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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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48
Nummer 13
Den 1 Januar: 1741.

Früh um 5 Uhr fuhren wir in einer 4spännigen Carosse nach Versailles,
und dancketen Gott mit Gebet und Gesang vor seine im vergangenen
Jahr uns erwiesene väterliche Vorsorge, empfohlen uns auch derselben,
auf daßelbdas heute angetretene und die übrigen Jahre unsers Lebens.
Weil es starck gefrohren, und wir des noch ausgetretenen Waßers
wegen den bergigten Weg über Moudon nehmen mußen, die
Pferde aber nicht geschärffet waren; so hatten wir gute Gelegenheit
das Jahr mit einer Gedult-Ubung anzufangen, gelangeten iedoch
endlich durch Hülfe eines Bauer-Vorspannes nach 9 Uhr bey Hofe an
und nahmen a la Sale des Ambassadeurs den gewöhnlichen Abtritt, hatten
auch sogleich Gelegenheit, den sehr freundlichen Holländischen Ambassadeur
und andren Ministris das Neue Jahr zu wünschen. Weil
der andere Premier Introducteur, welcher zugleich Secretaire du
Cabinet ist, Monsieur de Vernaül seinen Collegen den Chevaliar
de Sainctot
heute ablösete, so wurden wir an den erstern
durch Monsieur de la Tournelle praesentiret. Er offerirte uns sogleich
Stellen in der Königlichen Capelle anzuweisen, um der Ceremonie
der großen Meße, bey welcher sich der König mit allen Che-
valiers du Sankt Esprit einfindet, bey zuwohnen. Weil aber die
Condition des Niederfallens bey der Elevation damit verknüpft
war, und er sich disfals auf expresse Königliche ordre berief, so
entschuldigten wir uns aufs höflichste, mit vollkommener Appro-
bation des Holländischen Ambassadeurs, und wurden dagegen von ge-
dachtem Monsieur de la Vernaül zum Mittags-Eßen an die bekante
Tafel des Comte de Livey eingeladen. Er erkundigte sich auch bey
uns nach der Souverainite des Schwartzburgischen Hauses, und schien
daran ein und andern Zweifel zu haben, der ihm aber von uns
nach Möglichkeit benommen wurde. Bey dem leve du Roi war
weiter nichts außerordentliches als daß viele Chevaliers du Sankt
Esprit in ihren Ördens-Kleidern, desgleichen der Cardinal in völligem
Cardinals-Habit dabey gegenwärtig waren, auch der Comte de Clair-
mont
, welcher ein prince du Sang ist, dem [unleserliches Material]König das Hembde
reichte, und der Duc de Bouillon, als Grand Chambellan, das
Serviet beym Hände abtrocknen vorhielt. Dieser letztere embrassirte
Illustrissimum, nachdem der König sich mit denen Rittern ins Cabinet
reteriret, auf das allerfreundlichste, praesentirete auch diselben
an seinen 15 jährigen Sohn, den prince de Turenne, welcher di-
selben gleichfals küßen muste. In der großen Gallerie sahen
wir die gantz mit Jubelen bedeckte Königin nebst ihren
Dames, und sodann den König mit 34 Ordens-Rittern, paar bey paar,

