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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 3 April:

Aus dem Ewangelio auf diesen andern Oster-Feyertag und zwar
insbesondre aus denen Worten derer Emauntischen Jünger: brannte
nicht unser Hertz perge
wurde vorgestellet: das von dem auferstandenen
Jesu angezündete göttliche Feuer, und zeigte dabey Herr Hasenmüller
1) die Personen, bey denen solches angezündet worden, 2) die Art und
Weise, wie es angezündet worden, und 3) die Flammen, in welche
es endlich ausgebrochen. Die Predigt war etwas confus und dunckel
weil der liebe Herr Pastor sich in das metaphorische Feld einmal
hinein begeben hatte, und den Weg zur Buchstäblichen Deutlichkeit
nicht wiederfinden konte. Nachmittags leistete uns der Marquis
de Gardouge
, der uns mit dem ihm zugedachten Besuch praeventirte
recht gute und nützliche Gesellschaft, und erzählte, mit was
vor tendresse Monsieur Rollin von Illustrissimo gegen ihn gesprochen.
Unter vielen moralischen Discoursen kam auch die Materie
von Lotterien und von Zinsen vor. In jene sich einzulaßen
hielt er deswegen vor bedencklich, weil dabey nichts anders, als
die Gewinn-Sucht zum Grunde liege, dahingegen er en solches
Spiel, wobey nicht der Gewinn, sondern das amusement der
Zweck sey, nicht vor unrecht erkennete. In Ansehung derer
Zinsen behauptete er die Lehre der Kirchen-Väter und des
Canonischen Rechts, und hielt solche vor unerlaubt, man wolte
denn das Capital gäntzlich, ohne es wiederfordern zu können
weggeben, und sich dagegen von dem neuen Innhaber deßelben
eine jährliche Renthe constituiren laßen, welches auch in
hiesigen Landen bey Unterbringung derer Capitalien die durch-
gängige praxis ist. Da man indeßen die auf diese Art er-
worbenen Renthen einem tertio wieder verhandeln, und,
gegen Cedirung seines Rechts,: von diesem das Capital wieder
bekommen kan; so begriff der Marquis selbst, daß da Renthen
nichts anders, als ungetaufte Zinsen seyn, folglich auch jene
wenn die Unzuläßigkeit derer Zinsen ihre Richtigkeit hätte
unmöglich passiren könten.

Den 4 April

Mittags gab uns der prince de Turenne mit Monsieur de Ramsey
die Visite, welche wir, weil den 3ten Feyertag hier keine Ewan-
gelische Predigt ist, ohne Hinderung abwarten konten. Monsieur de
Ramsey gab seine besondere Zuneigung auf mancherley Weise
zu erkennen, und erzehlete, auf Veranlaßung, verschiedene
particularia von seinen Umständen. Zum Exempel daß er die Education

Den 3 April:

Aus dem Ewangelio auf diesen andern Oster-Feyertag und zwar
insbesondre aus denen Worten derer Emauntischen Jünger: brannte
nicht unser Hertz perge
wurde vorgestellet: das von dem auferstandenen
Jesu angezündete göttliche Feuer, und zeigte dabey Herr Hasenmüller
1) die Personen, bey denen solches angezündet worden, 2) die Art und
Weise, wie es angezündet worden, und 3) die Flammen, in welche
es endlich ausgebrochen. Die Predigt war etwas confus und dunckel
weil der liebe Herr Pastor sich in das metaphorische Feld einmal
hinein begeben hatte, und den Weg zur Buchstäblichen Deutlichkeit
nicht wiederfinden konte. Nachmittags leistete uns der Marquis
de Gardouge
, der uns mit dem ihm zugedachten Besuch praeventirte
recht gute und nützliche Gesellschaft, und erzählte, mit was
vor tendresse Monsieur Rollin von Illustrissimo gegen ihn gesprochen.
Unter vielen moralischen Discoursen kam auch die Materie
von Lotterien und von Zinsen vor. In jene sich einzulaßen
hielt er deswegen vor bedencklich, weil dabey nichts anders, als
die Gewinn-Sucht zum Grunde liege, dahingegen er en solches
Spiel, wobey nicht der Gewinn, sondern das amusement der
Zweck sey, nicht vor unrecht erkennete. In Ansehung derer
Zinsen behauptete er die Lehre der Kirchen-Väter und des
Canonischen Rechts, und hielt solche vor unerlaubt, man wolte
denn das Capital gäntzlich, ohne es wiederfordern zu können
weggeben, und sich dagegen von dem neuen Innhaber deßelben
eine jährliche Renthe constituiren laßen, welches auch in
hiesigen Landen bey Unterbringung derer Capitalien die durch-
gängige praxis ist. Da man indeßen die auf diese Art er-
worbenen Renthen einem tertio wieder verhandeln, und,
gegen Cedirung seines Rechts,: von diesem das Capital wieder
bekommen kan; so begriff der Marquis selbst, daß da Renthen
nichts anders, als ungetaufte Zinsen seyn, folglich auch jene
wenn die Unzuläßigkeit derer Zinsen ihre Richtigkeit hätte
unmöglich passiren könten.

