[Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740.Von der Rechtschreibung. alles dasjenige verbannen, was sich nur einen Buchsta-ben in der gewöhnlichen Rechtschreibung zu ändern ie- mals unterstanden hatte. Ja sie erklärte sich endlich, daß sie lieber mit dem grossen Haufen fehlen; als mit wenigen Sprachverständigen recht schreiben wollte. Eine so heftige Rede brachte die Sprachkunst Auf einen so hitzigen Anfang würde eine noch hitzi- Man muß also die Mittelstrasse in Verbesserung die
Von der Rechtſchreibung. alles dasjenige verbannen, was ſich nur einen Buchſta-ben in der gewoͤhnlichen Rechtſchreibung zu aͤndern ie- mals unterſtanden hatte. Ja ſie erklaͤrte ſich endlich, daß ſie lieber mit dem groſſen Haufen fehlen; als mit wenigen Sprachverſtaͤndigen recht ſchreiben wollte. Eine ſo heftige Rede brachte die Sprachkunſt Auf einen ſo hitzigen Anfang wuͤrde eine noch hitzi- Man muß alſo die Mittelſtraſſe in Verbeſſerung die
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Von der Rechtſchreibung.
alles dasjenige verbannen, was ſich nur einen Buchſta-
ben in der gewoͤhnlichen Rechtſchreibung zu aͤndern ie-
mals unterſtanden hatte. Ja ſie erklaͤrte ſich endlich,
daß ſie lieber mit dem groſſen Haufen fehlen; als mit
wenigen Sprachverſtaͤndigen recht ſchreiben wollte.
Eine ſo heftige Rede brachte die Sprachkunſt
ſehr in Harniſch. Was? ſagte ſie, ſoll das alte Her-
kommen in der Deutſchen Sprache ſo viel gelten: So
hat mich Germanien aus Jrrthum zur Freundin er-
wehlet; ſo habe ich mich die Zeit her vergebens bemuͤ-
het, die innere Natur und Art ihrer Mundart zu er-
gruͤnden; ſo wird nur der unwiſſende Poͤbel uͤber die
Zungen und Federn der Klugen und Gelehrten herr-
ſchen muͤſſen. Das wird aber Germanien nicht lei-
den, das werde auch ich nimmermehr zugeben!
Auf einen ſo hitzigen Anfang wuͤrde eine noch hitzi-
gere Fortſetzung erfolget ſeyn; wenn nicht die Ver-
nunft mit einer beſcheidenen Mine, die erzuͤrnte
Sprachkunſt angeſehen, und durch eine gelinde Vor-
ſtellung gebeten haͤtte, die Sache etwas genauer zu er-
wegen. Es iſt freylich etwas zu viel gefordert, ſprach
ſie, wenn unſre Gehuͤlfin, die Gewohnheit, durchge-
hends auf ihr altes Herkommen dringet. Das Alter-
thum iſt zwar allerdings ehrwuͤrdig; Allein von Feh-
lern iſt es wohl in der That niemals frey geweſen; am
allerwenigſten in der Sprache.
Man muß alſo die Mittelſtraſſe in Verbeſſerung
derſelben gehen. Die Gewohnheit iſt freylich ſehr an-
ſehnlich, wenn ſie allgemein iſt. Wer will ſich wohl ei-
ner ganzen Nation wiederſetzen? Allein die Sprach-
kunſt iſt nicht gar aus den Augen zu laſſen, wenn ſie gute
Gruͤnde anfuͤhren kan, eine von zweyerley Schreibar-
ten der andern vorzuziehen. Laßt uns alſo ſtuͤckweiſe
die
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