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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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andre Dienge geleitet wurde. Nach Herr Fritschens Abschiede wurde von
denen Chur-Sächsischen Sentiments in Ansehung des Reußischen Hauses,
und lange, iedoch bis dato vergeblich geführten Absichten, der Marquis
de Montbrun
nothdürftig unterrichtet. Endlich fand sich auch Madame
de la Faye
ein, zu deren Abholung Illustrissimus ihren Wagen gegeben,
welche sehr modest und wohl gesittet zu seyn schienet. Ihr Vater
der Marquis de Saintauban, ist bis datoans Ende noch ein Protestant geblieben, sie
hingegen ist, iedoch viellecht nur äußerlich catholisch. Nachdem von
Familien-Sachen noch manches gesprochen worden, begaben wir
uns bey spätem Abend wider in unser Quartier.

Den 25 Januar

Besuchten wir den Printzen von Schwartzburg, welcher von seiner
gestrigen Praesentation bey Hofe gantz content schiene, weil der
König sowol, als die Königin mit ihm gesprochen. Der Herr von Herten-
berg
brachte folgende Geschichte vom Hofe mit: das hiesige
Parlament habe vor kurtzem der chambre des comptes anbe-
fohlen, zum Behufs der Armen von denen Königlichen Geldern etwas
her zu geben. Ob nun wohl diese letztere die Cassation solches
Befehls bey dem Cardinal ausgewürcket, so habe doch das Parlament
es dahin gebracht, daß solche Cassation wider aufgehoben, und
der Befehl des Parlaments bey Kräften erhalten worden. Als
nun auf diese Widersetzligkeit der chmabre des comptes jemand
überaus beißende Satyrische Verse gemacht, welche hier Calotins
genennet werden, und solche dem Cardinal zu lesen gegeben
worden, habe er dieselben sehr wohl ausgedacht gefunden, sich
aber dabey gewundert, daß man ihn vor seine Person nicht
auch anzäpfe. Die Replic der Anwesenden sey darauf gewe-
sen, der Cardinal verhalte sich iederzeit so, daß Niemand
dazu Veranlaßung finden könne. Noch denselben Abend aber habe
der Cardinal auf seinem Camin einen Zettel gefunden,
auf welchen geschrieben gestanden: point de tete, point
de calotte
. Dieses zu verstehen, ist zu wißen, daß schon vor
geraumer Zeit her das hiesige Ministerium unter dem Nahmen
Regiment de la calotte von Satyrischen Versemachern bey aller
Gelegenheit durchgezogen, diese Benennung aber vermutlich daher
genommen worden, weil der erste Minister geistlichen Standes
gewesen. Folglich will der Autor gedachter Stechel-Worte zu erkennen
geben, der Cardinal habe es dadurch, daß er der chambre des comptes
erst recht= und gleich darauf wider unrecht gegeben, so gar tumm
gemacht, daß er nicht einmal eine Satyre meritire. Ferner gaben

andre Dienge geleitet wurde. Nach Herr Fritschens Abschiede wurde von
denen Chur-Sächsischen Sentiments in Ansehung des Reußischen Hauses,
und lange, iedoch bis dato vergeblich geführten Absichten, der Marquis
de Montbrun
nothdürftig unterrichtet. Endlich fand sich auch Madame
de la Faye
ein, zu deren Abholung Illustrissimus ihren Wagen gegeben,
welche sehr modest und wohl gesittet zu seyn schienet. Ihr Vater
der Marquis de Saintauban, ist bis datoans Ende noch ein Protestant geblieben, sie
hingegen ist, iedoch viellecht nur äußerlich catholisch. Nachdem von
Familien-Sachen noch manches gesprochen worden, begaben wir
uns bey spätem Abend wider in unser Quartier.

