Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].204 Brunnen und theils zur Nothdurft der privat-Häuser vertheiletwerden. Das Stück des aqueducs, davon hier die Rede ist, bestehet aus 3 Reihen über einander gesetzten arcaden, geht quer über den Fluß Gardon, und vereiniget die zu beyden Seiten des Flußes gelegene hohe Felsen dergestalt, daß schon gedachtes Quell-Waßer von einem Berge zum andern ungehindert hat hinüber lauffen können. Der Waßer-Lauff oder Canal lieget über der 3ten Reihe arcaden, und ist mit großen Werck-Stücken zugedeckt, auch so hoch und breit, daß man zwar gebückt, aber doch ohne große Unbequemligkeit bis dato noch hindurch gehen kan, wie wir denn, um diese Probe zu machen, uns nicht verdrießen ließen, den hohen Felsen hinauf zu klettern. Die unterste Reihe derer Schwibbogen ist so breit, daß neben denen Pfeilern, auf welchen die andre Reihe derer Schwibbögen ruhet, eine passage vor Pferde und Menschen ganzt gemächlich vorbey gehet, welche auch mit einer Brust-Lehne verwahret ist. Das gantze Ge- mäuer ist a la rustique von quader-Stücken, die sehr hart und dauerhaft sind, doch hat man hin und wieder das etwan vom Regen ausgewaschene mit neuen Steinen recroutiret. Auf der höhe nach Usez zu sieht man hin und wieder noch gantze Reihen gemaurter Schwibbögen, welche alle zu dem großen aqueduc gehöret haben. Eine noch umständlichere Beschreibung dieses stupenden Wercks würde eine unnötige Wiederholung desjenigen seyn, was in unzählichen Büchern stehet. Nachdem wir unsre Augen genugsam geweidet und unsre Füße ermüdet, setzten wir Abends um 7 Uhr unsre Reise weiter fort, und soupireten nach 11 Uhr in dem Städtgen Bagnols. Wir sahen hier in unserm Leben den ersten lebendigen Scorpion, welcher in dem Eß-Saal an der Mauer hinauf kroch, und, nachdem wir ihn gnugsam betrachtet, von der Magdt ertödtet wurde. Es findet sich dieses Insect in diesen Gegenden und bis über Montelimart hinaus ziemlich häuffig, ist aber nicht so schädlich, als in seinem eigentlichen Vaterlande, wie denn der Wirth erzehlte, daß er einsmals davon gestochen worden, und ihn solches nicht mehr incommodiret habe, als ein starcker Mücken= oder 204 Brunnen und theils zur Nothdurft der privat-Häuser vertheiletwerden. Das Stück des aqueducs, davon hier die Rede ist, bestehet aus 3 Reihen über einander gesetzten arcaden, geht quer über den Fluß Gardon, und vereiniget die zu beyden Seiten des Flußes gelegene hohe Felsen dergestalt, daß schon gedachtes Quell-Waßer von einem Berge zum andern ungehindert hat hinüber lauffen können. Der Waßer-Lauff oder Canal lieget über der 3ten Reihe arcaden, und ist mit großen Werck-Stücken zugedeckt, auch so hoch und breit, daß man zwar gebückt, aber doch ohne große Unbequemligkeit bis dato noch hindurch gehen kan, wie wir denn, um diese Probe zu machen, uns nicht verdrießen ließen, den hohen Felsen hinauf zu klettern. Die unterste Reihe derer Schwibbogen ist so breit, daß neben denen Pfeilern, auf welchen die andre Reihe derer Schwibbögen ruhet, eine passage vor Pferde und Menschen ganzt gemächlich vorbey gehet, welche auch mit einer Brust-Lehne verwahret ist. Das gantze Ge- mäuer ist a la rustique von quader-Stücken, die sehr hart und dauerhaft sind, doch hat man hin und wieder das etwan vom Regen ausgewaschene mit neuen Steinen recroutiret. Auf der höhe nach Usez zu sieht man hin und