), waren sehr ausgedehnt. Männer in Weiberkleidern finden wir, wie in Amerika, auch zu Tahiti, aber hier nur im Dienste der widernatürlichen Wollust (Turnbull 306); und da nun die Männer des gemeinen Volks, damit die Fürsten desto mehr Weiber hätten, oder weil sie den Kaufpreis für die Frauen nicht zahlen konnten, fast immer unverheirathet bleiben mussten, so war Onanie unter ihnen in solchem Grade getrieben, dass sie dadurch meist unfähig wurden, einem Weibe noch beizuwohnen (Wilson 311). »Ihre Verbrechen in dieser Art sind zu entsetzlich, als dass sie alle erzählt werden könnten,« sagt Wilson (1799) a.a.O. Noch Ellis (1, 98) fand dasselbe vor, er sagt, die Schilderung, welche Paulus von den Heiden im ersten Kapitel des Römerbriefes mache, passe durchaus auf die Tahitier. Auch in Hawaii waren unnatürliche Laster ganz gewöhnlich, von denen Päderastie nur oder wenigstens vorzugweise unter den Fürsten vorkam (Remy XLIII). Mikronesien steht viel höher in dieser Beziehung, mit Ausnahme der alten Marianer, unter denen, freilich nach den alten spanischen Berichten (Salaçar bei Oviedo XX, 16), eine arge Zügellosigkeit herrschte, und le Gobien berichtet manches entsprechende. Aber sonst fanden die ersten europäischen Besucher in Mikronesien keine Ausschweifungen, weder im Trunk noch in der Liebe vor, wenn auch die Mädchen leicht zu gewinnen waren: und schamhaft waren sie alle (Chamisso 91. 119). Uebrigens herrschte, nach Chamisso 118-19, Polygamie auch auf Ratak und besonders nahe Freunde besassen auch die Weiber gemeinschaftlich. — Auch im eigentlichen Polynesien gab es reinere Bezirke, so Tonga, wo die Jünglinge von Staatswegen zur Keuschheit ermahnt wurden: nie sollten sie Gewalt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058"/> dem Paare, namentlich dem betheiligten Mädchen, Lehren gaben, um die Lust zu erhöhen — doch das war nicht nöthig, denn, obwohl das Mädchen erst 11 Jahre zählte, so wusste sie doch mit allem schon guten Bescheid (Cook b, 126-27, vergl. 86. 106). Da ist es nicht zu verwundern, dass schmutzige Gegenstände sehr häufig, vor aller Ohren, Inhalt der Unterhaltung waren und nur belacht wurden. Ueberall herrschte Polygamie; auf Tahiti, Nukuhiva und Hawaii (Turnbull 65, Stewart 129, Porter 2, 30) kamen Heirathen unter Geschwistern vor, jedoch nur in der regierenden Familie, die auf andere Art keine ebenbürtige Ehe schliessen konnte, da alle anderen Adelsgeschlechter an Rang unter ihr standen (Ellis 4, 435). Auf den Markesasinseln war es nach Melville 2, 122-23 Sitte, dass die Weiber, ähnlich wie die Aleutinnen, zwei Männer hatten, einen wirklichen Gatten und einen Nebenmann, der ganz die Rechte wie jener besass, auch im Frieden mit ihm lebte; welche Sitte nach Melville darin ihren Grund hatte, dass es weit mehr Männer als Frauen gab. Mathias G*** sagt 111 dasselbe, was auch sonst noch vielfach bestätigt wird. Auch unnatürliche Lüste, denen in Tahiti ein eigener Gott vorstand (Mörenh. 2, 168), waren sehr ausgedehnt. Männer in Weiberkleidern finden wir, wie in Amerika, auch zu Tahiti, aber hier nur im Dienste der widernatürlichen Wollust (Turnbull 306); und da nun die Männer des gemeinen Volks, damit die Fürsten desto mehr Weiber hätten, oder weil sie den Kaufpreis für die Frauen nicht zahlen konnten, fast immer unverheirathet bleiben mussten, so war Onanie unter ihnen in solchem Grade getrieben, dass sie dadurch meist unfähig wurden, einem Weibe noch beizuwohnen (Wilson 311). »Ihre Verbrechen in dieser Art sind zu entsetzlich, als dass sie alle erzählt werden könnten,« sagt Wilson (1799) a.a.O. Noch Ellis (1, 98) fand dasselbe vor, er sagt, die Schilderung, welche Paulus von den Heiden im ersten Kapitel des Römerbriefes mache, passe durchaus auf die Tahitier. Auch in Hawaii waren unnatürliche Laster ganz gewöhnlich, von denen Päderastie nur oder wenigstens vorzugweise unter den Fürsten vorkam (Remy XLIII).