Ob gleich die Sprache reich an Characteurs, so leider sie dennoch grossen Mangel an Wörtern. Z. E. Deus hat kein Nomen proprium, sondern wird periphrastice (umschrieben) exprimiret, Tieu chui, i. e. Coeli Dominus oder Tachu, magnus Do- minus. Denn die Sprache hat kaum 1500. Vo- cabula, und dieselben sind Monosyllaba (ob gleich zwey oder dreysylbigte Wörter zu seyn scheinen, so sind selbige doch zusammen gesetzt) und endigen sich in einem Vocalem oder in m und n (manchmahl auch ng) niemahls aber anders. Daher denn die Homonymia (vielfältige Bedeutung der Wörter) in der Sprache sehr starck vorhanden, dergestalt daß manchmahl ein Wort wohl 20 bis 30 diverse Signi- ficationes in sich enthält und andeutet, welche manch- mahl durch die Characteurs und Aussprache distin- guiret werden. Denn die Sineser erheben bald die Stimme im Reden, bald aber lassen sie solche wie- der fallen, und scheinet gleichsam als wenn sie singen. Weil nun sothane Pronunciation denen Redenden nöthig ist, so hat P. Jacobus Pautoja 5. Merckmahle, so in der Music bekannt sind, ut, re, mi, fa, sol, erdacht, welche er Sinesische Accente nennet, mit welchem er die Stimme, und wie der Klang gege- ben werden müsse anzeigt, welches Kircherus Chin. Illustr. p. 236. referiret. Ubrigens kan kein sonder- licher Nutzen von dieser Sprache erlangt werden, wenn man nicht den Umgang dasiges Ortes mit ih- nen hat.
Anmer-
Von der Sineſiſchen Sprache.
Ob gleich die Sprache reich an Characteurs, ſo leider ſie dennoch groſſen Mangel an Woͤrtern. Z. E. Deus hat kein Nomen proprium, ſondern wird periphraſtice (umſchrieben) exprimiret, Tieú chuí, i. e. Cœli Dominus oder Tàchù, magnus Do- minus. Denn die Sprache hat kaum 1500. Vo- cabula, und dieſelben ſind Monoſyllaba (ob gleich zwey oder dreyſylbigte Woͤrter zu ſeyn ſcheinen, ſo ſind ſelbige doch zuſammen geſetzt) und endigen ſich in einem Vocalem oder in m und n (manchmahl auch ng) niemahls aber anders. Daher denn die Homonymia (vielfaͤltige Bedeutung der Woͤrter) in der Sprache ſehr ſtarck vorhanden, dergeſtalt daß manchmahl ein Wort wohl 20 bis 30 diverſe Signi- ficationes in ſich enthaͤlt und andeutet, welche manch- mahl durch die Characteurs und Ausſprache diſtin- guiret werden. Denn die Sineſer erheben bald die Stimme im Reden, bald aber laſſen ſie ſolche wie- der fallen, und ſcheinet gleichſam als wenn ſie ſingen. Weil nun ſothane Pronunciation denen Redenden noͤthig iſt, ſo hat P. Jacobus Pautoja 5. Merckmahle, ſo in der Muſic bekannt ſind, ut, re, mi, fa, ſol, erdacht, welche er Sineſiſche Accente nennet, mit welchem er die Stimme, und wie der Klang gege- ben werden muͤſſe anzeigt, welches Kircherus Chin. Illuſtr. p. 236. referiret. Ubrigens kan kein ſonder- licher Nutzen von dieſer Sprache erlangt werden, wenn man nicht den Umgang daſiges Ortes mit ih- nen hat.