wieder noch gantze Reihen gemaurter Schwibbögen, welche alle zu dem großen aqueduc gehöret haben. Eine noch umständlichere Beschreibung dieses stupenden Wercks würde eine unnötige Wiederholung desjenigen seyn, was in unzählichen Büchern stehet. Nachdem wir unsre Augen genugsam geweidet und unsre Füße ermüdet, setzten wir Abends um 7 Uhr unsre Reise weiter fort, und soupireten nach 11 Uhr in dem Städtgen Bagnols. Wir sahen hier in unserm Leben den ersten lebendigen Scorpion, welcher in dem Eß-Saal an der Mauer hinauf kroch, und, nachdem wir ihn gnugsam betrachtet, von der Magdt ertödtet wurde. Es findet sich dieses Insect in diesen Gegenden und bis über Montelimart hinaus ziemlich häuffig, ist aber nicht so schädlich, als in seinem eigentlichen Vaterlande, wie denn der Wirth erzehlte, daß er einsmals davon gestochen worden, und ihn solches nicht mehr incommodiret habe, als ein starcker Mücken= oder <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0422"/><fw type="folNum" place="top">204</fw><lb/> Brunnen und theils zur Nothdurft der privat-Häuser vertheilet<lb/> werden. 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Brunnen und theils zur Nothdurft der privat-Häuser vertheilet
werden. Das Stück des aqueducs, davon hier die Rede ist, bestehet
aus 3 Reihen über einander gesetzten arcaden, geht quer über
den Fluß Gardon, und vereiniget die zu beyden Seiten des
Flußes gelegene hohe Felsen dergestalt, daß schon gedachtes
Quell-Waßer von einem Berge zum andern ungehindert
hat hinüber lauffen können. Der Waßer-Lauff oder Canal lieget
über der 3ten Reihe arcaden, und ist mit großen Werck-Stücken
zugedeckt, auch so hoch und breit, daß man zwar gebückt,
aber doch ohne große Unbequemligkeit bis dato noch hindurch
gehen kan, wie wir denn, um diese Probe zu machen,
uns nicht verdrießen ließen, den hohen Felsen hinauf
zu klettern. Die unterste Reihe derer Schwibbogen ist so
breit, daß neben denen Pfeilern, auf welchen die andre
Reihe derer Schwibbögen ruhet, eine passage vor Pferde
und Menschen ganzt gemächlich vorbey gehet, welche auch
mit einer Brust-Lehne verwahret ist. Das gantze Ge-
mäuer ist a la rustique von quader-Stücken, die sehr hart
und dauerhaft sind, doch hat man hin und wieder das
etwan vom Regen ausgewaschene mit neuen Steinen
recroutiret. Auf der höhe nach Usez zu sieht man hin
und wieder noch gantze Reihen gemaurter Schwibbögen,
welche alle zu dem großen aqueduc gehöret haben. Eine
noch umständlichere Beschreibung dieses stupenden Wercks
würde eine unnötige Wiederholung desjenigen seyn, was
in unzählichen Büchern stehet. Nachdem wir unsre Augen
genugsam geweidet und unsre Füße ermüdet, setzten
wir Abends um 7 Uhr unsre Reise weiter fort, und
soupireten nach 11 Uhr in dem Städtgen Bagnols. Wir
sahen hier in unserm Leben den ersten lebendigen
Scorpion, welcher in dem Eß-Saal an der Mauer
hinauf kroch, und, nachdem wir ihn gnugsam betrachtet,
von der Magdt ertödtet wurde. Es findet sich dieses Insect
in diesen Gegenden und bis über Montelimart hinaus
ziemlich häuffig, ist aber nicht so schädlich, als in seinem
eigentlichen Vaterlande, wie denn der Wirth erzehlte, daß
er einsmals davon gestochen worden, und ihn solches
nicht mehr incommodiret habe, als ein starcker Mücken= oder
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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