48
Nummer 13
Den 1 Januar: 1741.

Früh um 5 Uhr fuhren wir in einer 4spännigen Carosse nach Versailles,
und dancketen Gott mit Gebet und Gesang vor seine im vergangenen
Jahr uns erwiesene väterliche Vorsorge, empfohlen uns auch derselben,
auf daßelbdas heute angetretene und die übrigen Jahre unsers Lebens.
Weil es starck gefrohren, und wir des noch ausgetretenen Waßers
wegen den bergigten Weg über Moudon nehmen mußen, die
Pferde aber nicht geschärffet waren; so hatten wir gute Gelegenheit
das Jahr mit einer Gedult-Ubung anzufangen, gelangeten iedoch
endlich durch Hülfe eines Bauer-Vorspannes nach 9 Uhr bey Hofe an
und nahmen à la Sale des Ambassadeurs den gewöhnlichen Abtritt, hatten
auch sogleich Gelegenheit, den sehr freundlichen Holländischen Ambassadeur
und andren Ministris das Neue Jahr zu wünschen. Weil
der andere Premier Introducteur, welcher zugleich Secretaire du
Cabinet ist, Monsieur de Vernaül seinen Collegen den Chevaliar
de Sainctot
heute ablösete, so wurden wir an den erstern
durch Monsieur de la Tournelle praesentiret. Er offerirte uns sogleich
Stellen in der Königlichen Capelle anzuweisen, um der Ceremonie
der großen Meße, bey welcher sich der König mit allen Che-
valiers du Sankt Esprit einfindet, bey zuwohnen. Weil aber die
Condition des Niederfallens bey der Elevation damit verknüpft
war, und er sich disfals auf expresse Königliche ordre berief, so
entschuldigten wir uns aufs höflichste, mit vollkommener Appro-
bation des Holländischen Ambassadeurs, und wurden dagegen von ge-
dachtem Monsieur de la Vernaül zum Mittags-Eßen an die bekante
Tafel des Comte de Livey eingeladen. Er erkundigte sich auch bey
uns nach der Souverainité des Schwartzburgischen Hauses, und schien
daran ein und andern Zweifel zu haben, der ihm aber von uns
nach Möglichkeit benommen wurde. Bey dem levé du Roi war
weiter nichts außerordentliches als daß viele Chevaliers du Sankt
Esprit in ihren Ørdens-Kleidern, desgleichen der Cardinal in völligem
Cardinals-Habit dabey gegenwärtig waren, auch der Comte de Clair-
mont
, welcher ein prince du Sang ist, dem [unleserliches Material]König das Hembde
reichte, und der Duc de Bouillon, als Grand Chambellan, das
Serviet beym Hände abtrocknen vorhielt. Dieser letztere embrassirte
Illustrissimum, nachdem der König sich mit denen Rittern ins Cabinet
retèriret, auf das allerfreundlichste, praesentirete auch diselben
an seinen 15 jährigen Sohn, den prince de Turenne, welcher di-
selben gleichfals küßen muste. In der großen Gallerie sahen
wir die gantz mit Jubelen bedeckte Königin nebst ihren
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[0106] 48 No 13 Den 1 Januar: 1741. Früh um 5 Uhr fuhren wir in einer 4spännigen Carosse nach Versailles, und dancketen Gott mit Gebet und Gesang vor seine im vergangenen Jahr uns erwiesene väterl: Vorsorge, empfohlen uns auch derselben, auf das heute angetretene und die übrigen Jahre unsers Lebens. Weil es starck gefrohren, und wir des noch ausgetretenen Waßers wegen den bergigten Weg über Moudon nehmen mußen, die Pferde aber nicht geschärffet waren; so hatten wir gute Gelegenheit das Jahr mit einer Gedult-Ubung anzufangen, gelangeten iedoch endl: durch Hülfe eines Bauer-Vorspannes nach 9 Uhr bey Hofe an und nahmen à la Sale des Ambassadeurs den gewöhnl: Abtritt, hatten auch sogleich Gelegenheit, den sehr freundl: Holländl: Ambassadeur und andren Ministris das Neue Jahr zu wünschen. Weil der andere Premier Introducteur, welcher zugleich Secretaire du Cabinet ist, Mr. de Vernaül seinen Collegen den Chevaliar de Sainctot heute ablösete, so wurden wir an den erstern durch Mr: de la Tournelle praesentiret. Er offerirte uns sogleich Stellen in der Königl: Capelle anzuweisen, um der Ceremonie der großen Meße, bey welcher sich der König mit allen Che- valiers du St. Esprit einfindet, bey zuwohnen. Weil aber die Condition des Niederfallens bey der Elevation damit verknüpft war, und er sich disfals auf expresse Königl: ordre berief, so entschuldigten wir uns aufs höflichste, mit vollkommener Appro- bation des Holländl: Ambassadeurs, und wurden dagegen von ge- dachtem Mr. de la Vernaül zum Mittags-Eßen an die bekante Tafel des Comte de Livey eingeladen. Er erkundigte sich auch bey uns nach der Souverainité des Schwartzburgl: Hauses, und schien daran ein und andern Zweifel zu haben, der ihm aber von uns nach Möglichkeit benommen wurde. Bey dem levé du Roi war weiter nichts außerordentl: als daß viele Chevaliers du St: Esprit in ihren Ørdens-Kleidern, desgl: der Cardinal in völligem Cardinals-Habit dabey gegenwärtig waren, auch der Comte de Clair- mont, welcher ein prince du Sang ist, dem König das Hembde reichte, und der Duc de Bouillon, als Grand Chambellan, das Serviet beym Hände abtrocknen vorhielt. Dieser letztere embrassirte Illmum, nachdem der König sich mit denen Rittern ins Cabinet retèriret, auf das allerfreundlichste, praesentirete auch diselben an seinen 15 jährigen Sohn, den prince de Turenne, welcher di- selben gleichfals küßen muste. In der großen Gallerie sahen wir die gantz mit Jubelen bedeckte Königin nebst ihren Dames, und sodann den König mit 34 Ordens-Rittern, paar bey paar,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/106>, abgerufen am 28.11.2024.