[Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740.Von der Rechtschreibung. sere Art an ihnen rächen, als durch den Ubelstand, denmeine Abwesenheit in ihrer Schrift verursachet. So hat sich Achilles vormals an dem Agamemnon auch ge- rochen. Jn der Mitte aber soll mich die Verwirrung rechtfertigen, die in gewissen Wörtern entstehen wird, wenn man mich wird meiden wollen: denn wie will man freyen und freuen, meynen und meinen von ei- nander unterscheiden, wenn man meine Hülfe nicht brauchet? Genug für mich allein geredet, Gnädige Richterinnen. Eure Gerechtigkeit verspricht mir allen möglichen Beystand: Daher setze ich kein Wort mehr hinzu euren Urtheilspruch zu erbitten. Sobald diese Kläger ihre Beschwerden angeführ- Jn diesem Eifer erhitzte sie sich dergestalt über die alles
Von der Rechtſchreibung. ſere Art an ihnen raͤchen, als durch den Ubelſtand, denmeine Abweſenheit in ihrer Schrift verurſachet. So hat ſich Achilles vormals an dem Agamemnon auch ge- rochen. Jn der Mitte aber ſoll mich die Verwirrung rechtfertigen, die in gewiſſen Woͤrtern entſtehen wird, wenn man mich wird meiden wollen: denn wie will man freyen und freuen, meynen und meinen von ei- nander unterſcheiden, wenn man meine Huͤlfe nicht brauchet? Genug fuͤr mich allein geredet, Gnaͤdige Richterinnen. Eure Gerechtigkeit verſpricht mir allen moͤglichen Beyſtand: Daher ſetze ich kein Wort mehr hinzu euren Urtheilſpruch zu erbitten. Sobald dieſe Klaͤger ihre Beſchwerden angefuͤhr- Jn dieſem Eifer erhitzte ſie ſich dergeſtalt uͤber die alles
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Von der Rechtſchreibung.
ſere Art an ihnen raͤchen, als durch den Ubelſtand, den
meine Abweſenheit in ihrer Schrift verurſachet. So
hat ſich Achilles vormals an dem Agamemnon auch ge-
rochen. Jn der Mitte aber ſoll mich die Verwirrung
rechtfertigen, die in gewiſſen Woͤrtern entſtehen wird,
wenn man mich wird meiden wollen: denn wie will
man freyen und freuen, meynen und meinen von ei-
nander unterſcheiden, wenn man meine Huͤlfe nicht
brauchet? Genug fuͤr mich allein geredet, Gnaͤdige
Richterinnen. Eure Gerechtigkeit verſpricht mir allen
moͤglichen Beyſtand: Daher ſetze ich kein Wort mehr
hinzu euren Urtheilſpruch zu erbitten.
Sobald dieſe Klaͤger ihre Beſchwerden angefuͤhr-
ter maſſen aufs Kuͤrzeſte vorgebracht hatten, muſten ſie
ſamt ihren Clienten einen Abtritt nehmen; Die Rich-
terinnen aber unterredeten ſich mit einander, und ſuch-
ten ſich wegen des Urtheils zu vereinigen. Die Ge-
wohnheit, als die juͤngſte der Beyſitzerinnen fieng zu
erſt an, ihr Gutachten zu eroͤfnen; und erklaͤrte ſich
ſchlechterdings vor die Klaͤger. Sie bezeugte es ſehr
freymuͤthig, was vor eine Feindin aller Neuerungen ſie
waͤre. Sie geſtund ihre groſſe Ehrerbietung vor das
graue Alterthum, und wollte durchaus nicht wiſſen, wie
man ſchreiben ſollte oder muͤßte; ſondern wie man von
undenklichen Zeiten her geſchrieben haͤtte.
Jn dieſem Eifer erhitzte ſie ſich dergeſtalt uͤber die
Sprachlehrer der Deutſchen, als Schotteln, den Spa-
ten, Boͤdickern, Heraͤum u. a. m. daß ſie dieſelben alle
mit einander vor Gruͤbler, Buchſtaͤbler, Grillenfaͤnger,
ja mit einem Worte, vor Zeſianer ſchalt. Keinen em-
pfindlichern Schimpf wuſte ſie wieder dieſe Leute aus-
zuſinnen; bis ihr Chriſtian Weiſens Comoͤdie von der
Tannzapfen-Geſellſchaft einfiel. Jn dieſe wollte ſie
alles
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