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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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die nicht gar zu fett, aber auch nicht gar zu dürre wären, vor
der Sonnen-Aufgang auf dem Grase oder auf dem Mose klebend
gefunden werde. Wenn die Sonne aufgegangen, resolvire sich
selbige durch die Wärme also fort und gehe wie ein Nebel in die
Höhe. Diese materie nun müße im Früh-Jahr und im Herbst ge-
sammlet, die Samlung von beyden Saisons aber zusammen gethan,
und sehr mühsam und vorsichtig über=distilliret werden, welches
destillatum dann das eintzige Mittel sey, das Gold radicaliter auf-
zuschließen und irreducible zu machen. Von der abdication
des vorigen Königs erzehlete er uns sehr viele Umstände, unter
welchen folgende beyde die vornehmsten sind: 1) Daß solche abdica-
tion bloß deswegen geschehen, weil er gemercket, daß ihm das Ge-
dächtnüß gäntzlich ablege, darüber er verdrießlich worden. Er, der
Marechal, habe ihm zwar solches treulich widerrathen, und vor-
geschlagen, daß der König zu Verhütung aller Inconvenientzien
alle seine mündliche ordres in ein Buch dictiren solle, wel-
ches er auch eine zeitlang gethan, nichts destoweniger aber bey
der ersten Entschließung verblieben. 2) Daß es zu der Arrestirung
des Königs nimmermehr gekommen seyn würde, wo man nicht
einen von ihm nach Franckreich geschriebenen Brief aufgefangen,
darinn er um Hülfe, wider auf den Thron zu kommen, ange-
suchet, weil alle andre zu solchem Retablissement innerhalb
des Landes gebrauchte Mittel ihm fehl geschlagen. Von dem
Turinischen Entsatz benachrichtigte er uns, daß keinesweges,
wie insgemein erzehlet wird, die Brandenburger in dem
Frantzösischen Retranchement die ersten gewesen, sondern
daß er mit denen damals unter seinem Commando gehabten
9000 Pfältzern solches zuerst überstiegen habe. Er fügte hinzu,
daß, nach völlig erhaltenem Siege, der König Victor mit dem
Printz Eugenio und allen übrigen Generals in die Stadt ge-
ritten und auf hiesigem Palais geschmauset, er hingegen
vor die Gesunden und Blessirten von seinem Corps Wein
und Brandtwein aus der Stadt holen laßen, um die guten
braven Leute respective zu erquicken und verbinden
zu laßen, als welches ia nicht allein die christliche Schuldigkeit
sey, sondern auch einem General die wahre Liebe bey seinen
Soldaten zu Wege bringe, daß sie ihm nachgehends, bey sich
ereignender occasion, durch Waßer und Feuer folgeten. Den
andern Tag sey er denn auch beym König zum Schmause
geritten, da ihm denenzwar derselbe nebst ein deren Generals sein
gestriges Außenbleiben reprochiret, er aber dagegen ihnen
allen eine scharffe lection gelesen habe, daß sie ihre Leute nun

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die nicht gar zu fett, aber auch nicht gar zu dürre wären, vor
der Sonnen-Aufgang auf dem Grase oder auf dem Mose klebend
gefunden werde. Wenn die Sonne aufgegangen, resolvire sich
selbige durch die Wärme also fort und gehe wie ein Nebel in die
Höhe. Diese materie nun müße im Früh-Jahr und im Herbst ge-
sammlet, die Samlung von beyden Saisons aber zusammen gethan,
und sehr mühsam und vorsichtig über=distilliret werden, welches
destillatum dann das eintzige Mittel sey, das Gold radicaliter auf-
zuschließen und irreducible zu machen. Von der abdication
des vorigen Königs erzehlete er uns sehr viele Umstände, unter
welchen folgende beyde die vornehmsten sind: 1) Daß solche abdica-
tion bloß deswegen geschehen, weil er gemercket, daß ihm das Ge-
dächtnüß gäntzlich ablege, darüber er verdrießlich worden. Er, der
Marechal, habe ihm zwar solches treulich widerrathen, und vor-
geschlagen, daß der König zu Verhütung aller Inconvenientzien
alle seine mündliche ordres in ein Buch dictiren solle, wel-
ches er auch eine zeitlang gethan, nichts destoweniger aber bey
der ersten Entschließung verblieben. 2) Daß es zu der Arrestirung
des Königs nimmermehr gekommen seyn würde, wo man nicht
