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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Versailles, und giengen, nachdem wir a la Sale des ambassadeurs
gefrühstücket, nach dem apartement des Cardinal de Rohan, der
uns in seinem Cabinet stehend empfing, sich aber sogleich mit
uns an seinen Schreib-Tisch niedersetzte, und die Preußische
Zeitung recapitulirte, mit dem Zusatz, daß dem König selbst
ein Pferd unter dem Leibe, ein page und ein maitre d'hotel
aber an seiner Seite erschloßen, seine beyde Brüder blessiret,
und Marggraf Friedrich, Marggraf Albrechts Sohn, getödtet
worden. Doch redete er von allem mit Ungewißheit, und
gab indeßen dem König wegen seiner bewiesenen valeur
viel eloges. Weil er zu schreiben zu haben schiene, auch
ein Chevalier de Saint Esprit dazu kam, so verfügten wir
uns weiter nach dem apartement des Duc de Chatillon,
bey dem wir iedoch nicht von Zeitungen, sondern von un-
sern Reisen, auch bishiergen Thun und Laßen in Paris entre
teniret wurden, uns aber, weil er zum Dauphin gehen
muste, in etlichen minuten wieder beurlaubten, und au
leve du Roi, von da aber au leve de la Reine verfügeten.
Dem letzteren wohnete diesmal auch der Dauphin bey, und
wurde von der Königin auf das allerzärtlichste geküßet,
nachdem sie seinen Kopf zwischen beyde Hände gefaßet
und an ihren Mund gedrücket. Madame de Mailly stund
ihr accurat gegen über, doch schien der vor der Königin
auf dem Nacht-Tische placirete große Spiegel den recipro-
quen Prospect zu benehmen, im übrigen aber gedachte
Madame, ihrer mine nach, nicht aufgeräumt zu seyn,
wie sie denn auch zu einer andern Dame, welche ihr
auf die Schleppe trat, gantz mißvergnügt sagte, menagez
vous, vous savez que je ne suis pas aujourdhui des bonne
humeux Währender Zeit da der König und die Königin
in der Meße waren, gingen wir in der großen Gallerie
spatzieren und unterhielten uns daselbst bald mit diesem,
bald mit jenem unsrer Bekanndten, als mit dem Marechal
d'Asfeld
, Duc d'Humieres, Duc d'Olaune, Duc de Valen-
tinois
, dem Päbstlichen Nuncio, dem Holländischen Ambassadeur, dem
Graf Tessin, dem Schwedischen Minister von Flemming, dem Englischen
Tompson, dem Preußischen Chambrier, und andern mehrern.
Der Preußischen Minister erzehlete auf unser Befragen die
Preußischen Victorie eben so, wie solche bereits oben ange-
führet worden; andere aber wolten zwar zugestehen, daß die

Versailles, und giengen, nachdem wir à la Sale des ambassadeurs
gefrühstücket, nach dem apartement des Cardinal de Rohan, der
uns in seinem Cabinet stehend empfing, sich aber sogleich mit
uns an seinen Schreib-Tisch niedersetzte, und die Preußische
Zeitung recapitulirte, mit dem Zusatz, daß dem König selbst
ein Pferd unter dem Leibe, ein page und ein maitre d’hotel
aber an seiner Seite erschloßen, seine beyde Brüder blessiret,
und Marggraf Friedrich, Marggraf Albrechts Sohn, getödtet
worden. Doch redete er von allem mit Ungewißheit, und
gab indeßen dem König wegen seiner bewiesenen valeur
viel éloges. Weil er zu schreiben zu haben schiene, auch
ein Chevalier de Saint Esprit dazu kam, so verfügten wir
uns weiter nach dem apartement des Duc de Chatillon,
bey dem wir iedoch nicht von Zeitungen, sondern von un-
sern Reisen, auch bishiergen Thun und Laßen in Paris entre
teniret wurden, uns aber, weil er zum Dauphin gehen
muste, in etlichen minuten wieder beurlaubten, und au
levé du Roi, von da aber au léve de la Reine verfügeten.
