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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nachmittags begaben, war Niemand zu Hause. Doch trafen wir die letztere
nebst dem Comte de Chabot bey der Marquise de Montbrun an, und halfen
über die Ausstattung der an den prince Monaco versprochenen princesses
de Bouillon
mit deliberiren, sonderlich was eine recht vollständige und reichliche
Toilette von Dresdner Porcelan anlangete. Man gab uns bey dieser Gele-
genheit von der hiesigen Landes-Art, die Hochzeiten der gens de qualite be-
treffend, folgende Nachrichten: chaque fille dans ce pais ici doit etre
nipee. Unter die nipes aber gehöret alles das, was man bey uns Aus-
stattung an Kleidung, Wäsche und andern mobilien zu nennen pfleget.
Die nothwendigsten Kleider sind, eins zur Versprechung, das andre zur
Hochzeit, und das Dritte ein deshabille. Das erste pflegt insgemein einen
dunckeln oder gar schwartzen Grund mit goldnen Blumen zu haben, das
andre ist Silber-Stück mit weißen Grunde, und das Dritte von arbi-
trairer Farbe. Die Solenne Versprechung geschiehet mehrentheils nur
ein oder 2 Tage vor der Hochzeit. Die Hochzeit-Gäste versammlen sich
Abends, da denn ein großes Soupe gegeben wird und die gantze
Gesellschaft nach Mitternacht sich in die Kirche zur Meße und Trauung
verfüget. Nach [unleserliches Material]deren Retour in Hochzeit-Haus bezeuget man die neuen
Ehe-Leute so fort zu Bette. Den folgenden Tag kommen die Hochzeit Gäste
a la Toilette der jungen Ehe-Frau welches um 12 oder 1 Uhr geschiehet
und Abends wird die gantze Solennitaet mit einem abermaligen
Soupe beschloßen, bey welchem allen weder Music noch Tantz gewöhnlich
sondern diese Lustbarkeit nur bey Bürger- und Bauer-Hochzeiten einge-
führet ist. Sonsten erzehlete auch die Duchesse de la Tremouille, daß bey dem
hiesigen Ertz-Bischof gestern darüber ein großes Conseil gehalten worden
ob man bey ietziger Theurung in der bevorstehenden Fasten nicht das gras
erlauben solle, da das maigre weit schwerer und theurer zu haben sey
Ohnerachtet man nun bey dieser Berathschlagung nicht zum endlichen Schluß
gekommen, so meinte doch die Marquise de Montbrun qu'on auroit en tout
cas autant de merite de manger gras, que de manger maigre, weil
nehmlich das gras mehr im Magen liege und einen mehr als das maigre
incommodire. Bey Monsieur und Madame de la Faye, wo wir auch noch im Vorbey-
fahren abtraten, und den Bruder der letztern Marquis de Saintauban an-
trafen, hatten wir noch von Reichs- und andern historischen Sachen eine
gantz nützliche Unterredung, und wurden auf nächsten Montag zum
Mittags-Eßen eingeladen. Bey der Rückkunft ins Quartier fanden
wir eine Charte von denen beyden jüngsten Printzen von Darmstadt
welche indeßen zur Visite bey uns gewesen.

Den 28 Januar

Diesen Tag hielten wir uns üblen Wetters wegen zu Hause, und
wurden vom Monsieur de la Faye besuchet, dem denn auf sein Verlangen
die bey uns habende Reußische Müntzen vorgezeiget wurden; dagegen er
uns seine in gantz Teutschland, Holland, Engelland und Ungarn herum-
gethane Reisen umständlich erzehlete, auch von denen Frantzösischen Hei-
rathen, bey welchen man ietziger Zeit mehr auf großes Vermögen statt
auf naissance zu sehen pflege, mancherley particularia
referirete.

Nachmittags begaben, war Niemand zu Hause. Doch trafen wir die letztere
nebst dem Comte de Chabot bey der Marquise de Montbrun an, und halfen
über die Ausstattung der an den prince Monaco versprochenen princesses
de Bouillon
mit deliberiren, sonderlich was eine recht vollständige und reichliche
Toilette von Dresdner Porcelan anlangete. Man gab uns bey dieser Gele-
genheit von der hiesigen Landes-Art, die Hochzeiten der gens de qualité be-
treffend, folgende Nachrichten: chaque fille dans ce pais ici doit être
nipée. Unter die nipes aber gehöret alles das, was man bey uns Aus-
stattung an Kleidung, Wäsche und andern mobilien zu nennen pfleget.
Die nothwendigsten Kleider sind, eins zur Versprechung, das andre zur
Hochzeit, und das Dritte ein deshabillé. Das erste pflegt insgemein einen
dunckeln oder gar schwartzen Grund mit goldnen Blumen zu haben, das
andre ist Silber-Stück mit weißen Grunde, und das Dritte von arbi-
trairer Farbe. Die Solenne Versprechung geschiehet mehrentheils nur
ein oder 2 Tage vor der Hochzeit. Die Hochzeit-Gäste versammlen sich
Abends, da denn ein großes Soupé gegeben wird und die gantze
Gesellschaft nach Mitternacht sich in die Kirche zur Meße und Trauung
verfüget. Nach [unleserliches Material]deren Retour in Hochzeit-Haus bezeuget man die neuen
Ehe-Leute so fort zu Bette. Den folgenden Tag kommen die Hochzeit Gäste
à la Toilette der jungen Ehe-Frau welches um 12 oder 1 Uhr geschiehet
und Abends wird die gantze Solennitaet mit einem abermaligen
Soupé beschloßen, bey welchem allen weder Music noch Tantz gewöhnlich
sondern diese Lustbarkeit nur bey Bürger- und Bauer-Hochzeiten einge-
führet ist. Sonsten erzehlete auch die Duchesse de la Tremouille, daß bey dem
hiesigen Ertz-Bischof gestern darüber ein großes Conseil gehalten worden
ob man bey ietziger Theurung in der bevorstehenden Fasten nicht das gras
erlauben solle, da das maigre weit schwerer und theurer zu haben sey
Ohnerachtet man nun bey dieser Berathschlagung nicht zum endlichen Schluß
gekommen, so meinte doch die Marquise de Montbrun qu’on auroit en tout
cas autant de merite de manger gras, que de manger maigre, weil
nehmlich das gras mehr im Magen liege und einen mehr als das maigre
incommodire. Bey Monsieur und Madame de la Faye, wo wir auch noch im Vorbey-
fahren abtraten, und den Bruder der letztern Marquis de Saintauban an-
trafen, hatten wir noch von Reichs- und andern historischen Sachen eine
gantz nützliche Unterredung, und wurden auf nächsten Montag zum
Mittags-Eßen eingeladen. Bey der Rückkunft ins Quartier fanden
wir eine Charte von denen beyden jüngsten Printzen von Darmstadt
welche indeßen zur Visite bey uns gewesen.

