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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 17 October

Nach abgelegter Visite bey dem Neapolitanischen Ambassadeur, woselbst
auch der Spanische Ambassadeur und der Marquis Cassini gentil hommepremier
de la chambreEcuyer du Roi gegenwärtig waren, verfügten wir uns in
eben dieser Gesellschaft nach Hofe zum Könige, sodann aber
iedoch nur vor uns alleine, zum dine bey dem Marechal
Rehbinder, und hatten Niemand, als die Marechallin und
ihre unverheyrathete Schwester zu Mitgästen. Der alte Marechal
war überaus treuhertzig, und zeigte uns vor Tische einige
Bücher vom Soldaten-Wesen der Römer, unter andern Vege-
tium de militia Romana
, explicirete uns auch alle dabey vor-
kommende Kupfer von armaturen und Machinen und zeigete,
wie manches noch heutiges Tages applicable sey. Nach der
Tafel muste die Marechalin allen ihrem Schmuck und Ge-
schmeide uns aufschließen und vorzeigen, er selbst aber
zeigete uns sein aurum potabile oder oleum incombastibile
welches ihn, seinem Bericht nach, ein alter philosoph, der nicht
mehr hier sey, machen gelehret und deßen er sich alle Früh-Jahr
mit dem Effect des Vomirens, Schwitzens oder laxirens bedienet, auch gänztlich
der Meinung ist, daß ihn dieses Mittel bey seinem hohen Alter
so gesund erhalte. Es ist dieses aurum potabile an Farbe
und Schwere dem Golde fast gleich und waren die Stücke, so
er uns gezeiget, so groß, als eine Wällsche Nuß, hatten eine
gewiße Fettigkeit bey sich, und ließen sich ohngefähr auf
die Art, wie ein naßgemachter Zucker, zerbröckeln, der
Geschmack aber war etwas saltzigt. Die portion, welche man
einnehmen will und 3. gran zu seyn pfleget, wird in kalt Waßer geworffen, darinn
sie sich so fort auflöset und das Waßer gelb färbet, welches
man sodann austrincket. Wird eben diese materie auf ein
glüend Eisen geleget, so verursachet sie auf demselben einen
ordentlichen Fett-Fleck, welcher so gar bis auf die andre Seite
hindurch dringet, auch beständig bleibet, wenn man das Eisen
im Feuer auch gleich noch so oft durchglüen läst. Er versicherte
das uns vorgezeigte in seinem Camin mit eigner Hand, und
zwar von purem Golde verfertiget zu haben, nachdem er
es vorher mit dem menstruo universali versetzet, wie er denn
auch nicht weniger die irreducibilitaet dieser materie außer
allen Zweifel setzte, hoch contestirete. Von gedachtem menstruo
universali gab er folgende Nachricht, es sey solches eine gewiße
grüne und etwas klebrige materie, welche in solchen Gegenden,