Den 25 Januar

Besuchten wir den Printzen von Schwartzburg, welcher von seiner
gestrigen Praesentation bey Hofe gantz content schiene, weil der
König sowol, als die Königin mit ihm gesprochen. Der Herr von Herten-
berg
brachte folgende Geschichte vom Hofe mit: das hiesige
Parlament habe vor kurtzem der chambre des comptes anbe-
fohlen, zum Behufs der Armen von denen Königlichen Geldern etwas
her zu geben. Ob nun wohl diese letztere die Cassation solches
Befehls bey dem Cardinal ausgewürcket, so habe doch das Parlament
es dahin gebracht, daß solche Cassation wider aufgehoben, und
der Befehl des Parlaments bey Kräften erhalten worden. Als
nun auf diese Widersetzligkeit der chmabre des comptes jemand
überaus beißende Satyrische Verse gemacht, welche hier Calotins
genennet werden, und solche dem Cardinal zu lesen gegeben
worden, habe er dieselben sehr wohl ausgedacht gefunden, sich
aber dabey gewundert, daß man ihn vor seine Person nicht
auch anzäpfe. Die Replic der Anwesenden sey darauf gewe-
sen, der Cardinal verhalte sich iederzeit so, daß Niemand
dazu Veranlaßung finden könne. Noch denselben Abend aber habe
der Cardinal auf seinem Camin einen Zettel gefunden,
auf welchen geschrieben gestanden: point de tête, point
de calotte
. Dieses zu verstehen, ist zu wißen, daß schon vor
geraumer Zeit her das hiesige Ministerium unter dem Nahmen
Regiment de la calotte von Satyrischen Versemachern bey aller
Gelegenheit durchgezogen, diese Benennung aber vermutlich daher
genommen worden, weil der erste Minister geistlichen Standes
gewesen. Folglich will der Autor gedachter Stechel-Worte zu erkennen
geben, der Cardinal habe es dadurch, daß er der chambre des comptes
erst recht= und gleich darauf wider unrecht gegeben, so gar tumm
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[0135] andre Dienge geleitet wurde. Nach Hl: Fritschens Abschiede wurde von denen Chur-Sächßl: Sentiments in Ansehung des Reußischen Hauses, und lange, iedoch bis dato vergeblich geführten Absichten der Marquis de Montbrun nothdürftig unterrichtet. Endlich fand sich auch Madame de la Faye ein, zu deren Abholung Illmus ihren Wagen gegeben, welche sehr modest und wohl gesittet zu seyn schienet. Ihr Vater der Marquis de Saintauban, ist bis ans Ende noch ein Protestant geblieben, sie hingegen ist, iedoch viellecht nur äußerlich catholisch. Nachdem von Familien-Sachen noch manches gesprochen worden, begaben wir uns bey spätem Abend wider in unser Quartier. Den 25 Jan: Besuchten wir den Printzen von Schwartzburg, welcher von seiner gestrigen Praesentation bey Hofe gantz content schiene, weil der König sowol, als die Königin mit ihm gesprochen. Der Hl. v. Herten- berg brachte folgende Geschichte vom Hofe mit: das hiesige Parlament habe vor kurtzem der chambre des comptes anbe- fohlen, zum Behufs der Armen von denen Königl: Geldern etwas her zu geben. Ob nun wohl diese letztere die Cassation solches Befehls bey dem Cardinal ausgewürcket, so habe doch das Parlament es dahin gebracht, daß solche Cassation wider aufgehoben, und der Befehl des Parlaments bey Kräften erhalten worden. Als nun auf diese Widersetzligkeit der chmabre des comptes jemand überaus beißende Satyrische Verse gemacht, welche hier Calotins genennet werden, und solche dem Cardinal zu lesen gegeben worden, habe er dieselben sehr wohl ausgedacht gefunden, sich aber dabey gewundert, daß man ihn vor seine Person nicht auch anzäpfe. Die Replic der Anwesenden sey darauf gewe- sen, der Cardinal verhalte sich iederzeit so, daß Niemand dazu Veranlaßung finden könne. Noch denselben Abend aber habe der Cardinal auf seinem Camin einen Zettel gefunden, auf welchen geschrieben gestanden: point de tête, point de calotte. Dieses zu verstehen, ist zu wißen, daß schon vor geraumer Zeit her das hiesige Ministerium unter dem Nahmen Regiment de la calotte von Satyrischen Versemachern bey aller Gelegenheit durchgezogen, diese Benennung aber vermutlich daher genommen worden, weil der erste Minister geistlichen Standes gewesen. Folglich will der Autor gedachter Stechel-Worte zu erkennen geben, der Cardinal habe es dadurch, daß er der chambre des comptes erst recht= und gleich darauf wider unrecht gegeben, so gar tumm gemacht, daß er nicht einmal eine Satyre meritire. Ferner gaben

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/135>, abgerufen am 25.11.2024.