Den 28 Januar

Diesen Tag hielten wir uns üblen Wetters wegen zu Hause, und
wurden vom Monsieur de la Faye besuchet, dem denn auf sein Verlangen
die bey uns habende Reußische Müntzen vorgezeiget wurden; dagegen er
uns seine in gantz Teutschland, Holland, Engelland und Ungarn herum-
gethane Reisen umständlich erzehlete, auch von denen Frantzösischen Hei-
rathen, bey welchen man ietziger Zeit mehr auf großes Vermögen statt
auf naissance zu sehen pflege, mancherley particularia
referirete.

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[0139] Nachmittags begaben, war Niemand zu Hause. Doch trafen wir die letztere nebst dem Comte de Chabot bey der Marquise de Montbrun an, und halfen über die Ausstattung der an den prince Monaco versprochenen princesses de Bouillon mit deliberiren, sonderlich was eine recht vollständige und reichliche Toilette von Dresdner Porcelan anlangete. Man gab uns bey dieser Gele- genheit von der hiesigen Landes-Art, die Hochzeiten der gens de qualité be- treffend, folgende Nachrichten: chaque fille dans ce pais ici doit être nipée. Unter die nipes aber gehöret alles das, was man bey uns Aus- stattung an Kleidung, Wäsche und andern mobilien zu nennen pfleget. Die nothwendigsten Kleider sind, eins zur Versprechung, das andre zur Hochzeit, und das Dritte ein deshabillé. Das erste pflegt insgemein einen dunckeln oder gar schwartzen Grund mit goldnen Blumen zu haben, das andre ist Silber-Stück mit weißen Grunde, und das Dritte von arbi- trairer Farbe. Die Solenne Versprechung geschiehet mehrentheils nur ein oder 2 Tage vor der Hochzeit. Die Hochzeit-Gäste versammlen sich Abends, da denn ein großes Soupé gegeben wird und die gantze Gesellschaft nach Mitternacht sich in die Kirche zur Meße und Trauung verfüget. Nach deren Retour in Hochzeit-Haus bezeuget man die neuen Ehe-Leute so fort zu Bette. Den folgenden Tag kommen die Hochzeit Gäste à la Toilette der jungen Ehe-Frau welches um 12 oder 1 Uhr geschiehet und Abends wird die gantze Solennitaet mit einem abermaligen Soupé beschloßen, bey welchem allen weder Music noch Tantz gewöhnlich sondern diese Lustbarkeit nur bey Bürger- und Bauer-Hochzeiten einge- führet ist. Sonsten erzehlete auch die Duchesse de la Tremouille, daß bey dem hiesigen Ertz-Bischof gestern darüber ein großes Conseil gehalten worden ob man bey ietziger Theurung in der bevorstehenden Fasten nicht das gras erlauben solle, da das maigre weit schwerer und theurer zu haben sey Ohnerachtet man nun bey dieser Berathschlagung nicht zum endlichen Schluß gekommen, so meinte doch die Marquise de Montbrun qu’on auroit en tout cas autant de merite de manger gras, que de manger maigre, weil nehml: das gras mehr im Magen liege und einen mehr als das maigre incommodire. Bey Mr: und Mad: de la Faye, wo wir auch noch im Vorbey- fahren abtraten, u. den Bruder der letztern Marquis de Saintauban an- trafen, hatten wir noch von Reichs- und andern historischen Sachen eine gantz nützliche Unterredung, und wurden auf nächsten Montag zum Mittags-Eßen eingeladen. Bey der Rückkunft ins Quartier fanden wir eine Charte von denen beyden jüngsten Printzen von Darmstadt welche indeßen zur Visite bey uns gewesen. Den 28 Jan: Diesen Tag hielten wir uns üblen Wetters wegen zu Hause, und wurden vom Mr: de la Faye besuchet, dem denn auf sein Verlangen die bey uns habende Reußische Müntzen vorgezeiget wurden; dagegen er uns seine in gantz Teutschland, Holland, Engelland und Ungarn herum- gethane Reisen umständlich erzehlete, auch von denen Frantzösischen Hei- rathen, bey welchen man ietziger Zeit mehr auf großes Vermögen statt auf naissance zu sehen pflege, mancherley particularia referirete.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/139>, abgerufen am 25.11.2024.