Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.§ 8. Unfruchtbarkeit. Künstlicher Abortus.
Kindermord. Aber eine andere noch schlimmere Folge dieser Ausschweifungen ist die Unfruchtbarkeit der Weiber, welche in Polynesien hauptsächlich auf diesem einen Grund beruht. Die Unfruchtbarkeit der Ehen auf den Markesas, welche schon Krusenstern 1, 255-56 und dann Melville 2, 125 betont, erwähnt auch Mathias G*** 108 mit starkem Nachdruck. Unfruchtbarkeit ist in Hawaii sehr verbreitet (Virgin 1, 268); in Tahiti wird es erst in neuerer Zeit besser und Dieffenbach 2, 15-16 gibt als eine der Ursachen für das Hinschwinden der Maoris die geringe Fruchtbarkeit ihrer Weiber an. Da nun aber ganz analoge Erscheinungen sich in Melanesien (wo z. B. auf Erromango schon eine hohe Kinderzahl ist, Turner 494), in Neuholland (Grey 2, 248 ff.) und namentlich in Amerika vorfinden, so hat man, vor allem mit Rücksicht auf die Eingeborenen des letzten Landes gesagt, die geringe Fruchtbarkeit sei ein charakteristisches Merkmal für niedere Racen, das in ihrer Natur selbst begründet liege. Allerdings haben die Weiber der Botokuden (Tschudi 2, 284), der Makusi (Schomburgk 2, 312) der meisten brasilianischen Völker (Azara an vielen Stellen) und ebenso auch der meisten Nordamerikaner (wofür Waitz 1, 169 die Beispiele zusammenstellt) sehr wenige, oft auch gar keine Kinder; allein wie man hierin ein Racenmerkmal finden soll, ist für Unbefangene unmöglich abzusehen. Denn erstlich zeigen sich eine lange Reihe äusserer Gründe, wodurch die Unfruchtbarkeit bewirkt wird; ausser den schon besprochenen Gründen wie Ausschweifungen, Krankheit u. dergl., die auch in Amerika und vor allen auf Kamtschatka und den Aleuten wirkten, muss hier auf das gleichfalls schon erwähnte lange Säugen hingewiesen werden, welches der Fruchtbarkeit Abbruch thut, ferner und ganz besonders auf die meist überaus elende Stellung der Weiber, auf die Noth, die ewigen Mühsale, unter denen sie ihr Leben hinbringen müssen. Dann heirathen viele Völker nur im eigenen Stamm und man kann wohl sagen, da bei vielen kleineren Völkern Stamm und Familie so ziemlich zusammenfällt, in derselben Familie; dass aber auch hierdurch eine Verminderung der Fruchtbarkeit eintritt, ist bekannt genug. So z. B. die Botokuden; daher Tschudi (2, 284) in diesem Umstand einen Hauptgrund für die Unfruchtbarkeit ihrer Ehen sieht. Auch bei den Bewohnern von Darien zeigten sich die schädlichen Folgen solcher Heirathen (Waitz 4, 351). Der allzufrühe Coitus, den Dieffenbach 2, 15 für die Unfruchtbarkeit der Neuseeländerinnen als einen Hauptgrund anführt, ist wichtig für viele Völker, da er bei vielen, wie wir sehen, vorkommt. Obwohl nun Humboldt (b, 2, 190), nach dem Zeugniss der amerikanischen Ordensgeistlichen am Orinoko, darin keine Gefahr für die § 8. Unfruchtbarkeit. Künstlicher Abortus.
