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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 45.
Den 9 September

Nach eingenommenen Frühstück, und nachdem wir unsern Reise-Wagen
in guter Verwahrung hinterlaßen, reiseten wir in 3 Meyländischen
Voiturier-chaises |: welche wir bis Turin bedungen, auch unsre
nouriture und den transport über den Mont Senis mit einge-
handelt hatten :| von Lyon ab, repassireten die große steinerne
Brücke über die Rhone, und fuhren durch die Vorstadt, la Guillot-
tiere, welche gleich vor dieser Brücke liegt und aus lauter
Wirths Häusern bestehet, darinn das Lyonische gemeine
Volck sich zu divertiren pfleget. Noch vor dem Ende dieser
Vorstadt komt man schon wieder in Dauphine, durch
welche Provintz wir also unsern Weg fortsetzeten, und
das Nacht-Quartier in Bourgoin, einem volckreichen Dorf,
aufschlugen, endlich aber

Den 10 September

das letzte Frantzösischer Mittags-Eßen in dem offenen Städtgen
Pont Beau-voisin einnahmen. Der diesen Ort in zwey Helften
theilende kleine Fluß le Guiere machet zwischen Franckreich
und Savoyen die Gräntz-Scheidung, und wird, weil er einen
schnellen Lauff hat, le vif genennet, um ihn dadurch von ei-
nem andern langsam fließenden Waßer, welches Guiere
le mort
heißet, zu distinguiren. Der Unterschied ist deswe-
gen anzumercken, weil in einem zwischen Franckreich und
Savoyen ehemals errichteten Gräntz-Vergleich nur überhaupt
le Guiere als die Scheidung ausgedrücket, und man also un-
gewiß gewesen, welcher von beyden gedachten Flüßen
darunter zu verstehen sey, dahero es denn auch geschehen,
daß ein Stück Landes, le pais entre les deux Guieres ge-
nannt, zu welchem die große Chartreuse gehöret, viele
Jahre gleichsam ohne Herren geblieben, und weder an
Franckreich noch an Savoyen etwas bezahlet, bis endlich, als beyde
Theile auf das Savoysche Parlament zu Chambery compro-
mittiret, dieses letztere le Guiere vif zur Gräntze gesetzet,
welcher Ausspruch also vor Franckreich Favorable gewesen.
Die steinerne Brücke, welche in diesem Städtgen über
den Gräntz-Fluß gehet, ist sowol auf der Savoyschen, als
Frantzösischen Seite mit einem Gatter verwahret, auch

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Nummer 45.
Den 9 September

Nach eingenommenen Frühstück, und nachdem wir unsern Reise-Wagen
in guter Verwahrung hinterlaßen, reiseten wir in 3 Meyländischen
Voiturier-chaises |: welche wir bis Turin bedungen, auch unsre
nouriture und den transport über den Mont Senis mit einge-
handelt hatten :| von Lyon ab, repassireten die große steinerne
Brücke über die Rhône, und fuhren durch die Vorstadt, la Guillot-
tiere, welche gleich vor dieser Brücke liegt und aus lauter
Wirths Häusern bestehet, darinn das Lyonische gemeine
Volck sich zu divertiren pfleget. Noch vor dem Ende dieser
Vorstadt komt man schon wieder in Dauphiné, durch
welche Provintz wir also unsern Weg fortsetzeten, und
das Nacht-Quartier in Bourgoin, einem volckreichen Dorf,
aufschlugen, endlich aber

Den 10 September

das letzte Frantzösischer Mittags-Eßen in dem offenen Städtgen
Pont Beau-voisin einnahmen. Der diesen Ort in zwey Helften
theilende kleine Fluß le Guiere machet zwischen Franckreich
und Savoyen die Gräntz-Scheidung, und wird, weil er einen
schnellen Lauff hat, le vif genennet, um ihn dadurch von ei-
nem andern langsam fließenden Waßer, welches Guiere
le mort
heißet, zu distinguiren. Der Unterschied ist deswe-
gen anzumercken, weil in einem zwischen Franckreich und
Savoyen ehemals errichteten Gräntz-Vergleich nur überhaupt
le Guiere als die Scheidung ausgedrücket, und man also un-
gewiß gewesen, welcher von beyden gedachten Flüßen
darunter zu verstehen sey, dahero es denn auch geschehen,
daß ein Stück Landes, le païs entre les deux Guieres ge-
nannt, zu welchem die große Chartreuse gehöret, viele
Jahre gleichsam ohne Herren geblieben, und weder an
Franckreich noch an Savoyen etwas bezahlet, bis endlich, als beyde
Theile auf das Savoysche Parlament zu Chambery compro-
mittiret, dieses letztere le Guiere vif zur Gräntze gesetzet,
welcher Ausspruch also vor Franckreich Favorable gewesen.
Die steinerne Brücke, welche in diesem Städtgen über
den Gräntz-Fluß gehet, ist sowol auf der Savoyschen, als
Frantzösischen Seite mit einem Gatter verwahret, auch

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[0440] 213 No 45. Den 9 Septembr: Nach eingenommenen Frühstück, und nachdem wir unsern Reise-Wagen in guter Verwahrung hinterlaßen, reiseten wir in 3 Meyländischen Voiturier-chaises |: welche wir bis Turin bedungen, auch unsre nouriture und den transport über den Mont Senis mit einge- handelt hatten :| von Lyon ab, repassireten die große steinerne Brücke über die Rhône, und fuhren durch die Vorstadt, la Guillot- tiere, welche gleich vor dieser Brücke liegt und aus lauter Wirths Häusern bestehet, darinn das Lyonische gemeine Volck sich zu divertiren pfleget. Noch vor dem Ende dieser Vorstadt komt man schon wieder in Dauphiné, durch welche Provintz wir also unsern Weg fortsetzeten, und das Nacht-Quartier in Bourgoin, einem volckreichen Dorf, aufschlugen, endlich aber Den 10 Sept: das letzte Frantzösischer Mittags-Eßen in dem offenen Städtgen Pont Beau-voisin einnahmen. Der diesen Ort in zwey Helften theilende kleine Fluß le Guiere machet zwischen Franckreich und Savoyen die Gräntz-Scheidung, und wird, weil er einen schnellen Lauff hat, le vif genennet, um ihn dadurch von ei- nem andern langsam fließenden Waßer, welches Guiere le mort heißet, zu distinguiren. Der Unterschied ist deswe- gen anzumercken, weil in einem zwischen Franckreich und Savoyen ehemals errichteten Gräntz-Vergleich nur überhaupt le Guiere als die Scheidung ausgedrücket, und man also un- gewiß gewesen, welcher von beyden gedachten Flüßen darunter zu verstehen sey, dahero es denn auch geschehen, daß ein Stück Landes, le païs entre les deux Guieres ge- nannt, zu welchem die große Chartreuse gehöret, viele Jahre gleichsam ohne Herren geblieben, und weder an Franckreich noch an Savoyen etwas bezahlet, bis endlich, als beyde Theile auf das Savoysche Parlament zu Chambery compro- mittiret, dieses letztere le Guiere vif zur Gräntze gesetzet, welcher Ausspruch also vor Franckreich Favorable gewesen. Die steinerne Brücke, welche in diesem Städtgen über den Gräntz-Fluß gehet, ist sowol auf der Savoyschen, als Frantzösischen Seite mit einem Gatter verwahret, auch

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/440>, abgerufen am 27.11.2024.