Sache schlimm gemacht hat, und daß ein unordent- licher und verworrener Vortrag mit genauer Noth hat können verstanden werden. Wer vorhero sei- ne Sachen wohl überleget hat, der wird hernach auch bescheiden, ordentlich und deutlich reden können.
Vortritt, ist die Ehrenstelle, so im Gehen, oder Sitzen ei- nem vor dem andern gebühret, dergleichen gehöret na- türlicher Weise, und ursprünglich dem Alter, welches GOtt zu ehren selbst befohlen hat. Den Alten hat man den Vorzug bey allen Zusammenkünfften gege- ben, und ihre Meynung vornehmlich gelten lassen in Berathschlagungen; der andere Grund ist der Ver- stand, dahero die Gradus, oder Ehrenstufen, unter den Gelehrten entstanden, und die so in dem gemeinen Wesen, im geist- oder weltlichen Stande die wichtig- sten Aemter versehen, wegen ihrer Geschicklichkeit an- dern vorgehen. Ob die blosse Macht, oder Reich- thum, einen Vorzug verdienet ist zweifelhaft, doch in so weit zuläßig, wenn die reichsten einer Stadt zu dessen Erhaltung das meiste beytragen. Die Wohlgefälligkeit macht auch einen Grund des Vorzugs, die Vermittelung kan geschehen, daß einer um den andern die Vorstelle habe, welches unter den Ständen des Reichs eingeführet, vide J. C. Becmanni Diss. de praecedentia.
Votiren, heist in einer Versammlung, oder Gesellschaft, seine Meynung sagen. Derjenige, so den Vorsitz hat, fordert die Stimmen auf, nimmt eine nach der andern an, und machet alsdenn den Schluß nach den meisten Stimmen. Ob das Votiren von oben, oder von unten, anfangen soll, ist noch nicht gewiß ausgemacht. Dahero es auf die eingeführte Ge- wohnheit ankommt. Vor die erste Art schützt man
sich
Vortritt, Votiren.
Sache ſchlimm gemacht hat, und daß ein unordent- licher und verworrener Vortrag mit genauer Noth hat koͤnnen verſtanden werden. Wer vorhero ſei- ne Sachen wohl uͤberleget hat, der wird hernach auch beſcheiden, ordentlich und deutlich reden koͤnnen.
Vortritt, iſt die Ehrenſtelle, ſo im Gehen, oder Sitzen ei- nem vor dem andern gebuͤhret, dergleichen gehoͤret na- tuͤrlicher Weiſe, und urſpruͤnglich dem Alter, welches GOtt zu ehren ſelbſt befohlen hat. Den Alten hat man den Vorzug bey allen Zuſammenkuͤnfften gege- ben, und ihre Meynung vornehmlich gelten laſſen in Berathſchlagungen; der andere Grund iſt der Ver- ſtand, dahero die Gradus, oder Ehrenſtufen, unter den Gelehrten entſtanden, und die ſo in dem gemeinen Weſen, im geiſt- oder weltlichen Stande die wichtig- ſten Aemter verſehen, wegen ihrer Geſchicklichkeit an- dern vorgehen. Ob die bloſſe Macht, oder Reich- thum, einen Vorzug verdienet iſt zweifelhaft, doch in ſo weit zulaͤßig, wenn die reichſten einer Stadt zu deſſen Erhaltung das meiſte beytragen. Die Wohlgefaͤlligkeit macht auch einen Grund des Vorzugs, die Vermittelung kan geſchehen, daß einer um den andern die Vorſtelle habe, welches unter den Staͤnden des Reichs eingefuͤhret, vide J. C. Becmanni Diſſ. de præcedentia.