Dem letzteren wohnete diesmal auch der Dauphin bey, und
wurde von der Königin auf das allerzärtlichste geküßet,
nachdem sie seinen Kopf zwischen beyde Hände gefaßet
und an ihren Mund gedrücket. Madame de Mailly stund
ihr accurat gegen über, doch schien der vor der Königin
auf dem Nacht-Tische placirete große Spiegel den recipro-
quen Prospect zu benehmen, im übrigen aber gedachte
Madame, ihrer mine nach, nicht aufgeräumt zu seyn,
wie sie denn auch zu einer andern Dame, welche ihr
auf die Schleppe trat, gantz mißvergnügt sagte, menagez
vous, vous savez que je ne suis pas aujourdhui des bonne
humeux Währender Zeit da der König und die Königin
in der Meße waren, gingen wir in der großen Gallerie
spatzieren und unterhielten uns daselbst bald mit diesem,
bald mit jenem unsrer Bekanndten, als mit dem Marechal
d’Asfeld
, Duc d’Humieres, Duc d’Olaune, Duc de Valen-
tinois
, dem Päbstlichen Nuncio, dem Holländischen Ambassadeur, dem
Graf Tessin, dem Schwedischen Minister von Flemming, dem Englischen
Tompson, dem Preußischen Chambrier, und andern mehrern.
Der Preußischen Minister erzehlete auf unser Befragen die
Preußischen Victorie eben so, wie solche bereits oben ange-
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[0277] Versailles, und giengen, nachdem wir à la Sale des ambassadeurs gefrühstücket, nach dem apartement des Cardinal de Rohan, der uns in seinem Cabinet stehend empfing, sich aber sogleich mit uns an seinen Schreib-Tisch niedersetzte, und die Preußische Zeitung recapitulirte, mit dem Zusatz, daß dem König selbst ein Pferd unter dem Leibe, ein page und ein maitre d’hotel aber an seiner Seite erschloßen, seine beyde Brüder blessiret, und Marggraf Friedrich, Marggraf Albrechts Sohn, getödtet worden. Doch redete er von allem mit Ungewißheit, und gab indeßen dem König wegen seiner bewiesenen valeur viel éloges. Weil er zu schreiben zu haben schiene, auch ein Chevalier de St. Esprit dazu kam, so verfügten wir uns weiter nach dem apartement des Duc de Chatillon, bey dem wir iedoch nicht von Zeitungen, sondern von un- sern Reisen, auch bishiergen Thun und Laßen in Paris entre teniret wurden, uns aber, weil er zum Dauphin gehen muste, in etlichen minuten wieder beurlaubten, und au levé du Roi, von da aber au léve de la Reine verfügeten. Dem letzteren wohnete diesmal auch der Dauphin bey, und wurde von der Königin auf das allerzärtlichste geküßet, nachdem sie seinen Kopf zwischen beyde Hände gefaßet und an ihren Mund gedrücket. Madame de Mailly stund ihr accurat gegen über, doch schien der vor der Königin auf dem Nacht-Tische placirete große Spiegel den recipro- quen Prospect zu benehmen, im übrigen aber gedachte Madame, ihrer mine nach, nicht aufgeräumt zu seyn, wie sie denn auch zu einer andern Dame, welche ihr auf die Schleppe trat, gantz mißvergnügt sagte, menagez vous, vous savez que je ne suis pas aujourdhui des bonne humeux Währender Zeit da der König und die Königin in der Meße waren, gingen wir in der großen Gallerie spatzieren und unterhielten uns daselbst bald mit diesem, bald mit jenem unsrer Bekanndten, als mit dem Marechal d’Asfeld, Duc d’Humieres, Duc d’Olaune, Duc de Valen- tinois, dem Päbstl: Nuncio, dem Holländl: Ambassadeur, dem Graf Tessin, dem Schwedl: Minister von Flemming, dem Engl: Tompson, dem Preußil: Chambrier, und andern mehrern. Der Preußil: Minister erzehlete auf unser Befragen die Preußil: Victorie eben so, wie solche bereits oben ange- führet worden; andere aber wolten zwar zugestehen, daß die

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/277>, abgerufen am 25.11.2024.