Den 17 October

Nach abgelegter Visite bey dem Neapolitanischen Ambassadeur, woselbst
auch der Spanische Ambassadeur und der Marquis Cassini gentil hommepremier
de la chambreEcuyer du Roi gegenwärtig waren, verfügten wir uns in
eben dieser Gesellschaft nach Hofe zum Könige, sodann aber
iedoch nur vor uns alleine, zum diné bey dem Marechal
Rehbinder, und hatten Niemand, als die Marechallin und
ihre unverheyrathete Schwester zu Mitgästen. Der alte Marechal
war überaus treuhertzig, und zeigte uns vor Tische einige
Bücher vom Soldaten-Wesen der Römer, unter andern Vege-
tium de militia Romana
, explicirete uns auch alle dabey vor-
kommende Kupfer von armaturen und Machinen und zeigete,
wie manches noch heutiges Tages applicable sey. Nach der
Tafel muste die Marechalin allen ihrem Schmuck und Ge-
schmeide uns aufschließen und vorzeigen, er selbst aber
zeigete uns sein aurum potabile oder oleum incombastibile
welches ihn, seinem Bericht nach, ein alter philosoph, der nicht
mehr hier sey, machen gelehret und deßen er sich alle Früh-Jahr
mit dem Effect des Vomirens, Schwitzens oder laxirens bedienet, auch gänztlich
der Meinung ist, daß ihn dieses Mittel bey seinem hohen Alter
so gesund erhalte. Es ist dieses aurum potabile an Farbe
und Schwere dem Golde fast gleich und waren die Stücke, so
er uns gezeiget, so groß, als eine Wällsche Nuß, hatten eine
gewiße Fettigkeit bey sich, und ließen sich ohngefähr auf
die Art, wie ein naßgemachter Zucker, zerbröckeln, der
Geschmack aber war etwas saltzigt. Die portion, welche man
einnehmen will und 3. gran zu seyn pfleget, wird in kalt Waßer geworffen, darinn
sie sich so fort auflöset und das Waßer gelb färbet, welches
man sodann austrincket. Wird eben diese materie auf ein
glüend Eisen geleget, so verursachet sie auf demselben einen
ordentlichen Fett-Fleck, welcher so gar bis auf die andre Seite
hindurch dringet, auch beständig bleibet, wenn man das Eisen
im Feuer auch gleich noch so oft durchglüen läst. Er versicherte
das uns vorgezeigte in seinem Camin mit eigner Hand, und
zwar von purem Golde verfertiget zu haben, nachdem er
es vorher mit dem menstruo universali versetzet, wie er denn
auch nicht weniger die irreducibilitaet dieser materie außer
allen Zweifel setzte, hoch contestirete. Von gedachtem menstruo
universali gab er folgende Nachricht, es sey solches eine gewiße
grüne und etwas klebrige materie, welche in solchen Gegenden,

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[0485] Den 17 Octobr: Nach abgelegter Visite bey dem Neapolitanischen Ambassadeur, woselbst auch der Spanische Ambassadeur und der Marquis Cassini premier Ecuyer du Roi gegenwärtig waren, verfügten wir uns in eben dieser Gesellschaft nach Hofe zum Könige, sodann aber iedoch nur vor uns alleine, zum diné bey dem Marechal Rehbinder, und hatten Niemand, als die Marechallin und ihre unverheyrathete Schwester zu Mitgästen. Der alte Marechal war überaus treuhertzig, und zeigte uns vor Tische einige Bücher vom Soldaten-Wesen der Römer, unter andern Vege- tium de militia Romana, explicirete uns auch alle dabey vor- kommende Kupfer von armaturen und Machinen und zeigete, wie manches noch heutiges Tages applicable sey. Nach der Tafel muste die Marechalin allen ihrem Schmuck und Ge- schmeide uns aufschließen , er selbst aber zeigete uns sein aurum potabile oder oleum incombastibile welches ihn, seinem Bericht nach, ein alter philosoph, der nicht mehr hier sey, machen gelehret und deßen er sich alle Früh-Jahr mit dem Effect des Vomirens, Schwitzens oder laxirens bedienet, auch gänztlich der Meinung ist, daß ihn dieses Mittel bey seinem hohen Alter so gesund erhalte. Es ist dieses aurum potabile an Farbe und Schwere dem Golde fast gleich und waren die Stücke, so er uns gezeiget, so groß, als eine Wällsche Nuß, hatten eine gewiße Fettigkeit bey sich, und ließen sich ohngefähr auf die Art, wie ein naßgemachter Zucker, zerbröckeln, der Geschmack aber war etwas saltzig. Die portion, welche man einnehmen will und 3. gran zu seyn pfleget, wird in kalt Waßer geworffen, darinn sie sich so fort auflöset und das Waßer gelb färbet, welches man sodann austrincket. Wird eben diese materie auf ein glüend Eisen geleget, so verursachet sie auf demselben einen ordentlichen Fett-Fleck, welcher so gar bis auf die andre Seite hindurch dringet, auch beständig bleibet, wenn man das Eisen im Feuer auch gleich noch so oft durchglüen läst. Er versicherte das uns vorgezeigte in seinem Camin mit eigner Hand, und zwar von purem Golde verfertiget zu haben, nachdem er es vorher mit dem menstruo universali versetzet, wie er denn auch nicht weniger die irreducibilitaet dieser materie außer allen Zweifel setzte, hoch contestirete. Von gedachtem menstruo universali gab er folgende Nachricht, es sey solches eine gewiße grüne und etwas klebrige materie, welche in solchen Gegenden,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/485>, abgerufen am 25.11.2024.