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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Wurms vorhanden wären. Wir communicireten ihm die oben
geführten Franckfurtischen lateinischen Verse mit der Fontenelli-
schen Übersetzung, worüber er ein besonders Vergnügen bezeu-
gete, und, weil er nach der academie des sciences fahren
müste, uns mit der übrigen Gesellschaft in seinem Ca-
binet zurück ließ. Von da wir, nach einer im Montbruni-
schen Hause abgelegten kurtzen Visite, zu Monsieur Rollin fuhren.
Er gieng in seinen Garten im Schlafrock mit einem Buch
spatzieren, und empfing uns mit der grösten tendresse. Nachdem wir
ihm eine weile Gesellschaft geleistet, und von seiner Histoire
Romaine
, davon er den 6ten tomum elaboriret hat, gesprochen, gingen
wir mit einander auf sein Zimmer, und gaben ihm, auf sein Verlangen,
von denen Obergraitzischen Landes-Umständen Nachricht. Worauf er zu Illustrissimo
sagte: vous etes donc un petit Roi, qui ne laisse pas d'etre assez grand,
pour faire beaucoup de bien a sen peuple. Er recommandirte ihnen deswegen
des Abbe du Guet Institution d'un prince, und freuete sich, daß sie es
bisher gelesen, fügte aber hinzu: je vous aime tendrement, je voi vos
bonnes moeurs et vos admirables dispositions: mais ce qui me fait
de la peine, c'est que vous n'etez pas dans la vrage eglise. Er suchte uns
darauf die unumgängliche Nothwendigkeit einer äußerlichen auctoritaet
begreiflich zu machen, wir hielten ihm aber sogleich den schlechten
Effect derselben bey ietzigen Kirchen-troublen in Franckreich entgegen,
worüber er sehr seuftzete, und ziemlich confus wurde, auch um Vergebung
bat, daß er, da er kein theologus sey, von solchen Sachen gesprochen. In-
deßen bat er doch, in dieser wichtigen Sache bey andern Verständigen
rechte information einzunehmen, freuete sich auch, als er vernahm, daß
Pater Gravron, und andre sich schon viele Mühe diesertwegen mit uns
gegeben. Wir versicherten ihn aber, daß wir auch vorher schon
nicht ohne information gewesen, weil unsre Kirche uns die Freyheit nicht
abschneide, alles zu lesen, alles zu prüfen, und das gute zu be-
halten. Es kam noch verschiedenes vor, woraus seine Schwäche in
der polemischen theologie abzunehmen war, die er auch nicht läugne-
te, und versicherte, daß, so bald er seine angefangene Wercke zu Ende
gebracht, sein eintziges studium die Biebel und die Kirchen-Historie
seyn solle. Die Force seiner bisherigen Historischen Schriften setzet er
darinn, daß wo er Gelegenheit zu einer guten morale, oder andern
angenehmen reflexion gefunden, er davon profitiret. Bey der Retour nach
unserm Hotel, sprachen wir noch en passant bey dem Grafen Poniatofsky,
und dem geheimbden Rath Fritsch an, fanden aber keinen von beyden zu Hause.

Den 15 April.

Alle unsre heutige Ausfarthen nach dem Duc de Valentinois, der Duchesse de la
Tremouille
, dem Comte de Chabane, und dem Marquis de Montbrun waren vergeblich,
und Niemand als Madame de la Faye zu Hause, die wir im Bette enrumirt
antraffen, und, nach einer kurtzen Unterredung, den Überrest des schönen
und heitern Tages zu einer promenade aux Thuileries anwendeten, bey welcher
uns der Abbe le Blond, ein Haus-Genoße des Cardinals Polignac, Gesell-
schaft leistete.

Wurms vorhanden wären. Wir communicireten ihm die oben
geführten Franckfurtischen lateinischen Verse mit der Fontenelli-
schen Übersetzung, worüber er ein besonders Vergnügen bezeu-
gete, und, weil er nach der academie des sciences fahren
müste, uns mit der übrigen Gesellschaft in seinem Ca-
binet zurück ließ. Von da wir, nach einer im Montbruni-
schen Hause abgelegten kurtzen Visite, zu Monsieur Rollin fuhren.
Er gieng in seinen Garten im Schlafrock mit einem Buch
spatzieren, und empfing uns mit der grösten tendresse. Nachdem wir
ihm eine weile Gesellschaft geleistet, und von seiner Histoire
Romaine
, davon er den 6ten tomum elaboriret hat, gesprochen, gingen
wir mit einander auf sein Zimmer, und gaben ihm, auf sein Verlangen,
von denen Obergraitzischen Landes-Umständen Nachricht. Worauf er zu Illustrissimo
sagte: vous êtes donc un petit Roi, qui ne laisse pas d’etre assez grand,
pour faire beaucoup de bien à sen peuple. Er recommandirte ihnen deswegen
des Abbé du Guet Institution d’un prince, und freuete sich, daß sie es
bisher gelesen, fügte aber hinzu: je vous aime tendrement, je voi vos
bonnes moeurs et vos admirables dispositions: mais ce qui me fait
de la peine, c’est que vous n’etez pas dans la vrage eglise. Er suchte uns
darauf die unumgängliche Nothwendigkeit einer äußerlichen auctoritaet
begreiflich zu machen, wir hielten ihm aber sogleich den schlechten
Effect derselben bey ietzigen Kirchen-troublen in Franckreich entgegen,
worüber er sehr seuftzete, und ziemlich confus wurde, auch um Vergebung
bat, daß er, da er kein theologus sey, von solchen Sachen gesprochen. In-
deßen bat er doch, in dieser wichtigen Sache bey andern Verständigen
rechte information einzunehmen, freuete sich auch, als er vernahm, daß
Pater Gravron, und andre sich schon viele Mühe diesertwegen mit uns
gegeben. Wir versicherten ihn aber, daß wir auch vorher schon
nicht ohne information gewesen, weil unsre Kirche uns die Freyheit nicht
abschneide, alles zu lesen, alles zu prüfen, und das gute zu be-
halten. Es kam noch verschiedenes vor, woraus seine Schwäche in
der polemischen theologie abzunehmen war, die er auch nicht läugne-
te, und versicherte, daß, so bald er seine angefangene Wercke zu Ende
gebracht, sein eintziges studium die Biebel und die Kirchen-Historie
seyn solle. Die Force seiner bisherigen Historischen Schriften setzet er
darinn, daß wo er Gelegenheit zu einer guten morale, oder andern
angenehmen reflexion gefunden, er davon profitiret. Bey der Retour nach
unserm Hôtel, sprachen wir noch en passant bey dem Grafen Poniatofsky,
und dem geheimbden Rath Fritsch an, fanden aber keinen von beyden zu Hause.