Kindermord. Aber eine andere noch schlimmere Folge dieser Ausschweifungen ist die Unfruchtbarkeit der Weiber, welche in Polynesien hauptsächlich auf diesem einen Grund beruht. Die Unfruchtbarkeit der Ehen auf den Markesas, welche schon Krusenstern 1, 255-56 und dann Melville 2, 125 betont, erwähnt auch Mathias G*** 108 mit starkem Nachdruck. Unfruchtbarkeit ist in Hawaii sehr verbreitet (Virgin 1, 268); in Tahiti wird es erst in neuerer Zeit besser und Dieffenbach 2, 15-16 gibt als eine der Ursachen für das Hinschwinden der Maoris die geringe Fruchtbarkeit ihrer Weiber an. Da nun aber ganz analoge Erscheinungen sich in Melanesien (wo z. B. auf Erromango schon eine hohe Kinderzahl ist, Turner 494), in Neuholland (Grey 2, 248 ff.) und namentlich in Amerika vorfinden, so hat man, vor allem mit Rücksicht auf die Eingeborenen des letzten Landes gesagt, die geringe Fruchtbarkeit sei ein charakteristisches Merkmal für niedere Raçen, das in ihrer Natur selbst begründet liege. Allerdings haben die Weiber der Botokuden (Tschudi 2, 284), der Makusi (Schomburgk 2, 312) der meisten brasilianischen Völker (Azara an vielen Stellen) und ebenso auch der meisten Nordamerikaner (wofür Waitz 1, 169 die Beispiele zusammenstellt) sehr wenige, oft auch gar keine Kinder; allein wie man hierin ein Raçenmerkmal finden soll, ist für Unbefangene unmöglich abzusehen. Denn erstlich zeigen sich eine lange Reihe äusserer Gründe, wodurch die Unfruchtbarkeit bewirkt wird; ausser den schon besprochenen Gründen wie Ausschweifungen, Krankheit u. dergl., die auch in Amerika und vor allen auf Kamtschatka und den Aleuten wirkten, muss hier auf das gleichfalls schon erwähnte lange Säugen hingewiesen werden, welches der Fruchtbarkeit Abbruch thut, ferner und ganz besonders auf die meist überaus elende Stellung der Weiber, auf die Noth, die ewigen Mühsale, unter denen sie ihr Leben hinbringen müssen. Dann heirathen viele Völker nur im eigenen Stamm und man kann wohl sagen, da bei vielen kleineren Völkern Stamm und Familie so ziemlich zusammenfällt, in derselben Familie; dass aber auch hierdurch eine Verminderung der Fruchtbarkeit eintritt, ist bekannt genug. So z. B. die Botokuden; daher Tschudi (2, 284) in diesem Umstand einen Hauptgrund für die Unfruchtbarkeit ihrer Ehen sieht. Auch bei den Bewohnern von Darien zeigten sich die schädlichen Folgen solcher Heirathen (Waitz 4, 351). Der allzufrühe Coitus, den Dieffenbach 2, 15 für die Unfruchtbarkeit der Neuseeländerinnen als einen Hauptgrund anführt, ist wichtig für viele Völker, da er bei vielen, wie wir sehen, vorkommt. Obwohl nun Humboldt (b, 2, 190), nach dem Zeugniss der amerikanischen Ordensgeistlichen am Orinoko, darin keine Gefahr für die <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0060"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head>§ 8. <hi rendition="#i"><hi rendition="#i">Unfruchtbarkeit. Künstlicher Abortus. 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B. auf Erromango schon eine hohe Kinderzahl ist, Turner 494), in Neuholland (Grey 2, 248 ff.) und namentlich in Amerika vorfinden, so hat man, vor allem mit Rücksicht auf die Eingeborenen des letzten Landes gesagt, die geringe Fruchtbarkeit sei ein charakteristisches Merkmal für niedere Raçen, das in ihrer Natur selbst begründet liege. Allerdings haben die Weiber der Botokuden (Tschudi 2, 284), der Makusi (Schomburgk 2, 312) der meisten brasilianischen Völker (Azara an vielen Stellen) und ebenso auch der meisten Nordamerikaner (wofür Waitz 1, 169 die Beispiele zusammenstellt) sehr wenige, oft auch gar keine Kinder; allein wie man hierin ein Raçenmerkmal finden soll, ist für Unbefangene unmöglich abzusehen. Denn erstlich zeigen sich eine lange Reihe äusserer Gründe, wodurch die Unfruchtbarkeit bewirkt wird; ausser den schon besprochenen Gründen wie Ausschweifungen, Krankheit u. dergl., die auch in Amerika und vor allen auf Kamtschatka und den Aleuten wirkten, muss hier auf das gleichfalls schon erwähnte lange Säugen hingewiesen werden, welches der Fruchtbarkeit Abbruch thut, ferner und ganz besonders auf die meist überaus elende Stellung der Weiber, auf die Noth, die ewigen Mühsale, unter denen sie ihr Leben hinbringen müssen. Dann heirathen viele Völker nur im eigenen Stamm und man kann wohl sagen, da bei vielen kleineren Völkern Stamm und Familie so ziemlich zusammenfällt, in derselben Familie; dass aber auch hierdurch eine Verminderung der Fruchtbarkeit eintritt, ist bekannt genug. So z. B. die Botokuden; daher Tschudi (2, 284) in diesem Umstand einen Hauptgrund für die Unfruchtbarkeit ihrer Ehen sieht. 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§ 8. Unfruchtbarkeit. Künstlicher Abortus. Kindermord.
