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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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christl: Religion betreffe, so könne er in Franckreich eben so gut,
als unter der Direction des Inquisitoris in Maltha, ein Christ
werden. Die Conduite Königs Ludovici Sancti allegirte er auch als
einen Beweiß, daß ein Herr gut catholisch, und dennoch im
Stande seyn könne, seine weltlichen iura gegen den Pabst zu Souteniren.
Sonsten gab der Cardinal ein gutes Exempel der Gelaßenheit
als einer von seinen Domestiquen ihm ein Gefäß mit
Kohlen zu Wärmung der Fuße unter die Tafel setzen solte,
solches aber umschüttete und dadurch wegen der unter der
Tafel ausgebreiteten Stroh-Matte dergestalt einen üblen
Rauch verursachte, daß die gantze Gesellschafg aufstehen
der Tisch fortgerücket und die Matte gelöschet werden muste,
bey welchen allen er kein ungeduldiges Wort von sich vernehmen
ließ. Nach der Tafel gingen wir mit ein ander wider in sein
Cabinet und kamen auf die Conjuncturen der ietzigen Zeit zu
sprechen, da er denn den Ursprung und Fortgang der zwischen denen
Häusern Oesterreich und BFranckreich so lange Zeiten hindurch ge-
wesenen disharmonie auf das allerschönste aus der Historie
deducirete, und sonderlich die particulairen aus dem Cominaeo
beybrachte, daß der Hertzog von Burgund Caroly audax und Ludwig XI
König in Franckreich, als beyde noch Printzen gewesen, und
der letzte sich an den Burgundischen Hof retiriret gehabt, in
einem Bette beysammen geschlafen, sich aber alle Nacht so
zerstoßen und zerzauset, daß der alte Hertzog von Burgund
Philippus
bonus sie von einander betten müßen. Von die-
sen nächtlichen Faust-Collationen sey gröstentheils die perso-
nelle Todt-Feindschaft hergerühret, welche sie nachgehends
gegen einander geheget, und, nachdem sie beyderseits zur
Regierung kommen, gegen einander ausgeübet. Carolus audax
habe diese Feindschaft auf seine Tochter Mariam fortge-
pflantzet, welche denn solche durch ihre Heyrath mit Maximilian
Illustrissimo in das Österreichische Haus transplantiret. Als von denen
ietzigen Preußischen Generals gesprochen wurde, erinnerte er sich
auf dem Congress zu Utrecht die deßauischen Printzen gesehen
zu haben, erzehlete auch von dem ältesten Fürsten, daß derselbe
währendes Spanischen Successions-Krieges in einer Abtey in
Flandern die übrige alliirte Generalitaet einsmals tractiret, und
beym Gesundheit-Trincken, in Mangel der Canonen, mit Pistolen
geschoßen habe. Weil er nun sein Pistol gerade in die Höhe
gehalten und der plafond des Saals gewölbt gewesen, so sey

christl: Religion betreffe, so könne er in Franckreich eben so gut,
als unter der Direction des Inquisitoris in Maltha, ein Christ
werden. Die Conduite Königs Ludovici Sancti allegirte er auch als
einen Beweiß, daß ein Herr gut catholisch, und dennoch im
Stande seyn könne, seine weltlichen iura gegen den Pabst zu Souteniren.