Anmer-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0277"n="52"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Sineſiſchen Sprache.</hi></fw><lb/><p>Ob gleich die Sprache reich an <hirendition="#aq">Characteurs,</hi>ſo<lb/>
leider ſie dennoch groſſen Mangel an Woͤrtern.<lb/>
Z. E. <hirendition="#aq">Deus</hi> hat kein <hirendition="#aq">Nomen proprium,</hi>ſondern wird<lb/><hirendition="#aq">periphraſtice</hi> (umſchrieben) <hirendition="#aq">exprimi</hi>ret, <hirendition="#aq">Tieú<lb/>
chuí, i. e. Cœli Dominus</hi> oder <hirendition="#aq">Tàchù, magnus Do-<lb/>
minus.</hi> Denn die Sprache hat kaum 1500. <hirendition="#aq">Vo-<lb/>
cabula,</hi> und dieſelben ſind <hirendition="#aq">Monoſyllaba</hi> (ob gleich<lb/>
zwey oder dreyſylbigte Woͤrter zu ſeyn ſcheinen, ſo<lb/>ſind ſelbige doch zuſammen geſetzt) und endigen ſich<lb/>
in einem <hirendition="#aq">Vocalem</hi> oder in <hirendition="#aq">m</hi> und <hirendition="#aq">n</hi> (manchmahl<lb/>
auch <hirendition="#aq">ng</hi>) niemahls aber anders. Daher denn die<lb/><hirendition="#aq">Homonymia</hi> (vielfaͤltige Bedeutung der Woͤrter)<lb/>
in der Sprache ſehr ſtarck vorhanden, dergeſtalt daß<lb/>
manchmahl ein Wort wohl 20 bis 30 <hirendition="#aq">diverſe Signi-<lb/>
ficationes</hi> in ſich enthaͤlt und andeutet, welche manch-<lb/>
mahl durch die <hirendition="#aq">Characteurs</hi> und Ausſprache <hirendition="#aq">diſtin-<lb/>
gui</hi>ret werden. Denn die Sineſer erheben bald die<lb/>
Stimme im Reden, bald aber laſſen ſie ſolche wie-<lb/>
der fallen, und ſcheinet gleichſam als wenn ſie ſingen.<lb/>
Weil nun ſothane <hirendition="#aq">Pronunciation</hi> denen Redenden<lb/>
noͤthig iſt, ſo hat <hirendition="#aq">P. Jacobus Pautoja</hi> 5. Merckmahle,<lb/>ſo in der <hirendition="#aq">Muſic</hi> bekannt ſind, <hirendition="#aq">ut, re, mi, fa, ſol,</hi><lb/>
erdacht, welche er Sineſiſche <hirendition="#aq">Accente</hi> nennet, mit<lb/>
welchem er die Stimme, und wie der Klang gege-<lb/>
ben werden muͤſſe anzeigt, welches <hirendition="#aq">Kircherus Chin.<lb/>
Illuſtr. p. 236. refer</hi>iret. Ubrigens kan kein ſonder-<lb/>
licher Nutzen von dieſer Sprache erlangt werden,<lb/>
wenn man nicht den Umgang daſiges Ortes mit ih-<lb/>
nen hat.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Anmer-</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[52/0277]
Von der Sineſiſchen Sprache.
Ob gleich die Sprache reich an Characteurs, ſo
leider ſie dennoch groſſen Mangel an Woͤrtern.
Z. E. Deus hat kein Nomen proprium, ſondern wird
periphraſtice (umſchrieben) exprimiret, Tieú
chuí, i. e. Cœli Dominus oder Tàchù, magnus Do-
minus. Denn die Sprache hat kaum 1500. Vo-
cabula, und dieſelben ſind Monoſyllaba (ob gleich
zwey oder dreyſylbigte Woͤrter zu ſeyn ſcheinen, ſo
ſind ſelbige doch zuſammen geſetzt) und endigen ſich
in einem Vocalem oder in m und n (manchmahl
auch ng) niemahls aber anders. Daher denn die
Homonymia (vielfaͤltige Bedeutung der Woͤrter)
in der Sprache ſehr ſtarck vorhanden, dergeſtalt daß
manchmahl ein Wort wohl 20 bis 30 diverſe Signi-
ficationes in ſich enthaͤlt und andeutet, welche manch-
mahl durch die Characteurs und Ausſprache diſtin-
guiret werden. Denn die Sineſer erheben bald die
Stimme im Reden, bald aber laſſen ſie ſolche wie-
der fallen, und ſcheinet gleichſam als wenn ſie ſingen.
Weil nun ſothane Pronunciation denen Redenden
noͤthig iſt, ſo hat P. Jacobus Pautoja 5. Merckmahle,
ſo in der Muſic bekannt ſind, ut, re, mi, fa, ſol,
erdacht, welche er Sineſiſche Accente nennet, mit
welchem er die Stimme, und wie der Klang gege-
ben werden muͤſſe anzeigt, welches Kircherus Chin.
Illuſtr. p. 236. referiret. Ubrigens kan kein ſonder-
licher Nutzen von dieſer Sprache erlangt werden,
wenn man nicht den Umgang daſiges Ortes mit ih-
nen hat.
Anmer-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst01_1740/277>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.