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[Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740.

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Cap. 2. Von Erfindung
wandten Mühe dennoch mit einer Vermuthung vor-
lieb nehmen muß.

Diejenigen, so alles, was auf Erden vorgehet,
an Himmel zu finden pflegen, haben auch ein Alpha-
bet daran gefunden, welches einigermassen mit dem
Hebräischen eine Gleichheit hat. Man nennet es auch
Alphabetum coeleste. Wenn ich aber die Wahrheit
bekennen soll, so finde ich gar wenig aehnliches an die-
sen Figuren, welches Buchstaben gleich siehet. Es
gehört ungemein viel Einbildungskraft darzu, die ich
bey mir nicht mercke Hat jemand dieselbige, so will
ich ihm solche gerne gönnen, mir aber die Freyheit
ausbitten, daß ich zur Zeit nichts davon glaube. Wenn
ich mich aber um die Ursache bekümmere, warum man
doch ein Alphabet an Himmel gesuchet und gefunden
habe? So will man insgemein dadurch das Alter-
thum, und Vortreflichkeit der Buchstaben daraus
erzwingen. Alleine worzu dient dieser Unrath? Man
hat ja triftigere Gründe, als diese. Das heißt eine
gute Sache durch schlechte Gründe bös vertheidigen.

Nicht besser ist die Meynung dererjenigen, welche
uns ein Alphabetum Angelicum vor Augen geleget
haben. Man kan selbiges sowohl, als das erstere auf
unserer Tab. XXI. sehen. Diese Alphabete haben eine
zimliche Gleichheit. Es ist nur Schade, daß beyde
erdichtet sind. Denn so lange man mir von einem
Engel kein geschriebenes Buch zeigen kan, so lange halte
ich alles, was man erzehlt, vor Fabeln. Denn da-
mit bin ich noch nicht zufrieden, wenn man mit dem
unüberwindlichen Beweiß aufgezogen kommt: Man
sagt; Manschreibt
etc. Dieses Man ist bey vernünf-
tigen Leuten Niemand.

Hört man einige andere Juden, so kommen sie bey

nahe

Cap. 2. Von Erfindung
wandten Muͤhe dennoch mit einer Vermuthung vor-
lieb nehmen muß.

Diejenigen, ſo alles, was auf Erden vorgehet,
an Himmel zu finden pflegen, haben auch ein Alpha-
bet daran gefunden, welches einigermaſſen mit dem
Hebraͤiſchen eine Gleichheit hat. Man nennet es auch
Alphabetum cœleſte. Wenn ich aber die Wahrheit
bekennen ſoll, ſo finde ich gar wenig aehnliches an die-
ſen Figuren, welches Buchſtaben gleich ſiehet. Es
gehoͤrt ungemein viel Einbildungskraft darzu, die ich
bey mir nicht mercke Hat jemand dieſelbige, ſo will
ich ihm ſolche gerne goͤnnen, mir aber die Freyheit
ausbitten, daß ich zur Zeit nichts davon glaube. Wenn
ich mich aber um die Urſache bekuͤmmere, warum man
doch ein Alphabet an Himmel geſuchet und gefunden
habe? So will man insgemein dadurch das Alter-
thum, und Vortreflichkeit der Buchſtaben daraus
erzwingen. Alleine worzu dient dieſer Unrath? Man
hat ja triftigere Gruͤnde, als dieſe. Das heißt eine
gute Sache durch ſchlechte Gruͤnde boͤs vertheidigen.

Nicht beſſer iſt die Meynung dererjenigen, welche
uns ein Alphabetum Angelicum vor Augen geleget
haben. Man kan ſelbiges ſowohl, als das erſtere auf
unſerer Tab. XXI. ſehen. Dieſe Alphabete haben eine
zimliche Gleichheit. Es iſt nur Schade, daß beyde
erdichtet ſind. Denn ſo lange man mir von einem
Engel kein geſchriebenes Buch zeigen kan, ſo lange halte
ich alles, was man erzehlt, vor Fabeln. Denn da-
mit bin ich noch nicht zufrieden, wenn man mit dem
unuͤberwindlichen Beweiß aufgezogen kommt: Man
ſagt; Manſchreibt
ꝛc. Dieſes Man iſt bey vernuͤnf-
tigen Leuten Niemand.

Hoͤrt man einige andere Juden, ſo kommen ſie bey

nahe
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[152/0226] Cap. 2. Von Erfindung wandten Muͤhe dennoch mit einer Vermuthung vor- lieb nehmen muß. Diejenigen, ſo alles, was auf Erden vorgehet, an Himmel zu finden pflegen, haben auch ein Alpha- bet daran gefunden, welches einigermaſſen mit dem Hebraͤiſchen eine Gleichheit hat. Man nennet es auch Alphabetum cœleſte. Wenn ich aber die Wahrheit bekennen ſoll, ſo finde ich gar wenig aehnliches an die- ſen Figuren, welches Buchſtaben gleich ſiehet. Es gehoͤrt ungemein viel Einbildungskraft darzu, die ich bey mir nicht mercke Hat jemand dieſelbige, ſo will ich ihm ſolche gerne goͤnnen, mir aber die Freyheit ausbitten, daß ich zur Zeit nichts davon glaube. Wenn ich mich aber um die Urſache bekuͤmmere, warum man doch ein Alphabet an Himmel geſuchet und gefunden habe? So will man insgemein dadurch das Alter- thum, und Vortreflichkeit der Buchſtaben daraus erzwingen. Alleine worzu dient dieſer Unrath? Man hat ja triftigere Gruͤnde, als dieſe. Das heißt eine gute Sache durch ſchlechte Gruͤnde boͤs vertheidigen. Nicht beſſer iſt die Meynung dererjenigen, welche uns ein Alphabetum Angelicum vor Augen geleget haben. Man kan ſelbiges ſowohl, als das erſtere auf unſerer Tab. XXI. ſehen. Dieſe Alphabete haben eine zimliche Gleichheit. Es iſt nur Schade, daß beyde erdichtet ſind. Denn ſo lange man mir von einem Engel kein geſchriebenes Buch zeigen kan, ſo lange halte ich alles, was man erzehlt, vor Fabeln. Denn da- mit bin ich noch nicht zufrieden, wenn man mit dem unuͤberwindlichen Beweiß aufgezogen kommt: Man ſagt; Manſchreibt ꝛc. Dieſes Man iſt bey vernuͤnf- tigen Leuten Niemand. Hoͤrt man einige andere Juden, ſo kommen ſie bey nahe

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Zitationshilfe: [Gessner, Christian Friedrich]: Der so nöthig als nützlichen Buchdruckerkunst und Schriftgießerey. Bd. 2. Leipzig, 1740, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_buchdruckerkunst02_1740/226>, abgerufen am 21.11.2024.