Sonsten gab der Cardinal ein gutes Exempel der Gelaßenheit
als einer von seinen Domestiquen ihm ein Gefäß mit
Kohlen zu Wärmung der Fuße unter die Tafel setzen solte,
solches aber umschüttete und dadurch wegen der unter der
Tafel ausgebreiteten Stroh-Matte dergestalt einen üblen
Rauch verursachte, daß die gantze Gesellschafg aufstehen
der Tisch fortgerücket und die Matte gelöschet werden muste,
bey welchen allen er kein ungeduldiges Wort von sich vernehmen
ließ. Nach der Tafel gingen wir mit ein ander wider in sein
Cabinet und kamen auf die Conjuncturen der ietzigen Zeit zu
sprechen, da er denn den Ursprung und Fortgang der zwischen denen
Häusern Oesterreich und BFranckreich so lange Zeiten hindurch ge-
wesenen disharmonie auf das allerschönste aus der Historie
deducirete, und sonderlich die particulairen aus dem Cominaeo
beybrachte, daß der Hertzog von Burgund Caroly audax und Ludwig XI
König in Franckreich, als beyde noch Printzen gewesen, und
der letzte sich an den Burgundischen Hof retiriret gehabt, in
einem Bette beysammen geschlafen, sich aber alle Nacht so
zerstoßen und zerzauset, daß der alte Hertzog von Burgund
Philippus
bonus sie von einander betten müßen. Von die-
sen nächtlichen Faust-Collationen sey gröstentheils die perso-
nelle Todt-Feindschaft hergerühret, welche sie nachgehends
gegen einander geheget, und, nachdem sie beyderseits zur
Regierung kommen, gegen einander ausgeübet. Carolus audax
habe diese Feindschaft auf seine Tochter Mariam fortge-
pflantzet, welche denn solche durch ihre Heyrath mit Maximilian
Illustrissimo in das Österreichische Haus transplantiret. Als von denen
ietzigen Preußischen Generals gesprochen wurde, erinnerte er sich
auf dem Congress zu Utrecht die deßauischen Printzen gesehen
zu haben, erzehlete auch von dem ältesten Fürsten, daß derselbe
währendes Spanischen Successions-Krieges in einer Abtey in
Flandern die übrige alliirte Generalitaet einsmals tractiret, und
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[0127] christl: Religion betreffe, so könne er in Franckreich eben so gut, als unter der Direction des Inquisitoris in Maltha, ein Christ werden. Die Conduite Königs Ludovici Sancti allegirte er auch als einen Beweiß, daß ein Herr gut catholisch, und dennoch im Stande seyn könne, seine weltlichen iura gegen den Pabst zu Souteniren. Sonsten gab der Cardinal ein gutes Exempel der Gelaßenheit als einer von seinen Domestiquen ihm ein Gefäß mit Kohlen zu Wärmung der Fuße unter die Tafel setzen solte, solches aber umschüttete und dadurch wegen der unter der Tafel ausgebreiteten Stroh-Matte dergestalt einen üblen Rauch verursachte, daß die gantze Gesellschafg aufstehen der Tisch fortgerücket und die Matte gelöschet werden muste, bey welchen allen er kein ungeduldiges Wort von sich vernehmen ließ. Nach der Tafel gingen wir mit ein ander wider in sein Cabinet und kamen auf die Conjuncturen der ietzigen Zeit zu sprechen, da er denn den Ursprung und Fortgang der zwischen denen Häusern Oesterreich und Franckreich so lange Zeiten hindurch ge- wesenen disharmonie auf das allerschönste aus der Historie deducirete, und sonderlich die particulairen aus dem Cominaeo beybrachte, daß der Hertzog von Burgund Caroly audax und Lud. XI König in Franckreich, als beyde noch Printzen gewesen, und der letzte sich an den Burgundischen Hof retiriret gehabt, in einem Bette beysammen geschlafen, sich aber alle Nacht so zerstoßen und zerzauset, daß der alte Hertzog von Burgund Philippus bonus sie von einander betten müßen. Von die- sen nächtlichen Faust-Collationen sey gröstentheils die perso- nelle Todt-Feindschaft hergerühret, welche sie nachgehends gegen einander geheget, und, nachdem sie beyderseits zur Regierung kommen, gegen einander ausgeübet. Carolus audax habe diese Feindschaft auf seine Tochter Mariam fortge- pflantzet, welche denn solche durch ihre Heyrath mit Maximilian Imo in das Oesterreichl: Haus transplantiret. Als von denen ietzigen Preußl. Generals gesprochen wurde, erinnerte er sich auf dem Congress zu Utrecht die deßauischen Printzen gesehen zu haben, erzehlete auch von dem ältes Fürsten, daß derselbe währendes Spanischen Successions-Krieges in einer Abtey in Flandern die übrige alliirte Generalitaet einsmals tractiret, u beym Gesundheit-Trincken, in Mangel der Canonen, mit Pistolen geschoßen habe. Weil er nun sein Pistol gerade in die Höhe gehalten und der plafond des Saals gewölbt gewesen, so sey

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/127>, abgerufen am 26.11.2024.