</p> <p>Mikronesien steht viel höher in dieser Beziehung, mit Ausnahme der alten Marianer, unter denen, freilich nach den alten spanischen Berichten (Salaçar bei Oviedo XX, 16), eine arge Zügellosigkeit herrschte, und le Gobien berichtet manches entsprechende. Aber sonst fanden die ersten europäischen Besucher in Mikronesien keine Ausschweifungen, weder im Trunk noch in der Liebe vor, wenn auch die Mädchen leicht zu gewinnen waren: und schamhaft waren sie alle (Chamisso 91. 119). Uebrigens herrschte, nach Chamisso 118-19, Polygamie auch auf Ratak und besonders nahe Freunde besassen auch die Weiber gemeinschaftlich. — Auch im eigentlichen Polynesien gab es reinere Bezirke, so Tonga, wo die Jünglinge von Staatswegen zur Keuschheit ermahnt wurden: nie sollten sie Gewalt </p> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
dem Paare, namentlich dem betheiligten Mädchen, Lehren gaben, um die Lust zu erhöhen — doch das war nicht nöthig, denn, obwohl das Mädchen erst 11 Jahre zählte, so wusste sie doch mit allem schon guten Bescheid (Cook b, 126-27, vergl. 86. 106). Da ist es nicht zu verwundern, dass schmutzige Gegenstände sehr häufig, vor aller Ohren, Inhalt der Unterhaltung waren und nur belacht wurden. Ueberall herrschte Polygamie; auf Tahiti, Nukuhiva und Hawaii (Turnbull 65, Stewart 129, Porter 2, 30) kamen Heirathen unter Geschwistern vor, jedoch nur in der regierenden Familie, die auf andere Art keine ebenbürtige Ehe schliessen konnte, da alle anderen Adelsgeschlechter an Rang unter ihr standen (Ellis 4, 435). Auf den Markesasinseln war es nach Melville 2, 122-23 Sitte, dass die Weiber, ähnlich wie die Aleutinnen, zwei Männer hatten, einen wirklichen Gatten und einen Nebenmann, der ganz die Rechte wie jener besass, auch im Frieden mit ihm lebte; welche Sitte nach Melville darin ihren Grund hatte, dass es weit mehr Männer als Frauen gab. Mathias G*** sagt 111 dasselbe, was auch sonst noch vielfach bestätigt wird. Auch unnatürliche Lüste, denen in Tahiti ein eigener Gott vorstand (Mörenh. 2, 168), waren sehr ausgedehnt. Männer in Weiberkleidern finden wir, wie in Amerika, auch zu Tahiti, aber hier nur im Dienste der widernatürlichen Wollust (Turnbull 306); und da nun die Männer des gemeinen Volks, damit die Fürsten desto mehr Weiber hätten, oder weil sie den Kaufpreis für die Frauen nicht zahlen konnten, fast immer unverheirathet bleiben mussten, so war Onanie unter ihnen in solchem Grade getrieben, dass sie dadurch meist unfähig wurden, einem Weibe noch beizuwohnen (Wilson 311). »Ihre Verbrechen in dieser Art sind zu entsetzlich, als dass sie alle erzählt werden könnten,« sagt Wilson (1799) a.a.O. Noch Ellis (1, 98) fand dasselbe vor, er sagt, die Schilderung, welche Paulus von den Heiden im ersten Kapitel des Römerbriefes mache, passe durchaus auf die Tahitier. Auch in Hawaii waren unnatürliche Laster ganz gewöhnlich, von denen Päderastie nur oder wenigstens vorzugweise unter den Fürsten vorkam (Remy XLIII).
Mikronesien steht viel höher in dieser Beziehung, mit Ausnahme der alten Marianer, unter denen, freilich nach den alten spanischen Berichten (Salaçar bei Oviedo XX, 16), eine arge Zügellosigkeit herrschte, und le Gobien berichtet manches entsprechende. Aber sonst fanden die ersten europäischen Besucher in Mikronesien keine Ausschweifungen, weder im Trunk noch in der Liebe vor, wenn auch die Mädchen leicht zu gewinnen waren: und schamhaft waren sie alle (Chamisso 91. 119). Uebrigens herrschte, nach Chamisso 118-19, Polygamie auch auf Ratak und besonders nahe Freunde besassen auch die Weiber gemeinschaftlich. — Auch im eigentlichen Polynesien gab es reinere Bezirke, so Tonga, wo die Jünglinge von Staatswegen zur Keuschheit ermahnt wurden: nie sollten sie Gewalt
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Zitationshilfe: | Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/58>, abgerufen am 16.02.2025. |