einen von ihm nach Franckreich geschriebenen Brief aufgefangen,
darinn er um Hülfe, wider auf den Thron zu kommen, ange-
suchet, weil alle andre zu solchem Retablissement innerhalb
des Landes gebrauchte Mittel ihm fehl geschlagen. Von dem
Turinischen Entsatz benachrichtigte er uns, daß keinesweges,
wie insgemein erzehlet wird, die Brandenburger in dem
Frantzösischen Retranchement die ersten gewesen, sondern
daß er mit denen damals unter seinem Commando gehabten
9000 Pfältzern solches zuerst überstiegen habe. Er fügte hinzu,
daß, nach völlig erhaltenem Siege, der König Victor mit dem
Printz Eugenio und allen übrigen Generals in die Stadt ge-
ritten und auf hiesigem Palais geschmauset, er hingegen
vor die Gesunden und Blessirten von seinem Corps Wein
und Brandtwein aus der Stadt holen laßen, um die guten
braven Leute respective zu erquicken und verbinden
zu laßen, als welches ia nicht allein die christliche Schuldigkeit
sey, sondern auch einem General die wahre Liebe bey seinen
Soldaten zu Wege bringe, daß sie ihm nachgehends, bey sich
ereignender occasion, durch Waßer und Feuer folgeten. Den
andern Tag sey er denn auch beym König zum Schmause
geritten, da ihm denenzwar derselbe nebst ein deren Generals sein
gestriges Außenbleiben reprochiret, er aber dagegen ihnen
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[0486] 236 die nicht gar zu fett, aber auch nicht gar zu dürre wären, vor der Sonnen-Aufgang auf dem Grase oder auf dem Mose klebend gefunden werde. Wenn die Sonne aufgegangen, resolvire sich selbige durch die Wärme also fort und gehe wie ein Nebel in die Höhe. Diese materie nun müße im Früh-Jahr und im Herbst ge- sammlet, die Samlung von beyden Saisons aber zusammen gethan, und sehr mühsam und vorsichtig über=distilliret werden, welches destillatum dann das eintzige Mittel sey, das Gold radicaliter auf- zuschließen und irreducible zu machen. Von der abdication des vorigen Königs erzehlete er uns sehr viele Umstände, unter welchen folgende beyde die vornehmsten sind: 1) Daß solche abdica- tion bloß deswegen geschehen, weil er gemercket, daß ihm das Ge- dächtnüß gäntzlich ablege, darüber er verdrießlich worden. Er, der Marechal, habe ihm zwar solches treulich widerrathen, und vor- geschlagen, daß der König zu Verhütung aller Inconvenientzien alle seine mündliche ordres in ein Buch dictiren solle, wel- ches er auch eine zeitlang gethan, nichts destoweniger aber bey der ersten Entschließung verblieben. 2) Daß es zu der Arrestirung des Königs nimmermehr gekommen seyn würde, wo man nicht einen von ihm nach Franckreich geschriebenen Brief aufgefangen, darinn er um Hülfe, wider auf den Thron zu kommen, ange- suchet, weil alle andre zu solchem Retablissement innerhalb des Landes gebrauchte Mittel ihm fehl geschlagen. Von dem Turinischen Entsatz benachrichtigte er uns, daß keinesweges, wie insgemein erzehlet wird, die Brandenburger in dem Frantzösischen Retranchement die ersten gewesen, sondern daß er mit denen damals unter seinem Commando gehabten 9000 Pfältzern solches zuerst überstiegen habe. Er fügte hinzu, daß, nach völlig erhaltenem Siege, der König Victor mit dem Printz Eugenio und allen übrigen Generals in die Stadt ge- ritten und auf hiesigem Palais geschmauset, er hingegen vor die Gesunden und Blessirten von seinem Corps Wein und Brandtwein aus der Stadt holen laßen, um die guten braven Leute respective zu erquicken und verbinden zu laßen, als welches ia nicht allein die christliche Schuldigkeit sey, sondern auch einem General die wahre Liebe bey seinen Soldaten zu Wege bringe, daß sie ihm nachgehends, bey sich ereignender occasion, durch Waßer und Feuer folgeten. Den andern Tag sey er denn auch beym König zum Schmause geritten, da ihm zwar derselbe nebst deren Generals sein gestriges Außenbleiben reprochiret, er aber dagegen ihnen allen eine scharffe lection gelesen habe, daß sie ihre Leute nun

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/486>, abgerufen am 25.11.2024.