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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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ten und der Empfindungen am besten ausge-
drükt, und das Ländliche und die schönste
Einfalt der Natur; er ist mit dieser bis auf
die kleinsten Umstände bekannt gewesen; wir
sehen in seinen Idyllen mehr als Rosen und
Lilien; Seine Gemählde kommen nicht aus
einer Einbildungs-Kraft, die nur die be-
kanntesten und auch dem Unachtsamen in die
Augen fallenden Gegenstände häuft; sie ha-
ben die angenehme Einfalt der Natur, nach
der sie allemal gezeichnet zu seyn scheinen.
Seinen Hirten hat er den höchsten Grad der
Naivität gegeben, sie reden Empfindungen,
so wie sie ihnen ihr unverdorbenes Herz in
den Mund legt, und aller Schmuk der Poesie
ist aus ihren Geschäften und aus der unge-
künstelten Natur hergenommen. Sie sind
weit von dem Epigrammatischen Witz ent-

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ten und der Empfindungen am beſten ausge-
drükt, und das Ländliche und die ſchönſte
Einfalt der Natur; er iſt mit dieſer bis auf
die kleinſten Umſtände bekannt geweſen; wir
ſehen in ſeinen Idyllen mehr als Roſen und
Lilien; Seine Gemählde kommen nicht aus
einer Einbildungs-Kraft, die nur die be-
kannteſten und auch dem Unachtſamen in die
Augen fallenden Gegenſtände häuft; ſie ha-
ben die angenehme Einfalt der Natur, nach
der ſie allemal gezeichnet zu ſeyn ſcheinen.
Seinen Hirten hat er den höchſten Grad der
Naivität gegeben, ſie reden Empfindungen,
ſo wie ſie ihnen ihr unverdorbenes Herz in
den Mund legt, und aller Schmuk der Poeſie
iſt aus ihren Geſchäften und aus der unge-
künſtelten Natur hergenommen. Sie ſind
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[9/0014] ten und der Empfindungen am beſten ausge- drükt, und das Ländliche und die ſchönſte Einfalt der Natur; er iſt mit dieſer bis auf die kleinſten Umſtände bekannt geweſen; wir ſehen in ſeinen Idyllen mehr als Roſen und Lilien; Seine Gemählde kommen nicht aus einer Einbildungs-Kraft, die nur die be- kannteſten und auch dem Unachtſamen in die Augen fallenden Gegenſtände häuft; ſie ha- ben die angenehme Einfalt der Natur, nach der ſie allemal gezeichnet zu ſeyn ſcheinen. Seinen Hirten hat er den höchſten Grad der Naivität gegeben, ſie reden Empfindungen, ſo wie ſie ihnen ihr unverdorbenes Herz in den Mund legt, und aller Schmuk der Poeſie iſt aus ihren Geſchäften und aus der unge- künſtelten Natur hergenommen. Sie ſind weit von dem Epigrammatiſchen Witz ent- A 5

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/14>, abgerufen am 03.12.2024.