Votiren, heiſt in einer Verſammlung, oder Geſellſchaft, ſeine Meynung ſagen. Derjenige, ſo den Vorſitz hat, fordert die Stimmen auf, nimmt eine nach der andern an, und machet alsdenn den Schluß nach den meiſten Stimmen. Ob das Votiren von oben, oder von unten, anfangen ſoll, iſt noch nicht gewiß ausgemacht. Dahero es auf die eingefuͤhrte Ge- wohnheit ankommt. Vor die erſte Art ſchuͤtzt man
ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0506"n="237"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vortritt, Votiren.</hi></fw><lb/>
Sache ſchlimm gemacht hat, und daß ein unordent-<lb/>
licher und verworrener Vortrag mit genauer Noth<lb/>
hat koͤnnen verſtanden werden. Wer vorhero ſei-<lb/>
ne Sachen wohl uͤberleget hat, der wird hernach<lb/>
auch beſcheiden, ordentlich und deutlich reden koͤnnen.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Vortritt,</hi> iſt die Ehrenſtelle, ſo im Gehen, oder Sitzen ei-<lb/>
nem vor dem andern gebuͤhret, dergleichen gehoͤret na-<lb/>
tuͤrlicher Weiſe, und urſpruͤnglich dem Alter, welches<lb/>
GOtt zu ehren ſelbſt befohlen hat. Den <hirendition="#fr">Alten</hi> hat<lb/>
man den Vorzug bey allen Zuſammenkuͤnfften gege-<lb/>
ben, und ihre Meynung vornehmlich gelten laſſen in<lb/>
Berathſchlagungen; der andere Grund iſt der <hirendition="#fr">Ver-<lb/>ſtand,</hi> dahero die <hirendition="#aq">Gradus,</hi> oder Ehrenſtufen, unter den<lb/>
Gelehrten entſtanden, und die ſo in dem gemeinen<lb/>
Weſen, im geiſt- oder weltlichen Stande die wichtig-<lb/>ſten Aemter verſehen, wegen ihrer Geſchicklichkeit an-<lb/>
dern vorgehen. Ob die bloſſe <hirendition="#fr">Macht,</hi> oder <hirendition="#fr">Reich-<lb/>
thum,</hi> einen Vorzug verdienet iſt zweifelhaft, doch<lb/>
in ſo weit zulaͤßig, wenn die reichſten einer Stadt zu<lb/>
deſſen Erhaltung das meiſte beytragen. Die<lb/><hirendition="#fr">Wohlgefaͤlligkeit</hi> macht auch einen Grund des<lb/>
Vorzugs, die Vermittelung kan geſchehen, daß<lb/>
einer um den andern die Vorſtelle habe, welches<lb/>
unter den Staͤnden des Reichs eingefuͤhret, <hirendition="#aq">vide<lb/>
J. C. Becmanni Diſſ. de præcedentia.</hi></p><lb/><p><hirendition="#fr">Votiren,</hi> heiſt in einer Verſammlung, oder Geſellſchaft,<lb/>ſeine Meynung ſagen. Derjenige, ſo den Vorſitz<lb/>
hat, fordert die Stimmen auf, nimmt eine nach der<lb/>
andern an, und machet alsdenn den Schluß nach den<lb/>
meiſten Stimmen. Ob das Votiren von oben,<lb/>
oder von unten, anfangen ſoll, iſt noch nicht gewiß<lb/>
ausgemacht. Dahero es auf die eingefuͤhrte Ge-<lb/>
wohnheit ankommt. Vor die erſte Art ſchuͤtzt man<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[237/0506]
Vortritt, Votiren.
Sache ſchlimm gemacht hat, und daß ein unordent-
licher und verworrener Vortrag mit genauer Noth
hat koͤnnen verſtanden werden. Wer vorhero ſei-
ne Sachen wohl uͤberleget hat, der wird hernach
auch beſcheiden, ordentlich und deutlich reden koͤnnen.
Vortritt, iſt die Ehrenſtelle, ſo im Gehen, oder Sitzen ei-
nem vor dem andern gebuͤhret, dergleichen gehoͤret na-
tuͤrlicher Weiſe, und urſpruͤnglich dem Alter, welches
GOtt zu ehren ſelbſt befohlen hat. Den Alten hat
man den Vorzug bey allen Zuſammenkuͤnfften gege-
ben, und ihre Meynung vornehmlich gelten laſſen in
Berathſchlagungen; der andere Grund iſt der Ver-
ſtand, dahero die Gradus, oder Ehrenſtufen, unter den
Gelehrten entſtanden, und die ſo in dem gemeinen
Weſen, im geiſt- oder weltlichen Stande die wichtig-
ſten Aemter verſehen, wegen ihrer Geſchicklichkeit an-
dern vorgehen. Ob die bloſſe Macht, oder Reich-
thum, einen Vorzug verdienet iſt zweifelhaft, doch
in ſo weit zulaͤßig, wenn die reichſten einer Stadt zu
deſſen Erhaltung das meiſte beytragen. Die
Wohlgefaͤlligkeit macht auch einen Grund des
Vorzugs, die Vermittelung kan geſchehen, daß
einer um den andern die Vorſtelle habe, welches
unter den Staͤnden des Reichs eingefuͤhret, vide
J. C. Becmanni Diſſ. de præcedentia.
Votiren, heiſt in einer Verſammlung, oder Geſellſchaft,
ſeine Meynung ſagen. Derjenige, ſo den Vorſitz
hat, fordert die Stimmen auf, nimmt eine nach der
andern an, und machet alsdenn den Schluß nach den
meiſten Stimmen. Ob das Votiren von oben,
oder von unten, anfangen ſoll, iſt noch nicht gewiß
ausgemacht. Dahero es auf die eingefuͤhrte Ge-
wohnheit ankommt. Vor die erſte Art ſchuͤtzt man
ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Gessner, Christian Friedrich]: Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 1. Leipzig, 1740, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst01_1740/506>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.