Aber eine andere noch schlimmere Folge dieser Ausschweifungen ist die Unfruchtbarkeit der Weiber, welche in Polynesien hauptsächlich auf diesem einen Grund beruht. Die Unfruchtbarkeit der Ehen auf den Markesas, welche schon Krusenstern 1, 255-56 und dann Melville 2, 125 betont, erwähnt auch Mathias G*** 108 mit starkem Nachdruck. Unfruchtbarkeit ist in Hawaii sehr verbreitet (Virgin 1, 268); in Tahiti wird es erst in neuerer Zeit besser und Dieffenbach 2, 15-16 gibt als eine der Ursachen für das Hinschwinden der Maoris die geringe Fruchtbarkeit ihrer Weiber an.
Da nun aber ganz analoge Erscheinungen sich in Melanesien (wo z. B. auf Erromango schon eine hohe Kinderzahl ist, Turner 494), in Neuholland (Grey 2, 248 ff.) und namentlich in Amerika vorfinden, so hat man, vor allem mit Rücksicht auf die Eingeborenen des letzten Landes gesagt, die geringe Fruchtbarkeit sei ein charakteristisches Merkmal für niedere Raçen, das in ihrer Natur selbst begründet liege. Allerdings haben die Weiber der Botokuden (Tschudi 2, 284), der Makusi (Schomburgk 2, 312) der meisten brasilianischen Völker (Azara an vielen Stellen) und ebenso auch der meisten Nordamerikaner (wofür Waitz 1, 169 die Beispiele zusammenstellt) sehr wenige, oft auch gar keine Kinder; allein wie man hierin ein Raçenmerkmal finden soll, ist für Unbefangene unmöglich abzusehen. Denn erstlich zeigen sich eine lange Reihe äusserer Gründe, wodurch die Unfruchtbarkeit bewirkt wird; ausser den schon besprochenen Gründen wie Ausschweifungen, Krankheit u. dergl., die auch in Amerika und vor allen auf Kamtschatka und den Aleuten wirkten, muss hier auf das gleichfalls schon erwähnte lange Säugen hingewiesen werden, welches der Fruchtbarkeit Abbruch thut, ferner und ganz besonders auf die meist überaus elende Stellung der Weiber, auf die Noth, die ewigen Mühsale, unter denen sie ihr Leben hinbringen müssen. Dann heirathen viele Völker nur im eigenen Stamm und man kann wohl sagen, da bei vielen kleineren Völkern Stamm und Familie so ziemlich zusammenfällt, in derselben Familie; dass aber auch hierdurch eine Verminderung der Fruchtbarkeit eintritt, ist bekannt genug. So z. B. die Botokuden; daher Tschudi (2, 284) in diesem Umstand einen Hauptgrund für die Unfruchtbarkeit ihrer Ehen sieht. Auch bei den Bewohnern von Darien zeigten sich die schädlichen Folgen solcher Heirathen (Waitz 4, 351).
Der allzufrühe Coitus, den Dieffenbach 2, 15 für die Unfruchtbarkeit der Neuseeländerinnen als einen Hauptgrund anführt, ist wichtig für viele Völker, da er bei vielen, wie wir sehen, vorkommt. Obwohl nun Humboldt (b, 2, 190), nach dem Zeugniss der amerikanischen Ordensgeistlichen am Orinoko, darin keine Gefahr für die
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