Den 15 April.

Alle unsre heutige Ausfarthen nach dem Duc de Valentinois, der Duchesse de la
Tremouille
, dem Comte de Chabane, und dem Marquis de Montbrun waren vergeblich,
und Niemand als Madame de la Faye zu Hause, die wir im Bette enrumirt
antraffen, und, nach einer kurtzen Unterredung, den Überrest des schönen
und heitern Tages zu einer promenade aux Thuileries anwendeten, bey welcher
uns der Abbé le Blond, ein Haus-Genoße des Cardinals Polignac, Gesell-
schaft leistete.

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[0257] Wurms vorhanden wären. Wir communicireten ihm die oben geführten Franckfurtischen lateinischen Verse mit der Fontenelli- schen Übersetzung, worüber er ein besonders Vergnügen bezeu- gete, und, weil er nach der academie des sciences fahren müste, uns mit der übrigen Gesellschaft in seinem Ca- binet zurück ließ. Von da wir, nach einer im Montbruni- schen Hause abgelegten kurtzen Visite, zu Mr. Rollin fuhren. Er gieng in seinen Garten im Schlafrock mit einem Buch spatzieren, u. empfing uns mit der grösten tendresse. Nachdem wir ihm eine weile Gesellschaft geleistet, u. von seiner Histoire Romaine, davon er den 6ten tomum elaboriret hat, gesprochen, gingen wir mit einander auf sein Zimmer, und gaben ihm, auf sein Verlangen, von denen Obergraitzil: Landes-Umständen Nachricht. Worauf er zu Illmo sagte: vous êtes donc un petit Roi, qui ne laisse pas d’etre assez grand, pour faire beaucoup de bien à sen peuple. Er recommandirte ihnen deswegen des Abbé du Guet Institution d’un prince, u. freuete sich, daß sie es bisher gelesen, fügte aber hinzu: je vous aime tendrement, je voi vos bonnes moeurs et vos admirables dispositions: mais ce qui me fait de la peine, c’est que vous n’etez pas dans la vrage eglise. Er suchte uns darauf die unumgängliche Nothwendigkeit einer äußerlichen auctoritaet begreiflich zu machen, wir hielten ihm aber sogleich den schlechten Effect derselben bey ietzigen Kirchen-troublen in Franckreich entgegen, worüber er sehr seuftzete, u. ziemlich confus wurde, auch um Vergebung bat, daß er, da er kein theologus sey, von solchen Sachen gesprochen. In- deßen bat er doch, in dieser wichtigen Sache bey andern Verständigen rechte information einzunehmen, freuete sich auch, als er vernahm, daß P. Gravron, u. andre sich schon viele Mühe diesertwegen mit uns gegeben. Wir versicherten ihn aber, daß wir auch vorher schon nicht ohne information gewesen, weil unsre Kirche uns die Freyheit nicht abschneide, alles zu lesen, alles zu prüfen, u. das gute zu be- halten. Es kam noch verschiedenes vor, woraus seine Schwäche in der polemischen theologie abzunehmen war, die er auch nicht läugne- te, und versicherte, daß, so bald er seine angefangene Wercke zu Ende gebracht, sein eintziges studium die Biebel u. die Kirchen-Historie seyn solle. Die Force seiner bisherigen Historischen Schriften setzet er darinn, daß wo er Gelegenheit zu einer guten morale, oder andern angenehmen reflexion gefunden, er davon profitiret. Bey der Retour nach unserm Hôtel, sprachen wir noch en passant bey dem Grafen Poniatofsky, u. dem geheimbden Rath Fritsch an, fanden aber keinen von beyden zu Hause. Den 15 April. Alle unsre heutige Ausfarthen nach dem Duc de Valentinois, der Duchesse de la Tremouille, dem Comte de Chabane, u. dem Marquis de Montbrun waren vergeblich, und Niemand als Madame de la Faye zu Hause, die wir im Bette enrumirt antraffen, und, nach einer kurtzen Unterredung, den Überrest des schönen u. heitern Tages zu einer promenade aux Thuileries anwendeten, bey welcher uns der Abbé le Blond, ein Haus-Genoße des Cardinals Polignac, Gesell- schaft leistete.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/257>, abgerufen am 27.11.2024.