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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 23.
Den 12 Martii

Bey fortgesetzter Erklärung der passions-Historie wurde heute in der Dähnischen Kirche
gehandelt von der Überantwortung Christi an die Heyden, und zwar 1) was
die Heyden und 2) was Judas dabey gethan, welches nach denen im Text
vorkommenden Umständen Herr Hasenmüller dismal meistentheils nur
Historisch ausführete, iedoch bey Gelegenheit des Judä die Materie von der
falschen Buße gantz erbaulich mit einfließen ließ. Unter der Kirche
waren der prince de Turenne und der Graf Tessin zur Visite vor
unserm Quartier gewesen. Der nachmittag wurde gewöhnlicher maßen
zu Expedition der Post angewendet.

Den 13 Martii

Gegen Tisch-Zeit wurde Monsieur de la Tournelle besuchet, der unter andern er-
zehlete, daß vor wenig Tagen eine neue bayerische Deducation, die
Österreichische Erbschaft betreffend, dem König und denen Staats-Ministris
sey behändiget worden, welche zu procuriren er Hoffnung machte.
Nach der Tafel fuhren wir nach Monsieurde Vigny, welcher ein Mitglied
der Königlichen Academie d'architecture ist und uns von Herrn Ferchen re-
commendiret worden, um mit ihm in Graitzer Bau Sachen zu con-
feriren. Weil er aber nicht zu Hause war, begaben wir uns zu
dem Marquis de Montbrun und vernahmen von ihm, daß die
mehrmals schon gedachte Bouillonische Heirath gleich nach Ostern
ihren Fortgang haben, und man die Princessin noch diese Woche als
Braut bey Hofe praesentiren werde. Aus der auf seinem Camin lie
genden Histoire du Marquise de Saint Andre-Montbrun, welcher
Venetianischer General en chef gewesen und bey der berühmten
25jährigen Belagerung von Candia in dieser Stadt commandiret,
erlernten wir, daß das Haus Montbrun aus dem großen Ita-
liänischen Geschlecht de Podio herstamme, davon einer Nahmens
Raphael mit Kayser Henrico IIdo nach Franckreich kommen und
sich in Dauphine etabliret, deßen Nachkommen denn Montbrun
und Villefranche durch Heirath an sich gebracht und sich von diesen
Orten genennet. Die meisten haben considerable Kriegs-chargen
gehabt, und sind bis auf den Vater des ietzigen Marquis de Mont-
brun
eifrige Hugenotten gewesen. Madame de Montbrun spra-
chen wir auch 1/4 Stunde in ihrem Bette, und bezeugte sie wegen
der attention die wir vor sie hätten, gantz besondere Verbindlig-
keit. Unsre fernere Farth ging nach dem Graf Tessin, woselbst
außer seiner Gemahlin und der Mademoiselle de Spaar noch
etliche hiesige Dames und Chapeaux gegenwärtig waren und sich
theils mit Discoursen, theils mit dem Spiel unterhielten, welches
letztere zwar auch von dem Grafen offeriret, von uns aber die Discours
Parthie erwehlet wurde. Unser meistes Entretien war mit dem

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Nummer 23.
Den 12 Martii

Bey fortgesetzter Erklärung der passions-Historie wurde heute in der Dähnischen Kirche
gehandelt von der Überantwortung Christi an die Heyden, und zwar 1) was
die Heyden und 2) was Judas dabey gethan, welches nach denen im Text
vorkommenden Umständen Herr Hasenmüller dismal meistentheils nur
Historisch ausführete, iedoch bey Gelegenheit des Judä die Materie von der
falschen Buße gantz erbaulich mit einfließen ließ. Unter der Kirche
waren der prince de Turenne und der Graf Tessin zur Visite vor
unserm Quartier gewesen. Der nachmittag wurde gewöhnlicher maßen
zu Expedition der Post angewendet.

