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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 1 May

Der Nachmittag wurde bey der Marquise de Montbrun und dem Duc de Gesvres
zugebracht, und war an beyden Orten der Haupt Discours das unverhofte
Absterben des Admiral d'Antin, und das heroischen Verhalten des Königs
in Preußen
, welchem letztern der Comte de Treme mit seiner ge-
wöhnlichen vivacite und Posaunen-mäßiger Stimme eine rechte
Lob-Rede hielt. Abends bey der Rückkunft in unser Hotel vernahmen
wir, daß der Marquis de Beaufremont zur Visite da gewesen.

Den 2 May.

Vormittags besuchten Illustrissimum der mehrmalen schon erwehnte Baron
Gersdorff
, und nachgehends der prince de Guise, welcher letztere
aus dem ohngefähr auf dem camin liegenden teutschen Neuen-
Testament
eine passage vorlaße, und in das Frantzösische über-
setzte, überhaupt aber sich sehr freundlich und guthertzig bewiese
Den Nachmittag und Abend passireten wir an folgenden Orten:
1) Bey dem Marquis de Beaufremont, woselbst ein zweystün-
diger Religions-Disput zu Übung der Gedult und contenence
auf beyden Seiten Gelegenheit gab. Die vermeinten variationes
unsrer Kirche in der Lehre, und hingegen die vorgegebene Un-
veränderligkeit der Römischen in dogmatibus von der Apostel Zei-
ten her, war dismal die Haupt-materie. Man zeigte ihm aber
den Ungrund solcher Unveränderligkeit seiner Kirchen 1) in der
Lehre von der transubstantiation, als an welcher zu in denen
ersten 300 Jahren kein Christ gedacht, und die Pabst Gelasius
im 9ten Seculo allererst fest gesetzt, doch so, daß nach der Zeit
noch nötig gewesen, concilia darüber zu halten; 2) in der
Lehre von einer Gestalt im Abendmal, da der Gebrauch beyder
Gestalten, wie Mabillon selbst angemercket, noch im 13den
seculo erlaubt gewesen; 3) in der Lehre vom Bilder-Dienst,
und andern mehrern puncten. Es wurden dabey verschiedene
Bücher, mit denen der Marquis so wohl versehen ist, aufgeschlagen,
und blieb, gewöhnlichermaßen, am Ende iedweder Theil bey seiner
Meinung, obwohl der Marquis im übrigen die sogenannten abus
de la cour de Rome
aufs äußerste detestirte, und Zum Exempelvon dem
Verfahren der Inquisition uns aus Limborchs Historie etliche
Blätter selbst vorlase. Es wurde ihm beym Abschied des Bas[unleserliches Material]na-
ge Histoire de l'Eglise
als ein Buch recommandiret, daraus er von
der Veränderligkeit der Römischen Kirche in denen wichtigsten Lehr[unleserliches Material]
puncten wurde können überzeuget werden. Er versprach,
zu Lesung dieses Buchs, sich bey seiner Geistligkeit, weil es pro-
testantisch sey, Erlaubnis auszubitten, ließ es sich aber nicht

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Den 1 May

Der Nachmittag wurde bey der Marquise de Montbrun und dem Duc de Gesvres
zugebracht, und war an beyden Orten der Haupt Discours das unverhofte
Absterben des Admiral d’Antin, und das heroischen Verhalten des Königs
in Preußen
, welchem letztern der Comte de Trême mit seiner ge-
wöhnlichen vivacité und Posaunen-mäßiger Stimme eine rechte
Lob-Rede hielt. Abends bey der Rückkunft in unser Hôtel vernahmen
wir, daß der Marquis de Beaufremont zur Visite da gewesen.

Den 2 May.