Den 4 April

Mittags gab uns der prince de Turenne mit Monsieur de Ramsey
die Visite, welche wir, weil den 3ten Feyertag hier keine Ewan-
gelische Predigt ist, ohne Hinderung abwarten konten. Monsieur de
Ramsey gab seine besondere Zuneigung auf mancherley Weise
zu erkennen, und erzehlete, auf Veranlaßung, verschiedene
particularia von seinen Umständen. Zum Exempel daß er die Education

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[0235] Den 3 April: Aus dem Ewangelio auf diesen andern Oster-Feyertag und zwar insbesondre aus denen Worten derer Emauntischen Jünger: brannte nicht unser Hertz p wurde vorgestellet: das von dem auferstandenen Jesu angezündete göttliche Feuer, und zeigte dabey H. Hasenmüller 1) die Personen, bey denen solches angezündet worden, 2) die Art und Weise, wie es angezündet worden, u. 3) die Flammen, in welche es endl: ausgebrochen. Die Predigt war etwas confus u. dunckel weil der liebe H: Pastor sich in das metaphorische Feld einmal hinein begeben hatte, und den Weg zur Buchstäblichen Deutlichkeit nicht wiederfinden konte. Nachmittags leistete uns der Marquis de Gardouge, der uns mit dem ihm zugedachten Besuch praeventirte recht gute und nützliche Gesellschaft, und erzählte, mit was vor tendresse Mr. Rollin von Illmo gegen ihn gesprochen. Unter vielen moralischen Discoursen kam auch die Materie von Lotterien und von Zinsen vor. In jene sich einzulaßen hielt er deswegen vor bedencklich, weil dabey nichts anders, als die Gewinn-Sucht zum Grunde liege, dahingegen er en solches Spiel, wobey nicht der Gewinn, sondern das amusement der Zweck sey, nicht vor unrecht erkennete. In Ansehung derer Zinsen behauptete er die Lehre der Kirchen-Väter und des Canonischen Rechts, und hielt solche vor unerlaubt, man wolte denn das Capital gäntzlich, ohne es wiederfordern zu können weggeben, und sich dagegen von dem neuen Innhaber deßelben eine jährliche Renthe constituiren laßen, welches auch in hiesigen Landen bey Unterbringung derer Capitalien die durch- gängige praxis ist. Da man indeßen die auf diese Art er- worbenen Renthen einem tertio wieder verhandeln, und, gegen Cedirung seines Rechts,: von diesem das Capital wieder bekommen kan; so begriff der Marquis selbst, daß da Renthen nichts anders, als ungetaufte Zinsen seyn, folglich auch jene wenn die Unzuläßigkeit derer Zinsen ihre Richtigkeit hätte unmöglich passiren könten. Den 4 April Mittags gab uns der prince de Turenne mit Mr. de Ramsey die Visite, welche wir, weil den 3ten Feyertag hier keine Ewan- gelische Predigt ist, ohne Hinderung abwarten konten. Mr. de Ramsey gab seine besondere Zuneigung auf mancherley Weise zu erkennen, und erzehlete, auf Veranlaßung, verschiedene particularia von seinen Umständen. Z.E. daß er die Education

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/235>, abgerufen am 21.11.2024.