Den 13 Martii

Gegen Tisch-Zeit wurde Monsieur de la Tournelle besuchet, der unter andern er-
zehlete, daß vor wenig Tagen eine neue bayerische Deducation, die
Österreichische Erbschaft betreffend, dem König und denen Staats-Ministris
sey behändiget worden, welche zu procuriren er Hoffnung machte.
Nach der Tafel fuhren wir nach Monsieurde Vigny, welcher ein Mitglied
der Königlichen Academie d’architecture ist und uns von Herrn Ferchen re-
commendiret worden, um mit ihm in Graitzer Bau Sachen zu con-
feriren. Weil er aber nicht zu Hause war, begaben wir uns zu
dem Marquis de Montbrun und vernahmen von ihm, daß die
mehrmals schon gedachte Bouillonische Heirath gleich nach Ostern
ihren Fortgang haben, und man die Princessin noch diese Woche als
Braut bey Hofe praesentiren werde. Aus der auf seinem Camin lie
genden Histoire du Marquise de Saint André-Montbrun, welcher
Venetianischer General en chef gewesen und bey der berühmten
25jährigen Belagerung von Candia in dieser Stadt commandiret,
erlernten wir, daß das Haus Montbrun aus dem großen Ita-
liänischen Geschlecht de Podio herstamme, davon einer Nahmens
Raphael mit Kayser Henrico IIdo nach Franckreich kommen und
sich in Dauphiné établiret, deßen Nachkommen denn Montbrun
und Villefranche durch Heirath an sich gebracht und sich von diesen
Orten genennet. Die meisten haben considerable Kriegs-chargen
gehabt, und sind bis auf den Vater des ietzigen Marquis de Mont-
brun
eifrige Hugenotten gewesen. Madame de Montbrun spra-
chen wir auch ¼ Stunde in ihrem Bette, und bezeugte sie wegen
der attention die wir vor sie hätten, gantz besondere Verbindlig-
keit. Unsre fernere Farth ging nach dem Graf Tessin, woselbst
außer seiner Gemahlin und der Mademoiselle de Spaar noch
etliche hiesige Dames und Chapeaux gegenwärtig waren und sich
theils mit Discoursen, theils mit dem Spiel unterhielten, welches
letztere zwar auch von dem Grafen offeriret, von uns aber die Discours
Parthie erwehlet wurde. Unser meistes Entretien war mit dem

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[0202] 94 No 23. Den 12 Mart: Bey fortgesetzter Erklärung der passions-Historie wurde heute in der Dähnil: Kirche gehandelt von der Überantwortung Christi an die Heyden, und zwar 1) was die Heyden und 2) was Judas dabey gethan, welches nach denen im Text vorkommenden Umständen Hl: Hasenmüller dismal meistentheils nur Historisch ausführete, iedoch bey Gelegenheit des Judä die Materie von der falschen Buße gantz erbaulich mit einfließen ließ. Unter der Kirche waren der prince de Turenne und der Graf Tessin zur Visite vor unserm Quartier gewesen. Der nachmittag wurde gewöhnlicher maßen zu Expedition der Post angewendet. Den 13 Mart: Gegen Tisch-Zeit wurde Mr: de la Tournelle besuchet, der unter andern er- zehlete, daß vor wenig Tagen eine neue bayerische Deducation, die Oesterreichl: Erbschaft betreffend, dem König und denen Staats-Ministris sey behändiget worden, welche zu procuriren er Hoffnung machte. Nach der Tafel fuhren wir nach Mr:de Vigny, welcher ein Mitglied der Königl: Academie d’architecture ist und uns von Hl: Ferchen re- commendiret worden, um mit ihm in Graitzer Bau Sachen zu con- feriren. Weil er aber nicht zu Hause war, begaben wir uns zu dem Marquis de Montbrun und vernahmen von ihm, daß die mehrmals schon gedachte Bouillonische Heirath gleich nach Ostern ihren Fortgang haben, und man die Princessin noch diese Woche als Braut bey Hofe praesentiren werde. Aus der auf seinem Camin lie genden Histoire du Marquise de Saint André-Montbrun, welcher Venetianischer General en chef gewesen und bey der berühmten 25jährigen Belagerung von Candia in dieser Stadt commandiret, erlernten wir, daß das Haus Montbrun aus dem großen Ita- liänischen Geschlecht de Podio herstamme, davon einer Nahmens Raphael mit Kayser Henrico IIdo nach Franckreich kommen und sich in Dauphiné établiret, deßen Nachkommen denn Montbrun und Villefranche durch Heirath an sich gebracht und sich von diesen Orten genennet. Die meisten haben considerable Kriegs-chargen gehabt, und sind bis auf den Vater des ietzigen Marquis de Mont- brun eifrige Hugenotten gewesen. Madame de Montbrun spra- chen wir auch ¼ Stunde in ihrem Bette, und bezeugte sie wegen der attention die wir vor sie hätten, gantz besondere Verbindlig- keit. Unsre fernere Farth ging nach dem Graf Tessin, woselbst außer seiner Gemahlin und der Mademoiselle de Spaar noch etliche hiesige Dames und Chapeaux gegenwärtig waren und sich theils mit Discoursen, theils mit dem Spiel unterhielten, welches letztere zwar auch von dem Grafen offeriret, von uns aber die Discours Parthie erwehlet wurde. Unser meistes Entretien war mit dem

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/202>, abgerufen am 23.11.2024.