Vormittags besuchten Illustrissimum der mehrmalen schon erwehnte Baron
Gersdorff
, und nachgehends der prince de Guise, welcher letztere
aus dem ohngefähr auf dem camin liegenden teutschen Neuen-
Testament
eine passage vorlaße, und in das Frantzösische über-
setzte, überhaupt aber sich sehr freundlich und guthertzig bewiese
Den Nachmittag und Abend passireten wir an folgenden Orten:
1) Bey dem Marquis de Beaufremont, woselbst ein zweystün-
diger Religions-Disput zu Übung der Gedult und contenence 
auf beyden Seiten Gelegenheit gab. Die vermeinten variationes
unsrer Kirche in der Lehre, und hingegen die vorgegebene Un-
veränderligkeit der Römischen in dogmatibus von der Apostel Zei-
ten her, war dismal die Haupt-materie. Man zeigte ihm aber
den Ungrund solcher Unveränderligkeit seiner Kirchen 1) in der
Lehre von der transubstantiation, als an welcher zu in denen
ersten 300 Jahren kein Christ gedacht, und die Pabst Gelasius
im 9ten Seculo allererst fest gesetzt, doch so, daß nach der Zeit
noch nötig gewesen, concilia darüber zu halten; 2) in der
Lehre von einer Gestalt im Abendmal, da der Gebrauch beyder
Gestalten, wie Mabillon selbst angemercket, noch im 13den
seculo erlaubt gewesen; 3) in der Lehre vom Bilder-Dienst,
und andern mehrern puncten. Es wurden dabey verschiedene
Bücher, mit denen der Marquis so wohl versehen ist, aufgeschlagen,
und blieb, gewöhnlichermaßen, am Ende iedweder Theil bey seiner
Meinung, obwohl der Marquis im übrigen die sogenannten abus
de la cour de Rome
aufs äußerste detestirte, und Zum Exempelvon dem
Verfahren der Inquisition uns aus Limborchs Historie etliche
Blätter selbst vorlase. Es wurde ihm beym Abschied des Bas[unleserliches Material]na-
ge Histoire de l’Eglise
als ein Buch recommandiret, daraus er von
der Veränderligkeit der Römischen Kirche in denen wichtigsten Lehr[unleserliches Material]
puncten wurde können überzeuget werden. Er versprach,
zu Lesung dieses Buchs, sich bey seiner Geistligkeit, weil es pro-
testantisch sey, Erlaubnis auszubitten, ließ es sich aber nicht

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[0286] 136 Den 1 May Der Nachmittag wurde bey der Marquise de Montbrun und dem Duc de Gesvres zugebracht, und war an beyden Orten der Haupt Discours das unverhofte Absterben des Admiral d’Antin, und das heroischen Verhalten des Königs in Preußen, welchem letztern der Comte de Trême mit seiner ge- wöhnlichen vivacité und Posaunen-mäßiger Stimme eine rechte Lob-Rede hielt. Abends bey der Rückkunft in unser Hôtel vernahmen wir, daß der Marquis de Beaufremont zur Visite da gewesen. Den 2 May. Vormittags besuchten Illmum der mehrmalen schon erwehnte Barn- Gersdorff, und nachgehends der prince de Guise, welcher letztere aus dem ohngefähr auf dem camin liegenden teutschen Neuen- Testament eine passage vorlaße, und in das Frantzösische über- setzte, überhaupt aber sich sehr freundlich und guthertzig bewiese Den Nachmittag und Abend passireten wir an folgenden Orten: 1) Bey dem Marquis de Beaufremont, woselbst ein zweystün- diger Religions-Disput zu Übung der Gedult u. contenence  auf beyden Seiten Gelegenheit gab. Die vermeinten variationes unsrer Kirche in der Lehre, und hingegen die vorgegebene Un- veränderligkeit der Römischen in dogmatibus von der Apostel Zei- ten her, war dismal die Haupt-materie. Man zeigte ihm aber den Ungrund solcher Unveränderligkeit seiner Kirchen 1) in der Lehre von der transubstantiation, als an welche in denen ersten 300 Jahren kein Christ gedacht, und die Pabst Gelasius im 9ten Seculo allererst fest gesetzt, doch so, daß nach der Zeit noch nötig gewesen, concilia darüber zu halten; 2) in der Lehre von einer Gestalt im Abendmal, da der Gebrauch beyder Gestalten, wie Mabillon selbst angemercket, noch im 13den seculo erlaubt gewesen; 3) in der Lehre vom Bilder-Dienst, und andern mehrern puncten. Es wurden dabey verschiedene Bücher, mit denen der Marquis so wohl versehen ist, aufgeschlagen, und blieb, gewöhnlichermaßen, am Ende iedweder Theil bey seiner Meinung, obwohl der Marquis im übrigen die sogenannten abus de la cour de Rome aufs äußerste detestirte, und Z.E.von dem Verfahren der Inquisition uns aus Limborchs Historie etliche Blätter selbst vorlase. Es wurde ihm beym Abschied des Basna- ge Histoire de l’Eglise als ein Buch recommandiret, daraus er von der Veränderligkeit der Röml: Kirche in denen wichtigsten Lehr puncten wurde können überzeuget werden. Er versprach, zu Lesung dieses Buchs, sich bey seiner Geistligkeit, weil es pro- testantisch sey, Erlaubnis auszubitten, ließ es sich aber nicht

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/286>, abgerufen am 25.11.2024.